„Das Anspruchsvollste für mich war, meine eigene Grenzen zu überschreiten“
06.05.22
Interview mit der Schauspielerin Theodora Sandu
Die Absolventen des Honterus-Lyzeums arbeiten heute, in der ganzen Welt verstreut, in allen denkbaren Bereichen- unter ihnen sind Star-Musiker, Informatiker, Top-Manager, Politiker, Schriftsteller, anerkannte Ärzte oder Architekten. Ob in London, Abu-Dhabi, Wien, Berlin, New York, Bukarest oder Kronstadt- die meisten von ihnen denken gerne an ihre gemeinsame Schulzeit zurück. In der Karpatenrundschau werden wir in den nächsten Monaten einige der ehemaligen Honterianer vorstellen, die heute eine erfolgreiche Karriere haben. Falls Sie auch jemanden kennen, der das Honterus-Lyzeum absolviert hat und sich in seinem Bereich bemerkbar gemacht hat, können Sie uns gerne ihre Vorschläge auf kronstadt@adz.ro zusenden. Wir freuen uns auf jede Idee!
Theodora Sandu ist nach ihrem Schulabschluss im Jahr 2012 nach Bukarest gezogen, um ihren Traum zu verwirklichen. Heute, 10 Jahre danach, lebt sie diesen Traum. Sie ist Schauspielerin und arbeitet unter anderen mit demTheater aus Ploie{ti, dem Nationaltheater Bukarest und seit Kurzem auch mit der Deutschen Abteilung des Nationaltheaters Hermannstadt zusammen. Letztes Jahr war sie in der Auswahl des Programms „10 pentru film” des Internationalen Filmfestivals aus Klausenburg (TIFF). Über ihre Projekte und Zukunftswünsche, aber auch über die Schuljahre am „Johannes Honterus”-Lyzeum sprach Theodora Sandu mit der KR-Redakteurin Elise Wilk.
Liebe Theodora, bitte stelle dich unseren Lesern kurz vor.
Hallo, ich bin Theodora, Kronstädterin und ehemalige Honterianerin, Tochter, Schwester, Enkelkind,Cousine, Nichte, Freundin, Frau und als Beruf habe ich das Schauspiel gewählt. Meine große Liebe sind die Menschen aus meinem Leben, meine Familie, meine Eltern und meine Geschwister, ein Bruder und zwei Schwestern, sowie auch die Großfamilie, und meine Freunde. Ich liebe die Natur, die menschliche Zerbrechlichkeit, das Einfachsein und manchmal auch die Einsamkeit. Heutzutage finde ich, dass die Erziehung der Kinder, sowie auch die Kommunikation mit diesen, einige der wichtigsten Stichpunkte auf der To-Do-Liste der Menschheit sein sollten. Zurzeit wohne ich in Bukarest, aber ich arbeite meistens an den Theatern aus Ploiesti und Hermannstadt, fahre für meinen Beruf quer durchs Land.
„Was willst du werden, wenn du groß bist?”- das ist eine Frage, die man oft als Kind gestellt bekommt. Ich erinnere mich an eine Hausaufgabe aus der 1. oder 2. Klasse. Wir mussten zeichnen, was wir später werden wollen. In unserer Klasse waren 42 Kinder, und am nächsten Tag brachten etwa 30 von uns Zeichnungen in die Schule, die Ärzte darstellten. Wolltest du zuerst auch Ärztin werden? Oder war Schauspielerin dein erster und letzter Berufswunsch? Wie kam es eigentlich dazu? Und, nicht zuletzt: was hielten deine Eltern von diesem Wunsch?
