Dokumentation zur Ausreise der Rumäniendeutschen
06.05.21
Eingehende Analyse des diesbezüglichen Verhandlungsprozesses in den Jahren 1968 – 1989 von Paul Cristian Bagiu
In den Zwischenkriegsjahren lebten bekanntlich rund 800.000 deutschstämmige Bürger in Rumänien, so wie auch die jüdische Gemeinschaft. Die Kriegswirren haben dazu geführt, dass Vertreter der jungen Generation in die deutsche Armee eingezogen wurden und nicht mehr heimkehrten, aus der Russlanddeportation sind sind ebenfalls viele der Überlebenden in die Bundesrepublik Deutschland oder Österreich mit den stattgefundenen Transporten gezogen, was zur Trennung tausender Familien führte und somit der Drang der Familienzusammenführung immer ausgeprägter wurde. Bekanntlich wurden selten gestellte Anträge für die Ausreise aus Rumänien genehmigt, was mit der Zeit dazu führte, dass die erteilte Genehmigung zu einem wesentlichen Einkommen für den rumänische Staat wurde, durch das pro Person bezahlte Lösegeld. Offizielle diesbezügliche Verhandlungen zwischen Rumänien und der BRD in den Jahren 1968 - 1989 haben nicht nur ein bedeutendes Kapital der rumänischen Seite gebracht, aber auch dazu geführt, dass das Problem der Familienzusammenführung sich immer weiter ausbreitete und nach Öffnung der Grenzen nach der politischen Wende von 1989 zu dem Massenexodus der Rumäniendeutschen führte. Eine eingehende Dokumentation zu den diesbezüglichen Verhandlungen die in genannter Zeitspanne stattgefunden haben, erschien im Vorjahr unter dem Titel "Die Geheimsache Kanal. Analyse der staatlich vermittelten Aussiedlung Rumäniendeutscher in die BRD (1968 - 1989) nach markttheoretischen Gesichtspunkten". Es handelt sich um die Dissertation (2019) deren Autor der Historiker und Politologe Paul Cristian Bagiu, der den rund 250 Seiten umfassenden Band unter der Schirmherrschaft des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien im Rahmen des Hermannstädter Honterus-Verlags herausbrachte. Dieses mit der finanziellen Unterstützung des Departements für Interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der Rumänischen Regierung. In den Jahren verließen über 200.000 deutschstämmige Bürger auf legalem Weg das Land, die damalige Sozialistische Republik Rumänien, trotz dem das Land von der westlichen Welt abgeschirmt war. Wie das geschah, welche die Vermittler waren zwischen diesen Verhandlungen, die nach markttheoretischen Standpunkten geführt wurden, darüber versucht der Autor Antworten zu geben. Dabei baut er auf mehrere bisher erschienene Dokumentationen zu deren Autoren Heinz-Günther Hüsch, der bekanntlich mit den Verhandlungen seitens der deutschen Seite beauftragt war, Hannelore Baier, Ernst Meinhardt, Konrad Gündisch, Michael Kroner, Anneli Ute Gabanyi, Lucian Boia, R²zvan Georgescu, Stelian Octavian Andronic, Ion Mihai Pacepa u.a. zählen.
Der Autor bietet einleitend dem Forscher und fachkundigen Leser einige Aufklärungen bezüglich seiner Motivation, die ihn dazuführte diese Dokumentation anhand von eigenen Ermittelungen auszuarbeiten. Er bietet eine Übersicht der Quellen, die er dabei heranziehen konnte und stellt den Aufbau der Arbeit vor. Diese ist auf drei große Kapitel strukturiert: der spezifischen Interessenaggregation zwischen der Bundesrepublik und dem kommunistischen Rumänien als eine übergreifende Kooperation in der Zeit des Kalten Krieges, des dabei gebildeten speziellen Marktes aus Sicht der Politischen Ökonomie und dem dabei erzielten Mehrwert bei der Erklärung der deutsch-rumänischen Aussiedlerverhandlungen als Wissenschaft und Methodologie. Ziel der aufliegenden Arbeit ist die legale, die politisch beschlossene Ausreise von über 200.000 Rumäniendeutschen in die Bundesrepublik Deutschland in den 70er und 80er Jahren zu untersuchen. Diese Zahl bedeutete etwa die Hälfte der noch in Rumänien lebenden deutschen Angehörigen nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor allem junge Personen, gut ausgebildete Fachkräfte nahmen die Gelegenheit wahr, um das Land zu verlassen. Der Autor setzt den Akzent in seinen Ermittelungen auf die Art wie es zu den gemeinsamen Absprachen gekommen ist, wer die Verhandlungsteilnehmer waren. Die Verhandlungen hoben besonderes die humanitäre Seite der Aussiedlung hervor, damit keine Kritik zugelassen sein kann, wie die eines Menschenhandels. Der Akzent wird auch auf den rumänischen Geheimdienst, der Securitate gesetzt, die dabei eine besonderes wichtige Rolle gespielt hat. Unterstrichen wird die Inkonsequenz der kommunistischen Regierung Rumäniens, die über alle auch international abgeschlossene Vereinbarungen hinwegging um durch diesen Aussiedlungsmarkt an westliche Devisen heranzukommen. Die damalige Regierung in Bonn sah es als moralische Pflicht, sich für die Interessen der deutschen Minderheiten im östlichen Europa einzusetzen, für die Verbesserung der Lebensverhältnisse der DDR-Bürger. Daher entstand diese Bereitschaft, mit den kommunistischen Regierungen in Kontakt zu treten um etwas für diese Minderheiten tun zu können. Die vorliegende Arbeit ist aber ausschließlich auf die Lage in Rumänien und den konkreten Gegebenheiten ausgerichtet, die Verhandlungen ermöglichten. Dieses ausgehend auch von der geschichtlichen Vergangenheit der Rumäniendeutschen, auf deren Vergangenheit und Traditionen geachtet werden musste. Der Autor, der diese eingehende Analyse dieser Verhandlungen vornimmt, bietet eine Dokumentation die sicher nach Jahren immer wieder als Nachschlagwerk verwendet werden wird, wenn die untersuchten Fakten kommenden Generationen nicht mehr so naheliegend sind wie der gegenwärtigen. Der Band, der unentgeltlich auch im Kronstädter Deutschen Forum bezogen werden kann, lohnt sich seine Kenntnisse zu diesem Thema das lange tabu war, aufzufrischen oder zu vertiefen.
Dieter Drotleff
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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