„… zur Hebung der Gesittung, Kultur und Erziehung …“
10.10.19
Als Konzerthaus gebaut: Vor 125 Jahren wurde die „neue“ Redoute in Kronstadt ihrer Bestimmung übergeben (II)/Von Wolfgang Wittstock
(Fortsetzung aus unserer vorigen Ausgabe)
Trotz allem Komfort und aller Großzügigkeit in Konzeption und Ausstattung verlief die festliche Eröffnung der „neuen“ Redoute am 7. Oktober 1894 nicht hundertprozentig glatt und problemlos, es gab etliche Pannen und „böse Zufälligkeiten“, die noch tagelang Gesprächsthema waren. Der zeitgenössische Reporter berichtete z.B., dass der Festballgast bei der „von nur zwei Personen mit außerordentlichem Phlegma bedienten Garderobe eine harte Geduldsprobe hatte aushalten müssen“. Die Aufnahme der vor Beginn des Festballs aufgeführten Pantomime durch das im Saal stehende Publikum wurde wegen Beschädigung einer Kulisse beeinträchtigt; ein Szenenwechsel zögerte sich hinaus, so dass die Vorstellung das Doppelte der vorgesehenen Zeit in Anspruch nahm. Anschließend stürzten sich die Festgäste offenbar alle gleichzeitig in die „Speiselokalitäten“, wodurch die Bedienung vollkommen überfordert war. Die „Kronstädter Zeitung“ schrieb einige Tage darauf, dass den Restaurateur, Herrn Lauritsch aus Fogarasch, wegen der heftig kritisierten „schwierigen Kommunikation zwischen Küche und Speisesaal“ kein Verschulden treffe. Der gleiche Bericht machte auch auf einen anderen Umstand aufmerksam, der besonders den Gardedamen Anlass zu Klagen gegeben haben soll: „Wahrscheinlich infolge übermäßiger Ventilation des Saales machte sich bei den Sitzen an der Wand eine empfindliche Zugluft bemerkbar.“
In Erstaunen versetzt heute, dass der Berichterstatter von anno dazumal die „vorzügliche“ Akustik des Saales erwähnte, „die ihn zum Konzertsaal und Theater geradezu vortrefflich geeignet macht“. Spätere Generationen der Kronstädter Musiker und Musikfreunde hielten die Akustik in der Redoute nämlich für ausgesprochen schlecht. Schon im Dezember 1895, als die Kronstädter Philharmonische Gesellschaft in der Redoute ihr erstes satzungsmäßiges Konzert im neuen Vereinsjahr gab, kann diesbezüglich in der „Kronstädter Zeitung“ (in der Ausgabe vom 7. Dezember 1895) eine geharnischte Kritik gelesen werden.
Theater im neuen Haus
Lobend erwähnte der Reporter anlässlich der Beschreibung des neueröffneten Hauses auch die zahlreichen von Hans Bulhardt ausgeführten Theaterdekorationen: einen Prunksaal, einen Salon, ein Zimmer in altdeutschem Stile, ein Bürgerzimmer, ein Mansardzimmer, eine Bauernstube mit Alkoven, einen Gartensalon, die Straße in einer Stadt, eine Dorfstraße mit Bauernhof, eine Kirche, einen Wald, eine felsige Gegend und noch einige kleinere Dekorationen. Diese, heißt es, würden „selbst einer großen Bühne zur Zierde gereichen“.
Die Verpachtung des Theaters in der neuen Redoute geschah im Offertwege. Der „aus früheren Jahren in Kronstadt bestens bekannte Theaterdirektor Herr Berthold Wolff“ pachtete das Theater für den Jahresbetrag von 7500 Gulden. In den Zeitungsannoncen jener Zeit werden – in der Form „St.S. & B. Wolf“ – als Theaterdirektoren Stanislaus S. Wolf und Berthold Wolf, vermutlich Brüder, genannt. Als erste Theatervorstellung im neuen Haus wurde am 9. Oktober 1894 das Lustspiel „Wilddiebe“ von Wittmann und Herzl gegeben. Am nächsten Tag (10. Oktober) folgte der Schwank „Die goldene Spinne“ von Franz von Schönthan. Am 11. Oktober gaben die Kronstädter Philharmonische Gesellschaft und der Kronstädter Männer-Gesangverein im Redoutensaal ein Konzert zur Feier des 25-jährigen Stadtkapellmeisterjubiläums von Anton Brandner, dem um die Entwicklung der musikalischen Verhältnisse in Kronstadt hochverdienten Begründer und Dirigenten der Kronstädter Philharmonischen Gesellschaft. Im Spielplan jener ersten Theaterwoche im neuen Haus standen sodann Vorstellungen des Lustspiels „Die Katakomben“ von Gustav Davis (12. Oktober), des dramatischen Gedichtes „Des Meeres und der Liebe Wellen“ von Franz Grillparzer (13. Oktober), der Gesangsposse „Heißes Blut“ von Krenn/Lindau/Schenk (14. Oktober) und des Schauspiels „Denise“ von A. Dumas fils (15. Oktober).
Denkschrift des Bauherrn
In einer „Denkschrift“, die die Kronstädter Allgemeine Sparkasse anlässlich der Errichtung der Redoute drucken ließ, heißt es, die Sparkasse habe sich „nicht aus dem Gesichtspunkte der vorzüglichen und sicheren Kapitalanlage zum Bau entschlossen, sondern einem dringenden, allgemeinen Bedürfnisse der Stadt Kronstadt abhelfen wollen und deshalb aus dem Gesichtspunkte, dass sie, ihren Statuten gemäß, gemeinnützige und wohltätige Zwecke zu unterstützen berufen ist, selbst die Gefahr übernommen, einen jährlichen Ausfall durch den Neubau der ‚Redoute‘ tragen zu müssen.“ Anschließend verleiht der Bauherr der Hoffnung Ausdruck, „dass dieser Bau zur Hebung der Gesittung, Kultur und Erziehung beitragen und die Verständigung und das friedliche Zusammenleben und Wirken der Nationalitäten unserer Stadt und des Komitates Kronstadt befördern wird“. Es besteht kein Zweifel, dass die neue Redoute im Laufe ihrer 125-jährigen Geschichte diesem gemeinnützigen Auftrag gerecht wurde und als Musentempel im künstlerisch-kulturellen Leben Kronstadts eine wichtige Rolle gespielt hat und auch heute noch spielt. Weiterhin finden hier regelmäßig Veranstaltungen statt, die ein dankbares Publikum haben. Vermerkt sei allerdings, dass der Konzert- und Theatersaal nach der Wende von 1989 eine radikale Umgestaltung erfuhr. Die Bühne befindet sich nun, wenn man den Saal betritt, zur rechten Hand (ursprünglich war ihr Platz auf der gegenüberliegenden Seite), und der Publikumsraum wurde als Amphitheater mit ansteigenden Sitzreihen plus Balkon gestaltet. Ob bei diesen baulichen Veränderungen die Vorschriften des Denkmalschutzes Beachtung fanden, wagen wir zu bezweifeln.
Die „neue“ Redoute auf einem historischen Foto - ursprünglich wies der gesimsartige Dachansatz verschiedene Verzierungen auf, darunter an zentraler Stelle ein Standbild des Musenbeschützers Apoll, doch ist dieser Schmuck im Laufe der Zeit abhandengekommen (Bildquelle: Staatsarchiv Kronstadt, Reproduktion: Peter Simon)
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