Dominante C – von Capri nach Cap Aurora (II)
15.08.19
Ein Sommersonnentraum in mehreren Tagen/ Von Carmen Elisabeth Puchianu
Tag 3 – Straßentrubel auf Neapolitanisch
Am Montag kann man nach Rom fahren. Da wir Kronstädter drei Grazien vor drei Jahren mehrere Tage in Rom verbringen konnten, sehen wir von dieser Ausfahrt ab, sie würde uns nichts Neues bieten und eine unnötige Anstrengung bedeutet. Viel lieber fahren wir mit dem Circumvesuviana nach Neapel und verbringen dort den Tag auf eigene Faust. Wie die blinde Henne sprichwörtlich mal ein Korn findet, finden auch wir den Dom von Neapel, wir entdecken ihn sozusagen über die Hintertreppe, nachdem wir eine kleine aber sehr beeindruckende Ausstellung einiger Caravaggio Bilder in einer Kapelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite besucht hatten. Der Dom von Neapel, sowie alle andern Kirchen, die wir hier gesehen haben, stehen nicht wie unsere siebenbürgischen Kirchen entweder auf einem eigenen offenen Hof oder Platz oder erhöht und von Wehrmauern umgeben, sie sind vielmehr von den Häusern, den Stadtgebäuden ringsum eingekesselt und dadurch beinahe unauffällig. Ein geöffnetes Tor oder breite Stufen weisen einem den Weg zu ihnen. Sehenswert ist außer dem Dom die Santa Chiara Kirche mit ihrem Innengarten und der aus Tuffstein gemeißelten Miniaturdarstellung des Weihnachtsgeschehens, sowie die neue Jesus Kirche an der Piazza del Gesù und natürlich das Museo Archeologico, darin sich eine beachtliche Sammlung griechisch und römisch antiker Kunstschätze befindet. Hier ist die Herkulesstatue zu sehen mit den drei Äpfeln in seiner rechten Hand, die er vor dem Betrachter am Rücken zu verbergen sucht, während er mit der Linken den getöteten Löwen lässig über die Schulter hängen lässt. Der Löwe ist als leere Fellhülle dargestellt. Es fällt auf, dass der männliche Körper während der Antike zur Gänze entblößt und ebenmäßig proportioniert sowohl in Fresken und Mosaiks aber vor allem in Form von Skulpturen in voller Pracht dargestellt wurde. Frauenfiguren hingegen werden so dargestellt, dass sie ihre Blöße entweder mit den eigenen Händen oder unter einem Gewand verbergen.
Im Museo Archeologico von Neapel werden viele Mosaikbilder, die aus Pompeji ausgegraben und gerettet werden konnten, aufbewahrt. Sie zeugen von verblüffender Kunstfertigkeit und einer geradezu fotografischen, naturalistischen Darstellungsweise mitunter mit parodistischen und grotesken Zügen. Menschliche Porträts nehmen die verzerrt karikaturartigen Capriccios von Goya vorweg, tierische und pflanzliche Motive hingegen scheinen kubistische Techniken anzuklingen. Ein überaus faszinierendes Segment des Museums ist jenes der erotischen Kunst gewidmet: Mosaikbilder, kleine Bronzestatuen, Gebrauchsgegenstände wie etwa Lampen und Gefäße, sogar Reliefs auf Sarkophagen zelebrieren den Liebesgott und die irdische, fleischliche Liebe, den erotischen Akt in allen seinen Fassetten zwischen Männern und Frauen, aber auch zwischen Gleichgeschlechtlichen. Eros, der erotische Akt und die Kunst als Bezwinger des Thanatos, oder anders, Thanatos lebt im erotischen Akt und der Kunst.
Am Nachmittag nehmen wir den Funicolare in der Nähe der Piazza Dante und lassen uns auf den Montesano im Stadtteil Vomero fahren. Dort besichtigen wir das Castel Sant‘Elmo. Es handelt sich um eine Wehranlage, die auf der Grundmauer einer frühmittelalterlichen Kirche aus dem 10. Jahrhundert gründet und ab dem 13. Jahrhundert unter der Herrschaft der italienischen Anjous als Abwehrbastion gegolten hat. Heute beherbergt die Anlage ein historisches Museum, das allerdings am späteren Nachmittag bereits geschlossen ist, wir besichtigen das gesamte äußere Mauerwerk und erfreuen uns des Panoramaausblicks auf Neapel und den Golf von Neapel. Ein anderer Funicolare könnte uns an den Golf hinunter an die Ostküste von Neapel bringen, leider finden wir den Zugang dazu nicht und kehren mit dem vorherigen zur Piazza Dante zurück. Von dort haben wir noch gut zwanzig und mehr Minuten bis zum Garibaldi Bahnhof zu gehen. Erschöpft aber überaus zufrieden mit den mannigfachen Eindrücken des Tages erreichen wir den Bahnhof und warten auf unsern Zug, der uns nach Piano di Sorrento zurückbringt. Wir planen den nächsten Tag am Strand und in Sorrento zu verbringen.
