Stadtpfarrer Dr. Konrad Möckel und der Schwarze-Kirche-Prozess – ein zweifaches Gedenken (I)
10.01.19
60 Jahre seit dem Schwarze-Kirche-Prozess. Effekte und Folgen
Am 22. Dezember 2018 sind 60 Jahre zu verzeichnen gewesen, seit das das nach Kronstadt delegierte Militärgericht aus Klausenburg in Abwesenheit der Opfer sein Urteil verkündete. Aus diesem Anlass bringen wir nachfolgend den leicht nachbearbeiteten Wortlaut des zweiten Vortrages, der am 27. Juni 2018 im Kapitelzimmer in Kronstadt anlässlich der Gedenkveranstaltung (Stadtpfarrer Dr. Konrad Möckel und der Schwarze-Kirche-Prozess. Ein zweifaches Gedenken) gehalten wurde. Der erste Vortrag der Gedenkveranstaltung von Altbischof D. Crhistoph Klein erschien in der KR vom 26. Juli und 4. August.
Gestern (26.06.2018), am Internationalen Tag der Unterstützung von Folteropfern der Vereinten Nationen, ist der XXIII. Kongress von Inter-Asso mit einem Empfang bei Staatspräsident Klaus Johannis im Cotroceni-Palast in Bukarest zu Ende gegangen. Inter-Asso ist der Dachverband der nationalen Vereine der ehemaligen politischen Häftlinge und Opfer des Kommunismus. Die Thematik des Kongresses ist aufs Engste mit dem verwoben, worum es im Falle des Schwarze-Kirche-Prozesses geht. Daher bin ich sehr dankbar, dass wir als Honterusgemeinde die Tätigkeit dieses in Deutschland angesiedelten Dachverbandes der osteuropäischen Vereine ehemaliger Häftlinge und Opfer des Kommunismus seit nunmehr neun Jahren und zwar als mittelbare Folge der Auseinandersetzung mit unserem eigenen politischen Gruppenprozess mit unterstützen. Vorgestern war der 60. Jahrestag der Verhaftung der Gruppe der rumänischen Jugendlichen, die es als Schüler unserer historischen rumänischen Schwesterschule, dem Saguna-Lyzeum, gewagt hatten, als Garde der rumänischen Jugend Gedanken des Widerstandes gegen den Stalinismus im Kontext des Ungarn-Aufstandes zu entwickeln. Die persönliche Bekanntschaft der Opfer beider Prozesse stand am Anfang der gegenseitigen Unterstützung auf dem weiten Feld der Aufarbeitung des kommunistischen Unrechtsregimes.
Der Opfer-Begriff hat viele Bedeutungsstufen, ja ihm liegt auch die Gefahr der Übertreibung inne. Besonders wichtig ist den ehemaligen politischen Häftlingen aber, dass ihr Leid einen Sinn hatte, es sollte mit Blick auf Gegenwart und Zukunft nicht vergeblich gewesen sein. Dass sie sich als Kilometer Null unserer demokratischen Werte verstehen, gewinnt gegenwärtig, wo unsere demokratischen Abwehrkräfte auf dem ganzen Kontinent einer ersten ernsten Prüfung unterzogen werden, einen ganz anderen Stellenwert, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war. Bange Fragen kommen auf, ist bei Zeiten mit ausreichender Entschlossenheit in die Unumkehrbarkeit des Transformationsprozesses, während welchem sich in den 1990er Jahren aus kommunistischen Diktaturen lupenreine Demokratien entwickeln sollten, investiert worden? Kann so ein Ansinnen gut gehen, wenn die alten Eliten nicht ausgetauscht werden, auf Deutsch mit der
Wendehalsnomenklatura vorneweg eine neue wertebasierte Gesellschaft entstehen soll? Der scharfe Blick, den die ehemaligen Häftlinge auf diese Fragen haben, kristallisiert sich in ihrer immer und immer wieder formulierten Forderung der europaweiten Verurteilung des Kommunismus, als einer Ideologie, die hunderttausende Opfer und damit wohl mehr als die rechtsextremistischen Ideologien zurückgelassen hat. Damit bezwecken sie keine Geschichtsrelativierung sondern die Aufnahme der kommunistischen Unterdrückungsthematik in den Unterricht sowie die feste Verankerung der Menschenrechte ebendaselbst, damit sich menschenverachtende Herrschaftsformen gleich welcher ideologischer Ausrichtung nie mehr etablieren mögen.
