Die Schlacht von Schäßburg – Weißkirch (II)
07.11.19
Siebenbürgscher Bürgerkrieg mit unvergeßlichem. blutigem Sommer 1849
Nach anfangs verlorenen Schlachten bei Kronstadt und Bistritz hatte sich Bem mit dem ungarischen Aufgebot ins Szeklergebiet zurückgezogen, um hier neue Streitkräfte zu sammeln, da die Szekler sich als Magyaren bekannten. Das zu Hilfe gerufene russische Heer unter General von Lüders rückte aus der Walachei in Siebenbürgen ein und gelangte bis nach Schäßburg, um von hier Bem in seinem szeklerischen Rückzugsgebiet anzugreifen. Die 200 Mann starke ungarische Besatzung von Schäßburg verließ in der Nacht vom 29. Juli fluchtartig die Stadt. Bereits 8 Uhr am darauffolgenden Morgen erschien ein Kosakenvortrupp in der Kokelstadt, dem dann ununterbrochen bis 12 Uhr das Groß des russischen Heeres folgte und östlich der Stadt, entlang der Weißkircher Straße, sein Lager aufschlug. Ein anderer Teil des russischen Heeres lagerte westlich der Stadt bei der Wenchbrücke und etwa zwei Bataillons an der Rohraubrücke. Gegen 11 Uhr kam General Lüders mit dem Generalstab an und quartierte sich in Schäßburg ein.
Lüders wollte bis 1. August in Schäßburg warten, um gemeinsam mit General Dick, der von Kronstadt über Reps mit einem anderen Teil des russischen Heeres vorstieß, ins Szeklerland einzudringen.
Die russischen Offiziere nutzen ihren Aufenthalt in Schäßburg zu feucht-fröhlicher Unterhaltung mit Damen am Abend des 30. Juli. Während sie noch müde mit dem nächtlichen „Kater“ schliefen, wurden sie am Morgen des 31. Juli aus den Federn gezerrt, da mittlerweile Bem mit einem Heer vor Weißkirch aufgekreuzt war. Obwohl Bems Aufgebot zahlenmäßig dem Heer Lüders unterlegen war, hatte er sich entschlossen, einen Überraschungsangriff zu wagen, um der Vereinigung der beiden russischen Heere von Lüders und Dick zuvorzukommen. Die Angaben über das Kräfteverhältnis der sich gegenüberstehenden Heere weichen voneinander ab, allgemein geht man aber davon aus, dass die Russen über mehr als dreimal so viele Soldaten als die Ungarn verfügten. Bem soll über 4.000 Mann Fußvolk und 12 Kanonen verfügt haben, dagegen Lüders über 12.000 bis 15.000 Mann (darunter 3.000 Reiter) und schweres und leichtes Geschütz.
Bems Aufgebot ging westlich von Weißkirch in Stellung, angefangen vom linken Kokelufer bis zu dem südlich bewaldeten Bergabhang. In der Ebene zwischen Weißkirch und Schäßburg, von ungefähr 2 km Breite und 4 km Länge, sollte sich noch am selben Tag die Schlacht entscheiden. Bem bezog seinen Befehlsstand auf der Weißkircher Südanhöhe, die die Bezeichnung "La mânastire" trug,, wo sich ein Kloster befunden und damals ein Fasanwildgarten befand. Seine 12 Kanonen stellte er unterhalb der Anhöhe auf, um ihr Feuer direkt lenken zu können. Ein Szeklerbatallion postierte er rechts von der Straße in Richtung Schäßburg, zwei Honvedbataillione wurden hinter die Geschütze, mit ihrem linken Flügel an den Fasangarten gelehnt, postiert. Ein halbes Eskadron Honvedkavallerie blieb in Weißkirch als mobile Einsatztruppe, während ein starkes Bataillon als Umgehungskolonne am linken Kokelufer Stellung bezog mit dem Ziel, in die russische Flanke vorrückend dem Feind von hinten in den Rücken zu fallen. Bem gab sich Rechenschaft, dass bei der zahlenmäßigen Überlegenheit der Russen nur ein Überrumpelunsangriff eine Siegeschance bot.
Sobald die Nachricht von Bems Aufmarsch nach Schäßburg gelangte, rüsteten sich die Russen zur Schlacht. Sie bezogen folgende Schlachtordnung: Die "Jäger" wurden in die sogenannte "Attilaschlucht" dirigiert, die Ulanen zu beiden Seiten der Weißkircher Straße, die Kosaken entlang der Kokel. Das leichte Geschütz wurde auf der Anhöhe am Waldrand, oberhalb der heutigen "Nicovala"-Fabrik, wo das Skariatin-Denkmal steht, geführt, die schweren Zwölf-Pfünder an der Hattertbrücke in Stellung gebracht. Auf dem Galgenberg, der einen weiten Ausblick in das Kokeltal gewährte, stand der russische Stab mit Lüders. Der russische General hatte auch Stadtpfarrer Michael Schuller eingeladen, mit ihm die Schlacht zu verfolgen.
