Allgemeine Wertschätzung und noch offene Wünsche
14.10.21
Feierstunde am Johannes-Honterus-Nationalkolleg anlässlich des 480. Gründungsjubiläums
Es habe ihn überrascht zu erfahren, dass vor 480 Jahren in Kronstadt erstmals auf dem Gebiet des heutigen Rumänien ein Gebäude ausschließlich für den Schulunterricht genutzt wurde, sagte Unterrichtsminister Sorin Cîmpeanu. Das habe ihn beeindruckt, wie auch die sehr gute Bilanz der letzten Jahre die das Honterus-Nationalkolleg bei den Prüfungen vorweisen kann. Als Zeichen der Anerkennung für die stolze Vergangenheit und die guten Schulergebnisse in der Gegenwart überreichte der Minister dem Schulleiter des Honterus-Nationalkollegs, Radu Chivarean, das Gheorghe Lazar-Ehrendiplom sowie die dazu gehörende Plakette. Es sollten nicht die einzigen Auszeichnungen an diesem Festtag sein denn Ehrenurkunden für diese so traditionsreiche Kronstädter Schulanstalt gab es auch seitens des Kreisrates Kronstadt, des Schulinspektorates Kronstadt und der Allianz der hundertjährigen Kollegs (Alianta Colegiilor Centenare – ACC) in das das Honterus-Kolleg im vorigen Jahr aufgenommen wurde. Gut informiert über die aktuellen Schwierigkeiten an diesem Kolleg erwies sich Minister Cîmpeanu. Während er den Festsaal des Honterus-Kollegs vorzeitig verließ, weil er bei der Landes-Rektorenkonferenz erwartet wurde, bemerkte er mit bitterer Ironie, dass es wohl angebracht sei, bei einer nächsten Gelegenheit nicht Ehrenurkunden zu übergeben, sondern Lehrbücher. Weitere Details zu diesem Thema könne sein Staatssekretär Sorin Ion, der ihn begleitete, erteilen. Dieser gab, als letzter Redner, zu, in einer unangenehmen Lage zu sein, da es sich um ein „sensibles Problem“ handle. Deutsche Fach-Lehrbücher sind für manche Klassen bekanntlich noch Mangelware, da sie nur in einer kleinen Auflage zu drucken sind, die dem Herausgeber Kosten und keinen Gewinn einfahren. Die aus dem Saal gekommenen Vorschläge, den Druckauftrag hoher Auflagen mit jenen kleineren Auflagen zu koppeln oder die Lehrbuchübersetzungen zu fördern, versprach der Staatssekretär weiterzuleiten. Sorin Ion brachte seine Bewunderung für die Honterusschule auf unkonventioneller aber vielsagenden Art zum Ausdruck: er beneide die reiche Tradition des Kronstädter Lyzeums wenn er sie mit seinem Lyzeum vergleiche; letzteres war wenige Jahre alt und führte in seiner Bezeichnung keinen Namen, sondern nur eine Nummer.
Einleitend hatte Radu Chivarean einen kurzen historischen Überblick geboten, wobei er die Premieren fürs heutige Rumänien hervorhob, die mit Honterus und seiner Schule verbunden sind (z.B. erstes Gymnasium, erste Schulbibliothek, „Coetus honteri“ - die erste Form von Selbstverwaltung der Schüler, die erste Shakespeare-Aufführung u.a.). Er unterstrich, dass heute versucht wird, alte Schul-Traditionen fortzuführen (wie z.B. Honterusfest, Schulchor, Beteiligung an der Michael-Weiss-Feier), selbst wenn es nur wenige Sachsen als Schüler gibt; dass erfolgreich internationale Erasmus-Projekte laufen, selbst wenn Corona die Reisemöglichkeit erschwert; dass die Ergebnisse der Honterusschule bei den Prüfungen fürs Deutsche Sprachdiplom (DSD – I) hervorragend sind. Die Leistungen der Vorfahren verpflichten die heutigen Generationen von Schülern und Lehrern ihnen nachzueifern.
In ihren Ansprachen betonten die Gäste die Bedeutung der Schule, ihren einmaligen Charakter: Honterus und seine Schule seien eines der Wahrzeichen Kronstadts (Kreispräfekt Mihai Catalin Vasîi); die Honterusschule gäbe ihren Absolventen zusätzliche Chancen und sichere deutschen Investitionen vor Ort Fachkräfte mit Deutschkenntnissen (Kreisratsvorsitzender Adrian Vestea); Lehrer, Eltern und Schüler leisten gemeinsam Hervorragendes (Generalschulinspektor Ovidiu Tripsa); das Honterus-Kollegium verdiene vollkommen seinen Platz in der Allianz der hundertjährigen Kollegs (ACC-Vertreter und ehemaliger Direktor des Mesota-Kollegs, Octavian Polexa). Vizebürgemeisterin Flavia Boghiu beglückwünschte die Honterus-Lehrkräfte für ihre Arbeit: die Schüler verinnerlichen die ihnen vermittelten Werte betreffend soziales Engagement und kulturelle Identität, wie das z.B. die Freiwilligen in ihrem Einsatz während des „Forums der Grünen Städte“ bewiesen haben. Die Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt, Caroline Fernolend, unterstrich, dass die Honterusschule als Schule mit deutscher Unterrichtssprache fürs Forum sehr wichtig sei um deutsche Sprache und kulturelles Erbe der Vorfahren weiterzuführen. Sie äußerte ihre Überzeugung, die Honterusschule befinde sich in guten Händen und betonte wie wichtig es sei, auch weiterhin in Erziehung und Bildung zu investieren. Stadtpfarrer Christian Plajer wies auf die Partnerschaft zwischen Honterus-Kolleg und Honterusgemeinde hin: die Kirche sei der erste Partner der Schule