Das heutige zweifache Gedenken der Honterusgemeinde, ihrer Gäste, der Verurteilten und ihrer Angehörigen und Nachkommen hat als Idee seinen Beginn in der grenzüberschreitenden gemeinsamen Sorge um das Schicksal des handschriftlichen Nachlasses von Dr. Konrad Möckel (1892-1965). Als sich Ende 2017 die Überführung seines Nachlasses aus Würzburg ins Archiv der Honterusgemeinde in Kronstadt konkretisierte, kam der von Ernst Richard Boege (1899-1985) geschaffene Kopf von Dr. Konrad Möckel ins Spiel. Die Skulptur war im Kontext der Renovierung der Schwarzen Kirche gegen Ende der 1930er Jahre, als Boege den Großteil der Repliken am Chor der Kirche erschuf, entstanden und hatte die Zeit seither als Gipsarbeit überdauert. Auf Empfehlung von Mihai Buculei, der eben erst das Denkmal „Aripi“ (Flügel) als zentrales Denkmal für die Opfer des Kommunismus in Bukarest fertiggestellt hatte, wurde der Bildhauer Giulian Octav Dumitriu mit der Transponierung von Boeges Skulptur in Bronze beauftragt. In dankenswerter Weise finanziell gefördert v.a. von Prof. Dr. Andreas Möckel entstand die Gedenkanordnung, die der Skulptur eine Gravur nach dem Linolschnitt „Schwarze Kirche Kronstadt“ von Erhard Volkmer (ca. 1981) und eine Gedenkplatte mit den Namen der im Schwarze-Kirche-Prozess Verurteilten beigab. Damit konnte die 1933 endende Porträtserie der Kronstädter Stadtpfarrer im Kapitelzimmer in sinnfälliger Weise ergänzt werden.
Rumänien hat den Kommunismus 2006 öffentlichkeitswirksam durch den damaligen Präsidenten Traian B²sescu verurteilt. Den juristischen Straftatbestand des kommunistischen Verbrechens hatte dies jedoch nicht zur Folge, so dass die Kommunismus-Prozesse ausgeblieben sind bzw. nach dem allgemeinen Strafrecht vorgegangen werden musste.
Umgekehrt war es aber möglich, 1958 einem Gebäude, der Schwarzen Kirche, den Prozess zu machen! Wenn wir die politisierte Denkmalgeographie jener Jahre in Kronstadt, Pardon, in Stalin-Stadt, näher in den Blick ziehen, so erscheint der Schwarze-Kirche-Prozess als schiere Konsequenz davon: denn, in Verlängerung der Purzengasse im Park neben der Post stand Stalins Monumentalstatue. Sein Arm gab gewissermaßen die Angriffsrichtung vor, über den Kreisverkehr zu seinen Füßen hinweg, die Purzengasse hinauf zur Schwarzen Kirche. Am Kreisverkehr war eine Schrifttafel folgenden Inhalts angebracht worden: „Munictori, Tarani muncitori, intelectuali! Pentru a zadarnici planurile atâtatorilor la razboi fiti vigilenti, demascati pe spionii sabotori raspânditori de zvonuri si alti agenti ai imperialistilor“ (Arbeiter, arbeitende Bauern, Intellektuelle! Um die Pläne der Kriegstreiber zu vereiteln, seid wachsam, enttarnt die sabotierenden und gerüchteverbreitenden Spione sowie andere Agenten der Imperialisten). Die imaginäre Achse in Verlängerung von Stalins Arm traf die Wand der Schwarzen Kirche just an der Stelle, wo Stadtpfarrer Möckel den Protest des Presbyteriums gegen die Enteignung der 1913 neu errichteten Honterusschule eingemauert hatte.
Damit ist eigentlich alles gesagt über das Klima der allgemeinen Hexenjagd, das nach dem Ungarnaufstand von 1956 im gesamten Ostblock herrschte, über die Furcht und den riesigen Minderwertigkeitskomplex, den die Machthaber gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung hatten. Eine Inszenierung wie der Schwarze-Kirche-Prozess als Folge dieser Lage, war gewissermaßen nur noch eine Frage der Zeit.
Es lohnt jedoch, weitere Gedanken zum Prozess, seinen Effekten und Folgen zu entfalten, zumal ihre Wirkung nicht auf den historischen Moment beschränkt war und wohl nie wirklich ganz verfliegen wird.
„Weiße Kirchen gibt es viele“, hat Gernot Nussbächer bei mehreren Gelegenheiten unterstrichen, „die Schwarze Kirche gibt es aber nur einmal“. Die genaue Begriffsgeschichte der Bezeichnung „Schwarze Kirche“ steht noch aus. Es scheint aber so gewesen zu sein, dass in der Zeitspanne, als Viktor Glondys Stadtpfarrer in Kronstadt war, die Bezeichnung „Stadtpfarrkirche“ – etwa in der Titulatur der monumentalen Monographie von Ernst Kühlbrandt und Julius Gross – bevorzugt worden ist. Erst mit der 1936 ins Leben gerufenen Aktion „Für unsere Schwarze Kirche“ kann man sagen, setzte sich die Bezeichnung „Schwarze Kirche“ in unumkehrbarer Weise durch. Eine vergleichbare Frucht von begriffsprägender Art aus der Zeit von Möckels Wirken in Kronstadt ist im Übrigen die Eigenbezeichnung „Honterusgemeinde“, der Möckel mithilfe eines Gemeindeblattes zum endgültigen Durchbruch verhalf. Wie sein Sohn Andreas Möckel herausgearbeitet hat, scheint Konrad Möckel auch die Begrifflichkeit „unsere liebe Schwarze Kirche“ gerne verwendet zu haben – der Stalinismus hatte für all das nur einen politischen Schauprozess als Antwort übrig! Heißt es damit für uns also (auch heute noch) „wegen unserer lieben Schwarzen Kirche“?!