Als Kind habe ich immer schon gewusst, dass ich Schauspielerin werden will. In der Kindheit habe ich mit meiner Oma Seifenopern auf „Acas² TV“ angeschaut und war ein großer Fan der Sängerin und Schauspielerin Thalia. Es gab eine Zeit, in der ich Tierärztin werden wollte, weil ich Mitleid mit kleinen Tieren hatte und sie ständig zu retten versuchte. Einmal habe ich ein kleines schwarzes Kätzchen “gerettet”, aber leider ist es ohne seine Mutter nach ein paar Tagen gestorben; es war schmerzvoll für die damals neunjährige Theo. Nach dieser Begebenheit habe ich eine lange Zeit Abstand vor den Tieren gehalten. Also, ja, Schauspielerin werden war immer mein Traum. Ich habe auch gedacht, Deutsch- oder Rumänischlehrerin zu werden, weil ich in diesen Fächern gut war. Aber ich wollte nicht, dass ich mir später im Leben die Frage stelle: „Was wäre gewesen, wenn ich Schauspielerin geworden wäre?“
Wann bist du zum ersten Mal auf einer Bühne gestanden?
Als ich drei oder vier Jahre alt war. Unsere Mutter hat uns, die Mädchen aus der Familie (meine zwei Schwestern und ich) zum Ballettunterricht geschickt und dort sollten wir am Ende jedes Semesters in einer Vorstellung tanzen. Das habe ich die ganze Kindheit und Jugend unternommen, für mich war das eine große Freude und eine gute Gelegenheit, mich künstlerisch auszudrücken. Meine Liebe für Ballett und Ballerinas wird nie aufhören. Musik war auch ein wichtiger Teil unseres Lebens, zusammen mit allen meinen Geschwistern habe ich Klavier in der Musikschule studiert, wobei unser Bruder auch Cello studiert hat.
Heutzutage gibt es sehr viele Schülertheatergruppen und viele Festivals, wo Jugendliche auftreten. Gab es in der Honterusschule zu deiner Zeit auch eine Theatergruppe?
Zu meiner Zeit haben meine Freunde und ich eine Theatergruppe gegründet. Sie hieß 9th Sense und war nicht eine exklusive Honterusgruppe, weil wir auch Freunde aus anderen Schulen hatten. Mit dieser Theatergruppe haben wir bei ein paar Theaterfestivals für Teenager teilgenommen, es war großartig damals für uns! Aber auch in der Honterusschule haben wir verschiedene Theaterprojekte oder Musikkonzerte mit unserer Folk-Band Contre-Jour organisiert. Das waren schöne, volle Jahre, auf die ich jetzt nostalgisch zurückblicke.
Was würdest du einem Jugendlichen raten, der Schauspiel studieren will?
Vertrau dir! Finde deine eigene Stimme. Sei anwesend, sei aufmerksam, lerne soviel du kannst, aber nimm nur das mit, was dir gut tut. Der Weg ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich, die Landschaften sind wunderbar, der innere Kampf ist rücksichtslos. Vergleich dich nie mit anderen, jeder hat seinen eigenen, einzigartigen Weg. Das Lernen hört nie auf, das Spielen aber auch nicht.
Du hast bis 2017 an der Hochschule für Schauspiel und Film in Bukarest (UNATC) studiert. Gab es vielleicht auch weniger schöne Seiten deiner Studienjahre?
Meine Studienjahre waren aus mehreren Sichtpunkten herausfordernd, aber heute erkenne ich, dass alle Erfahrungen mich für meinen Beruf vorbereitet haben. Mit 18-19 Jahren, dem Alter, in dem man gewöhnlich anfängt, zu studieren, ist ein Jugendlicher noch unreif und unschuldig. Viele Aspekte des Lebens sind noch unbekannt, aber die Neugier ist groß. Die Schauspielschule unterscheidet sich sehr viel von einer anderen Hochschulen und ganz und gar von den Schuljahren.
Man arbeitet eher praktisch als theoretisch und dafür braucht man viel Mut, Geduld und Widerstandsfähigkeit. Das Anspruchsvollste für mich war, meine eigene Grenzen zu überschreiten, meine Gefühle und Emotionen wahrzunehmen und zu akzeptieren und sie bei der Arbeit zu nutzen. Aber Schauspiel ist ein Bereich, in dem man ständig lernt, neu entdeckt und Platz hat um einen Schritt weiter zu gehen, besser zu werden. Heutzutage lerne ich immer noch und werde sicherlich nie aufhören.
