APOLLONIA-HIRSCHER-PREISVERLEIHUNG 2000

Foto: Waldemar Stadler

Hochgeehrt und hochgeschätzt im In- und Ausland

Laudatio auf Ernst Fleps/Von Dr.-Ing. Dieter Simon

Die Mehrheit der hier Anwesenden hat die Umbrüche der Jahre 1947 und 1989, viele sogar den letzten Krieg, Deportation und andere einschneidende Ereignisse erlebt und wurde dadurch immer wieder gezwungen, Stellung zu nehmen, zu handeln und Farbe zu bekennen, wes Geistes Kind er ist.
Ob darin ein Sinn waltet, soll hier nicht erörtert werden. Die Tatsachen liegen für jeden erkennbar offen da: Unsere Gemeinschaft wurde immer wieder hart, manchmal bis an die Grenze der physischen Auflösung, auf Identität hin geprüft. Drücken galt nicht.
Die Siebenbürger, die heute hier leben, haben alle eine ganz unverwechselbare Identität, die Meisten sehr bewusst.
Dies ist in unserer Zeit, in der Werte und Worte immer unschärfer werden, in der sich alles in Bewegung setzt Richtung Globalisierung, Ziel unbekannt, in gewissem Sinne ein Anachronismus. Wozu braucht die Welt denn Leute, die genau wissen, woher sie kommen und wer sie sind?
Kein Mensch lebt nur von Brot allein; wir werden zu Menschen durch eine Sprache, durch ein Netz von Traditionen und gesellschaftlichen Strukturen, das wir etwas unscharf als Kultur definieren. Die Spur, die unsere Vorfahren durch die Jahrhunderte hier in Siebenbürgen gezogen haben, ist besonders reich an solchen Strukturen, an elastischen Modellen, wie man in einem multiethnischen und multikulturellen Raum kooperativ eine Identität aufbauen und bewahren kann. Sie zeigt aber auch deutlich die Risiken der inneren Erstarrung, die Folgen von Unduldsamkeit und verfehltem Umgang mit Minderheiten.
Was hier in Siebenbürgen abgelaufen ist, wird über kurz oder lang im größeren Rahmen eines integrierten Europa ablaufen. In diesem Prozess können wir Zeugen sein für Erfolge und Risiken und dafür, dass jedes Individuum, jede Gemeinschaft, sich nur in zwei Richtungen bewegen kann: Richtung Identität oder Richtung Auflösung.
Unser Preisträger, Herr Ernst Fleps, steht seit Jahrzehnten als Initiator, Erzieher und Dirigent im Dienste dieser Identitätsfindung, und für sein Werk soll ihm an dieser Stelle gedankt werden.
Ernst Fleps wurde am 29. März 1926 in Brenndorf in einer Lehrerfamilie geboren. Nach Schulbesuch in Brenndorf, Kronstadt und Mediasch folgte das Lehrerseminar in Hermannstadt.
Durch eine glückliche Fügung blieb ihm die Deportation nach Russland erspart, nicht aber fast drei Jahre Arbeitslager als Soldat deutscher Abstammung.
Der wohl schon im Elternhaus empfangenen Berufung blieb Ernst Fleps treu – im Fernstudium erarbeitete er sich unter schweren Bedingungen ein Musikstudium, um danach wieder an das Honterusgymnasium zurückzukehren, wo er einmal Schüler war. Anerkannt von Schülern, Kollegen und Vorgesetzten – er trägt den Titel „Verdienter Lehrer“ – war er ein bestimmender Faktor der musischen Bildung vieler Generationen. Er hat – soweit uns bekannt – als Erster im Musikunterricht des Landes Orffinstrumente verwendet. Die Zahl der von ihm gestalteten Musikabende lässt sich nicht abschätzen – vier Musikfilme mit Kindern, für das rumänische Fernsehen gedreht, mögen als Glanzlichter angeführt sein.
Neben der erzieherischen Tätigkeit lief eine fast noch erfolgreichere Tätigkeit als Chorleiter, Orchester- und Blasmusikleiter in Tartlau, Brenndorf, Zeiden und bis auf den heutigen Tag in Kronstadt.
Wie oft er im Fernsehen zu sehen war, weiß er wohl selbst nicht – es gibt aber kaum ein Trachtenfest oder eine größere Feier, nicht in Kronstadt, nicht in Siebenbürgen, sondern in allen Siedlungsgebieten der Deutschen Rumäniens, wo die Burzenländer Blaskapelle – auch heute noch unter seiner Leitung – nicht auftritt: hochgeehrt und hochgeschätzt im Inland und - die Verleihung der deutschen Karl-Zelter-Plakette beweist es – auch im Ausland. Nicht unerwähnt sollen die vielen von ihm orchestrierten Musikstücke bleiben, unter denen auch Kompositionen von Ernst Fleps sind.
Die äußeren Wegzeichen, oft den Umständen verhaftet, kennzeichnen doch nur im geringen Maß das Wesentliche seines Weges: das erzieherische Wirken, musisch und sozial, die Treue zum einmal erwählten Lebenswerk, die Bereitschaft, Opfer an Zeit, Status und finanzieller Sicherheit hinzunehmen. Vor uns steht nicht ein Lebenswerk durch freundliche Umstände, sondern ein Lebenswerk trotzdem. So hat Ernst Fleps an unserer Identität mitgewirkt, und dafür wollen wir, die Gemeinschaft, zu der er gehört, ihm danken.

Kronstadt, 12. Januar 2001
(Karpatenrundschau, 20. Januar 2001)