Die Elektrifizierung Heldsdorfs
19.11.09
Das Elektrizitätswerk – Eine technische Meisterleistung (III)
Sie hatte einen hydraulischen Drehzahlregler, wodurch die Spannung konstant gehalten werden konnte und die Maschinisten-Turbinenwärter enorm entlastet wurden. Da nun genügend Reserve an Kraft war, konnte auch eine Kunstmühle angeschafft werden. Nach vor dem Umbau dieser Weizenmühle wurde die Dampfmaschine gegen einen 100 PS Zweizylinder Dieselmotor eingetauscht. Für diesen Motor wurde ein neues Maschinenhaus gebaut. Dieses wurde mit einem Stock versehen und anschließend auch der Turbinenraum aufgestockt, um Lagerraum für die Mühle zu schaffen. Ab nun an war die Mühle der Hauptzweig der AG und diese das größte Unternehmen Heldsdorfs, das den Lebensraum von fast 50 Heldsdörfern samt ihren Familien bot.
Das Unternehmen erstarkte wirtschaftlich immer mehr, der Umsatz stieg. Einen Rückschlag gab es noch während der Weltwirtschaftskrise, von der sich die AG und Heldsdorf selbst, überraschend schnell erholte.
Die Mühle betreffend muss noch ein Ereignis erwähnt werden. In der Nacht zum 12. August 1942 brach ein Brand in der Kunstmühle aus, der die ganze Mühle samt Maschinen zerstörte. Ein Ventilator hatte am Blechgehäuse des Saugfilters gerieben und die dabei entstandenen Funken hatten den leicht brennbaren Mehlstaub in Brand gesetzt. Durch den prompten Einsatz der Heldsdörfer und Kronstädter Feuerwehr konnte das Elektrizitätswerk ohne Beschädigung gerettet werden.
Der Verwaltungsrat beschloss den Wiederaufbau der Mühle. Gleich nach den Aufräumungsarbeiten wurde mit dem Neubau begonnen. Mit dem Neubau wurde auch der Turm der Mühle (Hochlager) errichtet, der zu einem Wahrzeichen Heldsdorfs, sichtbar von allen Bergen die das Burzenland umschließen. In diesem Turm wurde auch der erste und einzige Aufzug (Lasten) Heldsdorfs in Betrieb genommen.
Durch die Einführung der Elektrizität in Heldsdorf, nahm das Gewerbe und Handwerk einen noch nie da gewesenen Aufschwung. Die meisten Betriebe stellten auf Maschinenarbeit mit elektrischem Antrieb um. Da die Gleichstrommotoren samt Anlassvorrichtung teuer waren, wurden gewöhnlich über eine Hauptantriebsachse mehrere Maschinen mit einem Motor angetrieben. Die Turbine selbst konnte neben dem Dynamo auch die Hauptantriebswelle der Mühle direkt bewegen.