Die Ungarn eröffneten am Vormittag des 31. Juli die Schlacht mit Kanonenfeuer, worauf die Russen natürlich antworteten. Gleichzeitig rückten ungarische Angreifer von ihrem linken Flügel vor und hatten bald die waldige Anhöhe erreicht, von wo die russischen Kanoniere feuerten. Bem wollte nämlich diese Geschütze, die viel Schaden anrichteten, außer Gefecht setzen. Es wäre ihnen fast gelungen, im letzten Augenblick konnten sie aber von Russen zurückgeschlagen werden. Von ihrem rechten Flügel an der Kokel hatten die Ungarn desgleichen versucht, die Kokel zu überschreiten, um, nach Westen vorstoßend, die Russen von hinten anzugreifen. Der Vorstoß misslang. In der Mitte, wo die Soldaten in den Maisfeldern Deckung fanden, wurde die Schlacht bis am Nachmittag bloß mit Kanonen geführt. Lüders zögerte mit einem Angriff, da er einen Überfall von hinten aus der Richtung Neumarkt erwartete. Es schien ihm unglaublich, dass ihn Bem mit einem so kleinen Aufgebot, wie jenes von Weißkirch, angegriffen sich getraut hatte. Er sandte daher Patrouillen aus, um sich gegenüber einer Einkreisung abzusichern. Erst als diese meldeten, dass weder aus Neumarkt noch aus Trappold oder Wolkendorf ein ungarischer Überfall drohe, eröffneten die Russen die allgemeine Offensive und entschieden innerhalb weniger Stunden den Ausgang der Schlacht.
Mittlerweile war es Spätnachmittag geworden. Ein Schäßburger Ortskundiger soll zu diesem Zeitpunkt die russischen Jäger unter Umgehung der Ungarn bis östlich von Weißkirch geführt haben. Ein Teil der Kosaken soll ebenfalls in einem weiten Bogen über Bun östlich von Weißkirch gelangt sein, während die übrige Kavallerie und Infanterie direkt auf Weißkirch vorrückte. Auf ein Raketenzeichen begann der Angriff von allen Seiten mit einem furchtbaren Gemetzel unter den Ungarn. Für die eingekreisten ungarischen Streitkräfte wurde der Ring immer enger. Die Ungarn verteidigten sich zwar mutig, gegenüber der russischen Übermacht mussten sie aber weichen. Bem versuchte die versprengten Mannen in Weißkirch noch einmal zu einer Schlachtordnung zu gruppieren und durch die Husarenreserve zu verstärken. Auch dieser Widerstand brach zusammen, wer dem Gemetzel entkam, versuchte sich durch Flucht aus dem Kessel in Richtung Keresztur zu retten, wobei ihnen die Russen folgten und alles niedermachten, was vor ihre Gewehre oder Schwerter kam. Viele Ungarn sollen sich in den Hallerischen Haferfeldern verborgen haben, von Russen mit Hunden jedoch aufgespürt und niedergeschossen worden sein. Bem selbst geriet während der Flucht in einen Sumpf, aus dem ihn vorbeireitende Husaren retteten.
Die Schlacht endete am Nachmittag mit einem Desaster für das ungarische Heer. Die Verluste der Bemschen Truppe waren sehr hoch. Wie viele gefallen sind, lässt sich nicht genau ermitteln. Die Zahlenangaben schwanken zwischen 1300 und 2000. Nach einem Bericht sollen am Tag nach der Schlacht in Weißkirch 1003 Mann verscharrt worden sein, und am zweiten und dritten Tag mehrere Hundert entlang der Straße Weißkirch - Teufelsdorf - Ujszekely. Allein an der Teufelsdorfer Hattertbrücke sollen 50 Tote gelegen haben. In den folgenden Wochen fand man immer wieder Leichen auf dem Feld und im Wald. Sogar nach einem Jahr wurde ein toter Szekler in voller Rüstung im Wald entdeckt. In dieser Schlacht verloren die Ungarn auch ihren großen Dichter Sándor Petöfi. Er hatte sich freiwillig, als patriotischer Freiheitskämpfer dem ungarischen Heer angeschlossen. Etwa 500 Mann gerieten in russische Gefangenschaft, während etwa 250 Verwundete ebenfalls gefangen genommen wurden. Unter den gefallenen Adjutanten Bems befand sich auch der deutsche Publizist Anton Kurz. Er hatte sich in Kronstadt Bems Heer angeschlossen und nun auf dem Weißkircher Schlachtfeld den Tod gefunden.