Tag 4 – Vom Schwimmen im Tyrrhenischen Meer und andern Verlockungen
Wider Erwarten bricht der Dienstag mit etwas verhangenem Himmel und scheinbar trübem Wetter an. Trotzdem packen wir unsere Badesachen ein und ziehen gleich nach dem Frühstück los. Wir erreichen den Strand von Meta, keine Viertelstunde Fußweges von unserm Hotel entfernt. Anfang Juni ist an dieser Steilküste am Mittelmeer, oder genauer dem Tyrrhenischen Meer noch nicht viel los. Auf den schmalen Strandstreifen stehen zwar die Sonnenschirme in blauweißer Reihe aufrecht ausgerichtet und darunter sind weiße Holzliegen zu sehen, doch liegt noch keiner da. Der Strand ist mit glatten, runden Steinen bedeckt, deren Größe zwischen jener eines Hühner- und eines Tauben- oder Wachteleis schwankt. Werden sie vom Wasser genässt, schimmern sie schwarz, an der Sonne getrocknet, werden sie etwas matt und grauweiß. Man geht sehr gut auf diesen Steinen, und wenn das Meer am Ufer darüber hinweg schwappt und sich gleich darauf zurückzieht, raunen die Steine dem Wasser ein Geheimnis zu. An anderen Stellen bedeckt Sand den Strand, er hat einen dunkel grauen Schimmer, als enthalte er Metallspähne, so ganz anders als der feine Sand am Strand des Schwarzen Meeres. Das Meer selbst ist glatt und lädt zum Schwimmen ein. Es scheint uns allerdings morgens um 9 Uhr doch noch etwas kühl und vor allem zu verhangen, als dass wir wirklich schwimmen möchten. M. und ich beschließen, wieder einzupacken und nach Sorrento zu fahren. Dieses Mal nehmen wir nicht die Bahn sondern den Bus. Die Fahrt dauert mehr als eine halbe Stunde, der Bus ist auch recht voll, aber die Gesellschaft einer Schulklasse macht die Fahrt amüsant. M. unterhält sich auf Englisch mit den italienischen Schülern, die sich über die merkwürdige Namensgebung in der französischen Kultur wundern.
Sorrento ist ein vornehmer Badeort, von dessen Vorhandensein ich aus der Literatur wusste: Effi Briest verbringt bekanntlich einen Teil ihrer Hochzeitsreise, so Fontane, in Sorrento und auf Capri… Sorrento hat internationalen Flair, hier treffen sich Touristen aus aller Herren Länder, davon lebt die Stadt: von den Touristen und…den Limonen! Die gelbe Frucht ist hier in unterschiedlicher Größe und Form anzutreffen, sie wird zum berühmten Limoncello verarbeitet und zu Limonenkonfitüre, sie wird gepresst, getrocknet und als Grundstoff für köstliche Lutschbonbons verwendet, sie gibt das Aroma von Seifen ab und ziert als Kunstmotiv Wände, Majolika Schalen und –Teller, Mosaiks und Textilien. Sie ist als frische Frucht, aber auch als Artefakt, als Schlüsselanhänger oder Spielzeug u.a. zu erstehen. Sie ist das Wahrzeichen von Sorrento und von ganz Kampanien und wird darüber hinaus geradezu vergöttert. Gegen Mittag reißen die Wolken auf, die Sonne dringt durch und mit einem Schlag haben wir das herrlichste Badewetter. Wir finden ein kleines Strandfleckchen, auf dem kein Eintritt bezahlt werden muss. Es ist dem entsprechend ziemlich voll, aber ich kann dem Meer nicht länger wiederstehen. Und während M. sich für eine halbe Stunde einfach auf den Sand legt, schwimme ich im Meer, das mich freundlich auf tyrrhenisch umfängt. Später nach dem Mittagessen kann ich M. überreden ein zweites Mal an den Strand zurückzukehren, dieses Mal an eine andere Stelle, wo es nicht nur Liegen und Sonnenschirme, sondern auch eine Umkleidekabine gibt. Und weil der Strand in knapp zwei Stunden schließt, bekommen wir eine Preisermäßigung. Vom Schwimmen im Meer kann ich nicht genug bekommen an diesem wundervollen Tag in Sorrento. Am Ende verzehren wir ein Gelato al Pistacchio und später, nach dem Abendessen im Hotelrestaurant genehmigen wir uns einen Grappa und lassen den Tag dabei noch einmal Revue passieren.