Welches war deine schwerste Rolle bisher und warum?
Alle Rollen sind provokant und es gefällt mir, Schwierigkeiten bei der Arbeit zu empfinden, das schenkt einer Figur Wert und Gewicht. Aber ich muss zugeben, dass eine Komödie mich mehr verängstigt als ein Drama, obwohl ich mit beiden in derselben Art und Weise umgehe: ich will immer einen wahren Menschen spielen, eine richtige Person aus Fleisch und Blut, die Träume hat, die eine Geschichte hat.
Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass ich nicht lustig sein kann und deshalb finde ich es schwieriger, in einer Komödie zu spielen. Die letzten drei Rollen an denen ich gearbeitet habe und die ich auch sehr schätze sind: Viola in Was ihr Wollt, Regie Cristi Juncu und Zita in O noapte furtunoasa, Regie Sânziana Stoican, beide beim “Toma Caragiu” Theater, Ploiesti, und Troubairitz in Ein Jedermann, Regie David Paška, bei der Deutschen Abteilung des “Radu Stanca”-Nationaltheaters in Hermannstadt.
Du bist am „Toma Caragiu“-Theater in Ploie?ti angestellt, aber seit diesem Jahr arbeitest du auch mit der Deutschen Abteilung des Radu Stanca-Nationaltheaters in Hermannstadt zusammen. Ist es schwer, auf Deutsch zu spielen?
Genau, ab November 2021 bin ich auch Teil des Ensembles der Deutschen Abteilung beim Nationaltheater “Radu Stanca” in Hermannstadt, wo ich auf Deutsch spiele. Die erste Aufführung, wo ich mitgemacht habe, ist Ein Jedermann von Thomas Perle, Regie David Paška. Ich war sehr aufgeregt, weil ich in den letzten fast zehn Jahren nicht mehr täglich Deutsch gesprochen habe, weniger Deutsch gelesen oder geschrieben habe. Die größte Herausforderung war damals, den Text auswendig zu lernen, weil meine Gedankenlogik sehr eng an die Rumänische Sprache verbunden war. Aber nach ein paar Tagen in denen ich auf Deutsch geprobt habe und mich auf Deutsch mit den Kollegen unterhalten habe, ist alles einfacher geworden. Übung macht den Meister!
Welches waren deine bisherigen Erfahrungen mit Film?
Bis jetzt sind die meisten Filmproduktionen, in denen ich mitgewirkt habe, Studentenproduktionen gewesen. Letztes Jahr habe ich die Figur Ileana Baston in dem Kurzfilm Maria Tanase in der Regie von Maria Dragoi dargestellt. Diese wertvolle Erfahrung hat mein Liebesgefühl gegenüber dem Filmemachen verstärkt. In den nächsten Monaten werde ich an zwei Filmproduktionen arbeiten: eine TV-Serie und ein Film, ich bin gespannt!
In welchen Theaterproduktionen kann man dich in dieser Spielzeit sehen?
Beim Toma Caragiu-Theater in Ploiesti trete ich auf in Was Ihr Wollt von W. Shakespeare, Regie Cristi Juncu, O noapte furtunoasa von I.L. Caragiale, Regie Sânziana Stoican, Hexenjagd von A. Miller, Regie Vlad Cristache, Piatra din Casa von V. Alecsandri, Regie Alexandru Dabija, Die Heirat von N. Gogol, Regie Alexandru Mâzgareanu, Der Geizige von J.B.P. Moliere, Regie Cristi Juncu, Viel Lärm in Chiozzia von C. Goldoni, Regie Vlad Trifas und Die Schwiegereltern aus Tirana von Michalis Reppas und Thanasis Papathanasiou, Regie Dragos Câmpan. Bei der deutschen Abteilung des Nationaltheaters “Radu Stanca”in Hermannstadt trete ich auf in Ein Jedermann von Thomas Perle nach Hugo von Hofmannsthal, Regie David Paška und Hin und Her von Ödön von Horvath, Regie Alexander Riemenschneider. Beim Nationaltheater “I.L. Caragiale” aus Bukarest sieht man mich in On the Roof, Regie Gigi Caciuleanu.
