Leben zwischen vier Wänden
26.03.20
Wie man die Isolation übersteht
Die Corona-Krise hat das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt. Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus wurden verschärft, die Bewegungsfreiheit wurde eingeschränkt, Restaurants, Cafes, Sporthallen, Theater, Kinos und Konzertsäle bleiben bis zu einem ungewissen Zeitpunkt geschlossen. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Jetzt sind virtuelle Museumsbesuche möglich, es werden Konzerte per Twitter geboten, Theatervorstellungen werden auf Facebook gestreamt und Yoga-Stunden auf Youtube aufgeladen. Überall wird gelesen, gestreamt, gepodcastet. Viele von uns arbeiten von zu Hause und viele von uns denken, dass sie jetzt mehr Zeit für ihre geplanten Projekte haben. Doch manchmal irrt man sich- denn in diesen Zeiten der Ungewissheit funktioniert man nicht normal, sondern unter einem bisher unbekannten Streß. Viele von uns versuchen, in den Wohnungen und Häusern die Zeit sinnvoll zu verbringen. Doch wegen Angst, Panik und Ungewissheit ist es nicht immer leicht. Die Zeit der Isolierung kann zur Wiederfindung dienen, man hat jetzt die Chance, sich seinen Leidenschaften zu widmen und mehr Zeit mit der Familie zu verbringen- doch das ist unter den gegebenen Bedingungen sehr schwer. Es gibt viele Leute, die früher ein aktives Leben geführt haben und jetzt zu Hause bleiben müssen. Diese plötzliche Umstellung ist eine Herausforderung, die nicht viele meistern können. Trotzdem sollte man optimistisch bleiben.
Kultur in Zeiten von Corona
Alle Spielstätten sind wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Aber manche Theater spielen dennoch. Und übertragen live ins Netz. Darunter das unabhängige Bukarester Theater unteatru. Jeden Abend um 19 Uhr gibt es ein Live-Streaming einer Vorstellung, das Programm kann unter www.unteatru.ro abgerufen werden. Die Karten zu den virtuellen Vorstellungen kann man im Internet kaufen. Mit der Karte erhält man einen Geheimcode, den man eintippen muss, um die Vorstellung sehen zu können. Unteatru ist bisher das einzige Theater, das Karten verkauft. Und das ist eine gute Idee. Viele Kunst- und Kulturschaffende verdienen durch das Coronavirus momentan weniger oder gar nichts.Mit jeder gekauften Karte unterstützt man die freien Künstler, die ihre Miete zahlen müssen, obwohl sie nichts verdienen.
Andere Theater haben sich entschlossen, die Videoaufnahmen einiger seiner Aufführungen für eine bestimmte Zeit kostenlos ins Netz zu stellen (meistens auf Youtube). Es ist eine Chance, Aufführungen aus anderen Städten oder Ländern zu sehen. Die Berliner Schaubühne zum Beispiel verlegte ihren Spielbetrieb auf die virtuelle Bühne. Auf der Webseite des Theaters steht täglich von 19:30 Uhr bis 1.00 Uhr (rumänische Zeit) kostenfrei ein Online-Ersatzspielplan mit täglich wechselndem Programm bereit. Zu sehen sindFernsehaufzeichnungen von Schaubühnen-Inszenierungen aus verschiedenen Jahrzehnten.
Aber auch die meisten Theater aus Rumänien (Klausenburg, Hermannstadt, Bukarest, Iassy, Sanktgeorgen, Neumarkt ua.) stellen manche ihrer Vorstellungen für Kinder und Erwachsene auf die eigenen Youtube-Kanäle. Die Spielpläne sind im Internet erhältlich. Natürlich ist es ideal, eine Theatervorstellung im Theatersaal zu besuchen und nicht eine gefilmte Vorstellung sehen, aber in diesen Zeiten kann man sich auf solche Initiativen nur freuen. Ebenfalls bietet sich die Möglichkeit, einige der größten Museen der Welt, wie beistpielweise das Louvre, virtuell zu besuchen. Dasselbe gilt für große Opernhäuser und berühmte Konzertsäle.