Tag 5 – Amalfi mare besser als Amalfi drive
Am Mittwoch fahren wir die Amalfiküste entlang, von Sorrento über Positano bis Amalfi, und zwar nicht an Land, sondern auf See! Das Mittelmeer erweist uns eine Gunst nach der andern, bleibt ruhig auch am Tag der Küstenfahrt und zeigt sich uns von seiner besten Seite, vormittags noch etwas grünlich grau wegen der Wolkendünste, die über dem Festland schweben, nach dem Mittag dann azurblau, als wäre man geradezu in einer stark retuschierten Ansichtskarte… Wir fahren die Steilküste entlang, bewundern die eigenartigen Felsstrukturen, deren Gestein in Schichten übereinander gehäuft scheint, und wenn man genau hinsieht, merkt man, dass die Schichten einer halbkugelförmigen Anordnung folgen so, als würden sie die Form der Erde über Wasser als Kugelausschnitt wiederholen. M. und ich stehen auf dem Oberdeck und kommen aus dem Staunen nicht heraus. Wir fahren an Capri vorbei, später passieren wir die drei Inseln, auf denen angeblich Calypso mit ihren Sirenen Odysseus und dessen Mannen mit ihrem Gesang zu verzaubern versucht hatten. Auf einer davon, Li Galli, hat Rudolph Nureyev seine Traumresidenz errichten lassen, die man mittlerweile mieten oder kaufen könnte.
Das Schiff hält in Positano, wo wir einen etwa anderthalbstündigen Aufenthalt haben. Die Stadt liegt auf Anhöhen, ihre Gebäude türmen sich pyramidenförmig die steilen Straßen hinauf, die untersten erheben sich unmittelbar am Strand. Hier lassen wir es langsam angehen, bummeln die Strandpromande entlang, gehen in einen Laden, wo es lauter Dinge aus Olivenholz gibt. Ich erstehe eine Kelle, eine Zitronenpresse und einen Eierbecher, auch liebäugele ich mit einem kreisrunden breitkrempigen Strohhut, entscheide mich auf Grund seiner sperrigen Beschaffenheit allerdings gegen dessen Kauf. Ein Cappuccino wäre jetzt gut, sagt M. Und ein Aperol Spritz, ergänze ich. Wir genehmigen uns die Getränke und lassen uns von meinem gescheiten Fotoapparat, den ich auf Selbstauslöser einstelle, in einigen Bildern verewigen. Danach geht es mit dem Schiff weiter nach Amalfi.
Amalfi schmiegt sich wie eine Riesenkatze an die Hänge der Küstenerhebungen. Das bunte Über- und Ineinander der Gebäude ist bereits vom Meer aus zu sehen und verspricht viel Sehenswertes. Unsere Reiseleiterin weist uns auf die Sant Andrea Kathedrale oder den Dom hin, wie man sie auch noch nennt und die unmittelbar über dem Anlegeplatz alles überragt und über eine breite Treppe zu erreichen ist, die einen entfernt an die Treppen erinnert, die am Montmartre zum Dom Sacre Coeur führen. In Amalfi haben wir etwas mehr Zeit zur Verfügung als in Positano, also suchen M. und ich zunächst eine nette Kneipe, wo wir essen und etwas trinken können, da der Mittag weit vorgerückt ist. Wir entscheiden uns für eine kleine Straßenterrasse unter den Arkaden, die links von dem Treppenaufgang zur Kirche ihre angenehmen Schatten werfen. Der Ober empfiehlt uns die Spaghetti con alici fresche und dazu eine demi bouteille eines Rosé Weines der Region. Die Spaghetti mit den frischen Sardellen schmecken vorzüglich, und der herb fruchtige Rosé passt hervorragend dazu. So gestärkt hüpfen wir beinahe die 62 Stufen zur Kathedrale empor. Das Bauwerk stammt aus dem 10. Jahrhundert und beeindruckt in ihrem Innern durch Schlichtheit, wie man sie in katholischen Kathedralen im mitteleuropäischen Raum nicht unbedingt gewohnt ist. Auch gibt es einen Innenhof von schlanken Säulen und Bögen gesäumt, den sogenannten Paradieskreuzgang, wo gerade Vorbereitungen für eine Trauung getroffen wurden. Römisch byzantinische Bau- und Dekorationselemente verbinden sich mit späteren gotischen und arabisch anmutenden Formen, sowie mit barocken Hinzufügungen zu einem beeindruckenden Gesamtwerk, das dem Heiligen Andreas geweiht ist und dessen Krypta man besichtigen kann.
Fortsetzung folgt
Die Altstadt von Neapel. Foto: die Verfasserin.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
16.09.24
Interview mit Roxana Florescu, Leiterin des Deutschen Kulturzentrums in Kronstadt
[mehr...]
13.09.24
„Und wenn dereinst von meinen Tagen Der allerletzte Tag erscheint, So möge man von mir nur sagen: Es starb, ein wahrer Menschenfreund.”
[mehr...]
13.09.24
Das neue Schuljahr beim Johannes-Honterus-Nationalkolleg
[mehr...]