gewesen. Er unterstrich die Rolle von Honterus als Pfarrer und betonte wie wichtig es für die Schüler sei, im Sinne des gegenseitigen Verständnisses und Respektes erzogen zu werden. Eine persönliche Erinnerung aus seiner Schulzeit am Honteruslyzeum verdeutlichte die inzwischen erfolgten Wandlungen: als Elftklässler zogen er und Klassenkameraden es beim Glockengeläut an einem kirchlichen Feiertag vor, den Gottesdienst in der benachbarten Schwarzen Kirche zu besuchen. Der aufgebrachte Fachlehrer hielt ihnen angesichts des kalten, leeren Klassenraumes eine zweite Predigt und drohte mit ernsten Folgen die allerdings nicht eintrafen. Heute wirken Kirche und Schule gemeinsam für das Wohl der Kinder. Schulleiter Chivarean erinnerte in diesem Zusammenhang, dass heute evangelische Religionsstunden angeboten werden, sowie dass die Honterusgemeinde die Gebäudeflügel die in ihrem Besitz sind, unentgeltlich für 25 Jahre der Stadtverwaltung zur Nutzung als Schulanstalt zur Verfügung gestellt hat. Der orthodoxe Pfarrer und Historiker Vasile Oltean (ehemaliger langjähriger Direktor des Obervorstädter Museums der „Ersten rumänischsprachigen Schule“ des Landes) schilderte voller Begeisterung die guten gegenseitig vorteilhaften Beziehungen zu Honterus' Zeiten sowie auch später zwischen Kronstädter Sachsen und Obervorstädter Rumänen. Stadtrat Werner Braun, ehemaliger Honterus-Absolvent, unterstrich seitens des Deutschen Wirtschaftsklubs Kronstadt die Rolle dieses Kollegs als Pluspunkt für die Region bei der Standortwahl von Investoren aus dem deutschsprachigen Raum. Er richtete den Aufruf, sich gegenseitig die Hände zu reichen, um die alten Schulgebäude umzugestalten und zu sanieren damit sie den Anforderungen eines modernen zeitgemäßen Unterrichts entsprechen. Diesen Wunsch hatte auch Radu Chivarean geäußert – die rund 1400 Schüler in den 53 Klassen verdienen bessere Bedingungen und Voraussetzungen als es sie zur Zeit die alten Klassenräume ermöglichen. Es handle sich dabei aber um ein langfristiges, kostenaufwändiges Projekt das nur mit Unterstützung seitens des Staates verwirklicht werden könne. Und, nicht zu übersehen, alles ist unvollkommen, wenn nicht auch Lehrkräfte herangezogen werden, die in Deutsch unterrichten – was ja den Unterschied zu den anderen Kronstädter Kollegs macht. Deutsch war bei dieser Festrunde allerdings nur in den Tagungsmappen der Teilnehmer präsent, in einer Zeittafel und einem Beitrag von Gernot Nussbächer über Honterus.
An der Veranstaltung im Festsaal beteiligten sich die beiden stellvertretenden Schulleiterinnen Anina Micleru-Soana und Enikö Jozsá, die ehemaligen Schulleiter Helmuth Wagner und Hans Wilk, die stellvertretende Kronstädter Generalschulinspektorin Stefania Molnár, Lehrkräfte, Schüler, Vertreter des Elternbeirats und des „ProHonterus“-Vereins, die Vorsitzende des deutschen Ortsforums Olivia Grigoriu, weitere Forumsmitglieder, ehemalige Absolventen, wobei die Corona-Sicherheitsmaßnahmen (Maskenpflicht und Hände-Desinfektion) eingehalten wurden. Reichen Beifall gab es ebenfalls für die zwei musikalischen Beilagen, dargeboten von Paul Ionescu, ehemaliger Honterus-Absolvent am Klavier (Franz Liszt) und von Martin Arvay, Schüler des Honterus-Kollegs am Cello (Friedrich Seitz).
Eröffnet wurde am Freitag, dem 8. Oktober, diese Feier im Schulhof von der Burzenländer Blaskapelle. Die von Ortrun Mahl betreute Vorschulklasse sowie die III. Klasse von Lehrerin Roxana Bobâlneanu zeigten, dass sie auch vor einem größeren Publikum gern und gut singen können. Es folgte der von Musiklehrerin Claudia Miritescu geleitete Schulchor mit dem Siebenbürgenlied, das als inoffizielle Hymne des Kollegiums gilt und immer wieder bei festlichen Anlässen ertönt, sowie mit „Kein schöner Land“. Die Kleinsten der Schüler waren unter Anleitung ihrer Lehrerinnen, die ersten die anschließend am Sockel des Honterus-Denkmals Blumen niederlegten. Ihre größeren Kollegen standen Schlange um auf derselben Weise dem Gründer ihrer Schule ihre Achtung zu erweisen. So viele Blumen dürfte Honterus von den Schülern seiner Schule in deren 480-jährigen Geschichte selten bekommen haben.
Die ganze Woche stand im Zeichen dieses Jubiläums. Honterus als historische Gestalt, als Schulgründer und als Vorbild und Wegweiser war Thema von Gesprächen im Unterricht, von Zeichnungen die im Festsaal, auf den Fluren und in den Klassenräumen ausgestellt wurden; selbst eines Wettbewerbes „Wie würde Johannes Honterus heute aussehen“, wobei auf neuste Technologie zurückgegriffen werden konnte. Und der Honterus-Büste im Hauptflur des B-Gebäudes wurde ein Lorbeerkranz aufgesetzt – so wie er einer Persönlichkeit für deren besonderen Verdienste zusteht.
Ralf Sudrigian
Blumen seitens der Schüler beim Honterus-Denkmal. Foto: der Verfasser
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