Die Verluste der Russen waren gering. Sie sollen bloß 80 Tote und rund 100 Verwundete ausgemacht haben. Bloß die Hälfte ihrer Mannschaft war eingesetzt worden. Zu den russischen Gefallenen gehörte Oberst Skariatin. Er war am Vormittag mit einer Kutsche ausgefahren, um das leichte Geschütz am Waldrand östlich von Schäßburg zu inspizieren. Plötzlich streifte ganz nahe an ihm ein Geschoß vorbei, dessen Luftdruck ihn so erschütterte, dass er bald danach starb. Er wurde neben der orthodoxen rumänischen Kirche im Cornesti-Viertel von Schäßburg beerdigt, von wo seine Gebeine nach Russland überführt wurden. An der Stelle, wo das Geschoß ihn tödlich verwundet hatte, wurde 1852 das nach ihm benannte Skariatin-Denkmal errichtet, wo es auch heute noch steht.
Zahlreiche Schäßburgern haben mit der größten Spannung die Schlacht von verschiedenen Ausblickpunkten, ja sogar in den Reihen der kämpfenden Russen, verfolgt. Der Ausgang dieser Schlacht besiegelte auch das Ende der ungarischen Revolution in Siebenbürgen. Bem konnte kein schlagkräftiges Heer mehr aufstellen. Nachdem die letzte Armee Ungarns am 13. August 1849 bei Siria neben Arad die Waffen streckte, flüchtete Bem am 19. August in die Türkei, wo er 1851 verstorben ist.
Rätsel um Petöfis Tod und Grab
Das Rätsel um den Tod und das Grab des ungarischen Dichters und Freiheitskämpfers Sándor Petöfi beschäftigte bis in unsere Tage die ungarische Forschung. Gesichert ist bloß, dass er während der Schlacht bei Schäßburg - Weißkirch zum letzten Mal gesehen worden ist. Da sein Leichnam nicht identifiziert wurde, gab das Anlass zu verschiedenen Legenden und Vermutungen. Die Magyaren wollten es lange nicht wahrhaben, dass ihr so beliebter Poet gefallen war. Er konnte ja, so sagte man sich, in russische Gefangenschaft geraten sein und nach Kriegsende heimkehren. Man erwartete jeden Tag sein Erscheinen. Es fanden sich tatsächlich Personen, die die Mär verbreiteten, Petöfi begegnet zu sein, andere gaben sich als den Dichter aus. So tauchte 1850 auf dem Gute von Petöfis Schwiegervater ein Mann auf, der auffallende Ähnlichkeit mit dem Vermissten hatte. Solche Pseudo-Petöfis tauchten gelegentlich auch später auf. Andere wiederum wollten in Russland ein Grab mit der Inschrift von Petöfis Namen gesehen haben, was die Version von seiner Gefangennahme gestützt hätte.
Über die Stelle, wo er in Weißkirch gefallen und beerdigt wurde, gibt es verschiedene Versionen, die sich zum Teil gegenseitig ausschließen. Ein gewisser Ludwig Gyalokay erzählte, Petöfi habe den letzten Abend vor der Schlacht in Keresztur bei seinem Freund Sigismund Varga verbracht und auf die Bitte von dessen Tochter aus einem seiner Gedichte die Verse "Nur ein Gedanke macht mir Kummer, im Bette, inmitten von Polstern zu sterben" vorgelesen. habe Diese Sorge war unbegründet. Petöfi soll mit Gyalokay nach Weißkirch gefahren sein. Während Bems Heer gesprengt wurde, will Gyalokay Petöfi gesehen und aufgefordert haben, mit seinem Wagen die Flucht zu ergreifen. Petöfi soll entgegnet haben, es sei aussichtslos und hinter einem Damm verschwunden sein. Gyalokay hat ihn danach nicht mehr gesehen.
Der Honvedhauptmann Sigismund Barthos berichtete, er habe, während er verwundet in einem Graben bei Weißkirch lag, gesehen, wie Petöfi einer fliehenden Truppe nachgelaufen und geschrien habe: „Kommt nicht aus der Ordnung, sonst sind wir alle verloren“. Kaum habe er das ausgesprochen, seien Russen aus dem Maisfeld herausgestürmt und hätten alle niedergehauen, darunter auch Petöfi. Später will dann Barthos gesehen haben, wie ein Russe aus den Taschen Petöfis Banknoten herausgenommen hat.
Fortsetzung folgt
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