Kommen wir auf die Jahre zurück, die du in Kronstadt verbracht hast. Welches sind deine schönsten Erinnerungen aus der Schulzeit?
Ach, die schönsten Erinnerungen! Es ist schwierig, irgendetwas besonderes auszuwählen, weil ich die Schulzeit und eigentlich mein ganzes Leben in Kronstadt sehr viel geliebt habe. Ich erinnere mich gern an meine Klasse, die sehr lieb und nett war mit 24 Mädchen und 5 Jungen. In der 12. Klasse haben wir Pfannkuchenfreitag organisiert, wo wir in einer Ecke der Klasse eine Kuchenstation veranstaltet haben und der Reihe nach Kuchen in die Schule gebracht haben. Und es gibt viele andere wunderschöne Erinnerungen: das Organisieren des Bobockenballs oder des Faschings, das Schreiben von Theaterstücken oder von Liedern für die Lehrer, die wir zu Weihnachten oder bei Schulabschluss besucht haben, das Singen im C-Hof zum Abschluss des Lyzeums, das Lachen, das Weinen, die Umarmungen, die Träume, die Wünsche, die Hoffnung.
Besuchst du Kronstadt oft? Wie findest du, dass sich die Stadt in den letzten Jahren verändert hat?
Ich besuche Kronstadt nicht so oft wie ich es mir wünschte und meistens ist das ein kurzer Ausflug, damit ich Zeit mit meinen Eltern und meiner jüngeren Schwester verbringe, oder mit der ganzen Familie, falls meine älteren Geschwister gleichzeitig zu Hause kommen. Die Zeit reicht mir also gewöhnlich nicht, um auch die Stadt weiter zu entdecken und zu erleben. Aber ich liebe lange Spaziergänge und jetzt, da ich erwachsen bin, habe ich ein verschiedenes Bild von der Stadt, ich bin erstaunt von ihrer zeitlosen Schönheit, die ich als Kind oder Jugendliche nicht wirklich wahrgenommen und geschätzt habe. Ich finde, dass die Stadt richtig europäisch aussieht, respektvoll gegenüber ihrer Geschichte, gepflegt in der Gegenwart und hoffnungsvoll für die Zukunft. Den Stolz, Kronstadt als Heimat zu haben wird mir niemand wegnehmen können.
Was fehlt, deiner Meinung nach, dem kulturellen Leben aus Kronstadt?
Weil ich mich in den letzten Jahren nicht aktiv am kulturellen Leben Kronstadts beteiligt habe, ist es schwierig zu sagen was genau fehlt. Aber leider muss ich zugeben, dass Kronstadt in kultureller Hinsicht nicht einen so guten Ruf hat. Natürlich, am liebsten hätte ich eine reiche Theaterlandschaft in Kronstadt, wo viele Veranstaltungen produziert und organisiert sind und wo auch die Kronstädter aktiv mitgemachen, nicht nur durch die Anwesenheit, sondern auch durch den Dialog mit den Künstlern. Auch die Filmindustrie würde ich gern in Kronstadt entstehen und wachsen sehen, mit mehreren Kinos und Filmfestivals. Eine schöne kulturelle Initiative kommt von Dragos Dimitriu, der aktuelle Leiter der Kronstädter Philharmonie, auch ein Honterianer, der das Tam-Tam Festival organisiert, wo viele Orte Kronstadts zum Leben gebracht werden durch Musik, Tanz und Theater. Kronstadt bleibt meine Lieblingsstadt und es würde mich freuen, hier eine blühende kulturelle Landschaft zu erleben.
Die Schauspielerin Theodora Sandu. Foto: Catalin Asanache
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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