Auch viele Filmfestivals haben in der letzten Woche reagiert. Das IDFA- Amsterdam International Film Festival- stellt Dokumentationen kostenfrei zur Verfügung stellt. Unter www.wdl.org hat UNESCO seine Weltbibliothek für jede Leseratte freigestellt. Universitäten wie Harvard, Princeton, Columbia, Yale bieten 450 Online-Kurse in Bereichen wie Philosophie, Geschichte, Kultur, oder Programmierung, Data Science oder Unternehmertum. Die Links dazu sind heir zu finden bit.ly/3dkB41c.
Auch in Kronstadt gab es nette Initiativen. Die Musiker der Kronstädter Oper haben gemeinsam, jeder von zu Hause aus, den Chor der Gefangenen aus Giuseppe Verdis Oper Nabucco gesungen. In einer Videoaufnahme auf Youtube sind alle Sänger auf dem Bildschirm zu sehen, eine davon sogar mit dem Baby im Arm. Eins ist klar- die Kulturbranche reagiert weltweit auf den derzeitigen Aufführungsverbot. Auf Kultur muss man nicht verzichten.
Die physische Distanz wirkt in solchen Momenten sehr schmerzhaft. Das wurde auch am Sonntag deutlich, als der Gottesdienst der Honterusgemeinde virtuell ausgestrahlt wurde. Das "Vaterunser"-Gebet alleine, vor dem Computer zu sagen, ohne die Gemeinde, ist eine Erfahrung die wohl niemand genießt, über die man aber den Gemeinschaftssinn in solchen Zeiten aufrecht erhalten kann.
Solidarität und Hilfe
Solidarität ist in diese Tagen besonders gefragt. Zahlreiche Kronstädter haben prompt eine spontan gegründete Initiative der Vereine "Zi de bine" und "Fundatia Comunitara Brasov" unterstützt und für die Ausrüstung des Krankenhauses für ansteckende Krankheiten mit Tester für Covid-19, Sicherheitsequipment für das medizinische Fachpersonal, Desinfektionsmittel, antivirale Filter, Belüftungsapparatur, Sauerstoffmasken für Kinder und Erwachsene Geld gespendet. Von den Spenden konnten schon vier Container für die Notaufnahme angeschafft werden.
Politiker und öffentliche Persönlichkeiten, aber auch einfache Bürger laden Videos ins Netz, in denen sie erklären, wie man richtig Hände wäscht, warum man im Haus bleiben muss in dieser Zeitspanne, oder dass man sich bezüglich des Coronavirus nur aus offiziellen Quellen informieren sollen.
Tipps für Familien mit Kindern
Die Maßnahmen die auch Rumänien zur Eindämmung und Bekämpfung der Verbreitung des Coronavirus genommen hat, bleibt auch vielen Eltern nichts übrig als mit ihren Kindern zuhause Zeit zu verbringen. Es ist kein Urlaub, das wird immer wieder betont, aber es kann eine Zeit sein, in der man sich mit der Familie, mit den Kindern (wieder)verbindet, in der man endlich wieder miteinander spielen, backen, basteln, Filme anschauen kann, in der man sich in die Augen schaut und ausspricht. Es ist eine Zeit in der man nicht in Eile ist. Alle Termine außerhalb des Hauses sind abgesagt, das Sozialleben wurde plötzlich abgestellt, sodass man auf sich selbst und seine Familie gestellt ist. Kreativität, Geduld und Ausdauer sind gefragt. Gesegnet fühlen sich wohl Familien, die ein Haus mit Hof oder Garten besitzen. Frühjahrsputz, Pflanzen, in der Sandgrube spielen, oder in der Erde buddeln, das alles bereitet Spaß und kann die Energie der Kleinen gut kanalisieren. Jene die in Wohnungen leben haben unzählige virtuelle Möglichkeiten sich für gemeinsame Aktivitäten zu inspirieren. Kinder brauchen Tätigkeiten, ein abwechslungsreiches Programm, viel Bewegung. In dieser Zeitspanne sind Eltern besonders gefragt. Kindergärten und Schulen sind geschlossen, Vergnügungsparks, oder auch die Parks vor dem Wohnblock sollen vermieden werden, Spielvor- oder Nachmittage mit Freunden kommen auch nicht mehr in Frage. Die Zeichentrickfilme, die machen Eltern doch vermeiden, zeigen sich als große Hilfe.