Nach der Anschaffung des Dieselmotors begann die beste Zeit des Elektrizitätswerkes. Bei Spitzenverbrauch konnte nun schnell gestartet werden und es stand auch ständig eine einsatzfähige Reserve zur Verfügung. Die Turbine konnte nun gewartet werden, ohne dass die Stromerzeugung unterbrochen wurde. Ein- bis zweimal jährlich musste der Oberkanal vom mitgespülten Schotter befreit werden. Dieses geschah, indem der Neugraben ab Wolkendorf in die Burzen abgeleitet wurde. Das Restwasser floss durch die geöffnete Schleuse ab und in dieser Zeit wurde mit dem Diesel Strom erzeugt. Sowohl Turbine als auch Diesel waren immer in tadellosem technischem Zustand. An die Stromschwankungen war man inzwischen gewöhnt. Wenn der Holzsäger in der Nachbarschaft war und das Licht mit dem Schrillen des Sägeblattes schwankte, störte das niemanden mehr. Es gab auch eine Besonderheit was die damalige Technik erlaubte. Bei Jahreswechsel wurde mit dem auslaufenden Jahr auch das Licht immer schwächer, um dann mit dem Beginn des neuen Jahres wieder schön langsam heller zu werden. In den dreißiger Jahren tauchten die ersten Traktoren in Heldsdorf auf. Diese wurden nicht nur am Feld eingesetzt, sondern es wurden auch verschiedene Maschinen angetrieben, sogar Dreschmaschinen. In gewissem Sinne boten sie eine Konkurrenz dem E-Werk, denn wären sie nicht gewesen, hätte ein Elektromotor diese Maschinen antreiben müssen. In den Haushalten wurde der Strom fast ausschließlich zur Beleuchtung benutzt. Die Lichtansprüche waren damals weit entfernt von den heutigen. Glühbirnen von 5 oder 10 Watt waren die Regel, 25 Watt schon fast die Ausnahme. Außer dem elektrischen Bügeleisen gab es kaum elektrische Haushaltsgeräte. Demnach wurde das E-Werk von den Haushalten auch nicht überfordert. Die ersten Radios tauchten Mitte der dreißiger Jahre in Heldsdorf auf. Diese Röhrenempfänger waren gewöhnlich universal, das heißt sowohl für Gleich- als auch für Wechselstrom. Vor dem 2. Weltkrieg gab es sogar schon einige elektrische Wasserpumpen.
Die AG hatte schon in Friedenszeiten vorgesorgt. Das Unternehmen (E-Werk + Mühle) wurde in der sogenannten Mobilisierung des Territoriums erfasst, das heißt 50 Prozent der Belegschaft waren mobilisierungsfrei. Unter diesen Bedingungen überstand das E-Werk den Krieg, ohne auch nur einen Tag Unterbrechung. Auch nach Kriegsende ging es weiter, man könnte sagen unbeeindruckt von den radikalen Ereignissen, die um es herum geschahen. Das neue Regime hatte bald die politische Macht erlangt, das es auch nach der wirtschaftlichen strebte, war wohl jedem klar. Im Zuge der Verstaatlichung der wichtigsten Produktionsmittel, wurde auch die HEWAG entschädigungslos enteignet. Das E-Werk samt Anlagen wurde vom Kronstädter Regionalen Elektrizitätsunternehmen übernommen und von dessen AußensteIle, Zuckerfabrik Brenndorf, verwaltet. Die Mühle wurde zunächst von einem Unternehmen der Lokalindustrie übernommen und verwaltet. Damit war das Schicksal der AG besiegelt. Rechtsmäßig (de jure) existiert die AG auch heute noch! Laut Satzungen, konnte sie nur auf Beschluss der Aktionäre aufgelöst werden. Eine Vollversammlung der Aktionäre, zwecks dieses Beschlusses, hat nie stattgefunden. Auch aus dem Handelsregister Kronstadt wurde sie nie gelöscht aber das ganze Register verschwand! In Wirklichkeit (de facto) existiert sie nicht mehr, da sie entschädigungslos enteignet wurde. Die Anlagen des E-Werkes sollten aber noch fast 10 Jahre ihren Dienst tun.
Damit ging eines der ruhmreichsten Kapitel der Geschichte Heldsdorfs zu Ende. Als in Heldsdorf schon elektrisches Licht brannte, träumte man in vielen heutigen Metropolen nicht einmal davon. Auf dieses können wir als Nachkommen auch heute noch stolz sein!
Karl-Heinz Brenndörfer
(Schluss)
Foto: Das Elektrizitätswerk steht für ein ruhmreiches Kapitel Heldsdorfer Geschichte.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
31.05.24
Interview mit Bernhard Heigl, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt
[mehr...]
31.05.24
Das Andreanum - 800 Jahre Recht und Verfassung der Siebenbürger Sachsen (II)/ Von Dr.Harald Roth, Deutsches Kulturforum östliches Europa
[mehr...]
24.05.24
Das Andreanum - 800 Jahre Recht und Verfassung der Siebenbürger Sachsen (I)/ Von Dr.Harald Roth, Deutsches Kulturforum östliches Europa
[mehr...]