Meinungen
30.07.20
Gescheiterte Lockerungsmaßnahmen
Wachsende Zahlen von Neuinfektionen, Intensivstationen die an ihre Grenzen gelangt sind, düstere Prognosen für die nächsten Wochen. Es ist nun schlimmer als während des Notzustandes, auch im Kreis Kronstadt der zu den Landeskreisen mit den höchsten Infektionsraten gehört. Trotzdem: die Aufrufe, Masken zu tragen, Menschenansammlungen zu meiden werden nur halbherzig befolgt.
Wir haben uns nicht an die Maske als Pflicht-Accesoire im Bus, im Geschäft oder am Arbeitsplatz gewöhnen können. Mindestens eineinhalb Meter Abstand voneinander zu halten ist nicht zum Reflex geworden. Es sind zwar minimale und einfache Schutzmaßnahmen; sie werden aber von zu vielen ignoriert und bleiben deshalb auch wirkungslos. Denn ein kollektives Verantwortungsbewusstsein scheint nur dann vorhanden zu sein, wenn die (Todes)Angst uns im Nacken sitzt, wenn der Notzustand herrscht. Wieso sind wir so unvernünftig gleichgültig geworden?
Mögliche Antworten – nicht Entschuldigungen – gibt es viele. Nicht nur die Ärzte sind müde geworden, sondern auch wir. Das Schlimmste haben wir ja überstanden, dachten wir. Jetzt ist es Sommer und leider sind unsere Urlaubspläne durcheinandergeraten. Niemand weiß, wie es weiter geht. Auch unter den Ärzten gibt es Meinungsverschiedenheiten und die besten Kommunikatoren sind sie leider nicht.
Die Pandemie wird politisiert. Kein Wunder, wir sind ja in einem Wahljahr. Offizielle Zahlen zu Neuinfektionen und Covid-19-Opfern werden in Frage gestellt. Verschwörungsgeschichten konkurrieren mit Falschnachrichten. Eine Kombination von Zynismus, Ignoranz und Bigotterie tut ihr Übriges. „Es sterben ja sowieso nur Alte und Kranke!“ „Ich traue nur dem lieben Gott und keinem Arzt!“ „Es gibt keine Krankheit ohne Krankheitszeichen“ (in Bezug auf asymptomatische Sars-CoV-2-Infizierte). Die Maske abzulehnen wird zu einer Geste des Widerstands stilisiert gegen jene die uns ja nur wieder „einsperren“ wollen, um an der Macht zu bleiben. Plötzlich werden Stimmen laut, die in jeder ärztlichen Maßnahme, von Krankenhauseinweisung bis Isolierung in der eigenen Wohnung, einen unzulässigen Eingriff in ihre persönliche Freiheit sehen.
Solche Einstellungen sind bei weitem keine rumänische Eigenheit. Ähnlich geht es in der gesamten Region zu, mit der sonderbaren und für viele unverständlichen ungarischen Ausnahme. Rumänien wird aber inzwischen zum Sorgenkind des Kontinents, droht zum „Brasilien Europas“ zu werden, wie das eine italienische Zeitung umschrieb. Das sichere Urlaubsland für das wir gerne werben wollten, wird europaweit gemieden und zunehmend vorbeugend isoliert.
Der wiederholte Appell an soziale Verantwortung, an Solidarität, an Mitgefühl für die Risikogruppen wird nicht ernst genommen. Die Lockerungsmaßnahmen sind missverstanden worden und sind deshalb gescheitert. Bevor erneut lokale Quarantäne angesagt ist um in letzter Minute einem Horrorszenario zu entgehen, bleiben Maske, Sicherheitsabstand und persönliche Hygiene die unabdingbare Voraussetzung für einen möglichst ruhigen Corona-Alltag. Die Post-Corona-Zeit wird wohl erst im nächsten Jahr in Sicht sein, wenn auch der langersehnte Impfstoff die Welt heilen soll.
Ralf Sudrigian
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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