Schulkinder können im Internet viele interessante Sachen entdecken, von Maltechniken über 5-Minuten-Tanzkurse, Origami bis zu den interessantesten Informationen und Bildern zum Thema Weltraum, auf www.nasa.gov.
Außerdem kann man sich gemeinsam freuen 15 Tiergärten der Welt virtuell zu besuchen, oder Aufnahmen von Kinder-Geschichten zu hören (Radio Theater auf Gokid.ro). Lesen, Basteln, Malen, Experimenten durchführen, Singen, Tanzen, Theaterstücke erfinden, Geschichten erzählen, mit Legos oder Bauklötzen spielen - diese Freuden stehen sowieso hoch oben auf der Liste der Tätigkeiten während der Quarantäne.
Für Eltern mit Kleinkindern, die von zu Hause arbeiten kann es ganz schön anstrengend werden ihrer Tätigkeiten nachzukommen. Die Konzentration wird immer wieder unterbrochen, die Kinder brauchen ständig etwas. Neue Methoden und Strategien zu arbeiten, während die Kleinen schlafen, können wirken.
Online-Unterricht
Auch der Unterricht wurde ins Online versetzt. Die Lehrer und Professoren nehmen sich beim Unterrichten auf und schicken das Video, zusammen mit zusätzlichen Videos aus dem Netz an die Schüler, geben ihnen an, wo sie in ihren Schulbüchern nach Informationen nachschlagen können und welche Hausaufgaben sie zu erledigen haben. Die Kenntnisse der Schüler werden ebenfalls online, durch Video- oder Tonaufnahmen geprüft. Auch Kindergartenkinder erhalten gescannte oder von den Erzieherinnen gelesenen Büchern, oder Videos mit Spielen die den Eltern helfen können.
Unter "www.planet-wissen.de" beispielsweise sind zahlreiche interessante Sendungen und Hintergrundinfos zu verschiedenen Unterrichtsfächern wie Chemie, Physik, Biologie, Mathematik, Religion, Philosophie, Geschichte, Politik, Pädagogik, Ethik, Musik, Medienerziehung oder Wirtschaft konstenfrei zu finden. Ein zweiminütiges Video der Stadt Wien macht sogar den ganz Kleinen klar, warum
sie, so plötzlich nicht mehr in den Kindergarten gehen, sich nicht mehr mit ihren Kollegen und Freunden treffen dürfen, oder die Spaziergänge und den Spaß auf dem Spielplatz für später verschieben müssen.
In dieser Zeit sollte man trotzdem versuchen, auch ein paar Stunden ohne Internet zu verbringen. Doch Social Media ist wichtig. Hier teilen Menschen Meinungen, Links zu Seiten wo Filme, Bücher zu finden sind, laden andere ein Museen virtuell zu besuchen, sie teilen sogar Tipps um selbstgemachte Desinfektionsmittel herzustellen. Auch drücken manche ihre Ängste bezüglich der Corona-Krise aus, Rumänen aus dem Ausland schreiben wie sehr sie jetzt um ihre Liebsten im Land bangen, andere reihen Lebensmittel auf die man sich als Provision kaufen sollte.
Man kann leckeres Essen bestellen oder etwas außergewöhnliches kochen, Sport treiben, Theateraufführungen und gute Filme vom Sofa genießen, mit Freunden telefonieren, eine virtuelle Party organisieren, mehr Zeit mit der Familie verbringen, gute Bücher lesen und sogar auf dem Balkon singen.
Laura Capatana-Juller, Elise Wilk
Foto: Die Künstler der Kronstädter Oper singen von zu Hause.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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