Das „Endprodukt“ Schwarze-Kirche-Prozess ergab sich erst im Verlauf der Verhöre der ab Ende 1957 Verhafteten und darf als Musterbeispiel der massenmanipulatorischen Fähigkeiten der Securitate sowie der Staats- und Parteiführung, die dahinter standen, eingestuft werden – andernfalls hätte der Prozess, wie Corneliu Pinitilescu nachgewiesen hat, in der Folge niemals als Lehrbeispiel bei der Ausbildung junger rumänischer Securitate-Kader in Moskau dienen können.
Der Schwarze-Kirche-Prozess begann nämlich aktenmäßig als Überwachungsakte einer Gruppe von Jugendlichen, betitelt als: „Horst Depner, Günter Volkmer, Karl Dendorfer si altii“ (Horst Depner, Günter Volkmer, Karl Dendorfer und andere, sowie andere wechselnde Namensformen). Ereignet hatte sich nichts Außergewöhnliches: Jugendliche wollten ihre Freizeit sinnvoll miteinander verbringen. Die Ereignisse in Ungarn bewirkten eine gewisse Politisierung der Diskussionen, die Ideen, die dabei ins Spiel kamen für den Fall, dass sich die revolutionären Ereignisse auf Rumänien ausbreiten sollten, waren jedoch weit davon entfernt, konkrete Formen anzunehmen. Für die Securitate reichte die sogenannte Sachlage aus, um durch die ihr typischen sprachlichen Transponierungsprozesse in den „limbaj de lemn“ (die Holzsprache) politische Schuld durch nicht enden wollende Verhöre, oft unter Einsatz von Folter, zu konstruieren, die als Technik darauf aus waren, den Gefangen zum Nachgeben, zum Unterschreiben unwahrer, weil übertriebener Aussagen zu bringen, um ihn psychisch zu brechen und zur Verinnerlichung einer Schuld trotz offensichtlicher Unschuld zu bringen – gibt es abscheulichere Arten der juristischen „Wahrheitsfindung“? Tatsächliche Akte des Widerstandes, wie etwa das Einmauern des presbyterialen Protests gegen die Enteignung der Honterusschule, konnten angesichts der hohen Effizienz dieser Methoden im Prozessverlauf vernachlässigt werden, zumal das persönliche Eingeständnis der fiktiven Schuld als ideologisch höherwertig von den Vertretern des Regimes eingestuft wurde.
Das gefundene Fressen für die Securitate mit Blick auf die Gruppe der Jugendlichen – der zahlenmäßig größten unter den Prozessopfern – war die Tatsache, dass einige von ihnen die Jugendstunden von Stadtpfarrer Dr. Konrad Möckel in der Oberen Sakristei der Schwarzen Kirche besuchten. An sich auch dies nichts außergewöhnliches, etwas banales eigentlich, denn es war doch Teil des Pflichtenkreises des Stadtpfarrers, die Gemeindejugend im Sinne des Evangeliums zu unterweisen. Im Klima der Hexenjagd jener Jahre und unter Berücksichtigung dessen, dass jedes totalitäre Regime sich in erster Linie auf die Jugend stürzt, diese versucht zu monopolisieren, da sie darin den Garant für ihren ewigen Fortbestand sieht, ließ sich aus der Konstellation „Jugendstunden“ ein gefährliches Fehlverhalten konstruieren, ja sogar ein Angriff auf den ausschließlichen Zugriff der Staatspartei auf die Jugend! Daraus ließ sich für Dr. Konrad Möckel die Rolle des Verführers und verborgenen Anführers der subversiven Tätigkeit der Gruppe der Jugendlichen konstruieren.
Thomas Sindilariu
Fortsetzung folgt
Dr. Konrad Möckel 1958 in Begleitung von Securitate-Offizieren im Dachstuhl der Oberen Sakristei der Schwarzen Kirche bei der Freilegung des Protestschreibens des Presbyteriums der Honterusgemeinde gegen die Enteignung der neuen Honterusschule (Prozessakten im Archiv des CNSAS)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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