Kirche im Kaukasus (II)
13.05.22
Tiflis, Georgien. Vom 29. März bis zum 2. April besuchte eine Abordnung des „ZETO“(Zentrum für Theologie – OST) und der „GEKE“ (Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa) unter der Leitung von Pfarrer Dr. Stefan Cosoroaba, die evangelisch-lutherische Kirche im Kaukasus mit Bischofssitz in Tiflis. Mit dabei waren Pfarrer Uwe Seidner aus Wolkendorf, Osteuropakorrespondent und Bogdan Muntean, Schriftführer.
Gleichzeitig durften wir auch einen „Stabswechsel“ begleiten. Bischof Markus Schoch wird sein Amt nach fast fünf Jahren Dienst am 1. Mai dieses Jahres an Bischofsvisitator Rolf Bareis übergeben. Doch vor der Übergabe der Stafette gewährte uns Bischof Markus Schoch einen sehr eindrücklichen Blick in die Arbeit der eigenen Kirche. Gleichzeitig organisierte er sowohl auf kirchlicher, als auch politischer Ebene Begegnungen. Erwähnt seien das Treffen bei der Institution des Ombudsmannes der Georgischen Republik, ein Treffen bei der staatlichen Agentur für Religionsfragen, ein Treffen mit den Bischöfen der Baptistischen Kirche und sogar beim orthodoxen Patriarchen Elias II. von Georgien.
Im Gespräch zur Situation der evangelischen Kirche im Kaukasus mit den zwei Bischöfen erfuhren wir von den Herausforderungen der kleinen Kirche. Dazu gesellten sich auch Pastor Viktor Miroschnitschenko und Pastorin Irina Solej. Neben der klassischen Gemeindearbeit mit Gottesdiensten, Katechese, Jugend- und Seniorenarbeit gilt auch die diakonische Tätigkeit als wichtiges Standbein der Kirche. Es gibt einen Dienst der häuslichen Pflege, der sogar auch außerhalb der Hauptstadt, und zwar in der Region Duschetien, an der Grenze zu dem internationalen nicht anerkannten Staat „Süd-Ossetien“, aktiv ist. Zusätzlich betreibt die Kirche ein kleines Altenheim mit zwölf Plätzen. Für die diakonische Tätigkeit müssen Bischof und Kirche ständig nach verschiedenen Förderprogrammen Ausschau halten, da diese sich nicht selbst tragen kann.
In Rustawi erlebten wir einen sehr freundlichen Empfang durch die Gemeinde. Im Gemeindehaus wurden wir mit Schaschlik und georgischem Wein empfangen. Hier konnten wir mit den Gemeindegliedern auf Tuchfühlung gehen. Ihre Familiengeschichten sind sehr unterschiedlich und nur noch einige wenige haben deutsche Wurzeln. Für viele erfolgte der Zugang zur Gemeinde über die eigenen Kinder, die zur Sonntagsschule, ein Angebot der Kirchengemeinde, kamen. Die „lingua franca“ der Gemeinde ist somit die russische Sprache.
Ein Besuch galt der Institution des Ombudsmanns von Georgien. Hier erfuhren wir, dass es einen fakultativen Rat der Religionen gibt. Die georgisch-orthodoxe Kirche nimmt an diesem zwar Rat nicht teil, dafür wird aber die evangelische Kirche als eine historische Kirche als zentraler Gesprächspartner wahrgenommen.
Ein weiteres Treffen folgte bei der Agentur der Religion, eine Regierungsbehörde, die etwa unserem Staatssekretariat für Kulte gleicht. Hier wurden wir zwar sehr höflich empfangen, doch merkten wir, dass viele Anliegen der evangelischen Kirche unerledigt blieben. In Georgien gelten Kirchengebäude als staatlicher Besitz. Selbst das eigene Mitteln neugebaute Versöhnungskirche in Tiflis, ist Besitz des Staates. Eine Rückgabe von historischen Gebäuden scheint nicht in Aussicht zu sein. Ein bedrückendes Beispiel ist die evangelische Kirche von Asureti (Elisabethtal), die vom Staat renoviert wurde, aber von der Gemeinde nicht genutzt werden darf. In diesem Fall stellen sich auch orthodoxe Geistliche quer.
In Sachen Ökumene ergaben sich Gespräche mit dem liberalen Flügel der baptistischen Kirche. Ein Teil der Geistlichen hat den konservativen Weg verlassen und definiert sich selbst als Brückenbauer. Sie suchen das Gespräch vor allem auch mit anderen Religionsgemeinschaften wie Muslimen, Juden oder auch Jesiden.
Den Abschluss unserer Dokumentationsreise bildete der Besuch beim georgischen Patriarchat. Es war der Abschiedsbesuch von Bischof Markus Schoch und dankeswerter Weise hat er unsere Abordnung auch hier mit eingebunden. Der von Alter und Krankheit gezeichnete Patriarch Elias II. mit seinen Stellvertretern haben sich für unsere Delegation sichtlich Mühe gegeben. Da der geschwächte Zustand des Patriarchen die Kommunikation erschwerte, bemühten sich die Stellvertreter, uns die Botschaft des Patriarchen verständlich hinüberzubringen. Dieser Besuch und der Empfang hat mir in besonderer Weise imponiert, denn es wurde sichtbar, wie Bischof Schoch als Leiter einer Minderheitskirche wahrgenommen wurde. Es zählte wohl stark der Aspekt, dass die evangelische Kirche in Tiflis von den Orthodoxen vermutlich, wie eine deutsche „Auslandskirche“ wahrgenommen wird. Und dass die Kirche nur einige wenige Gemeinden hat, spielt keine so große Rolle, sondern die Tatsache, dass diese einen Bischof als Vertreter hat.
Auch wenn wir die evangelische Kirche in Georgien als eine kleine Kirche wahrgenommen haben, so hat sie doch eine große Wirkung nach außen: in der Politik und von anderen Konfessionen wird sie als historische Kirche wahrgenommen und als wichtiger Gesprächspartner angesehen. Die Erinnerungen an die deutschen Kolonisten, die noch zu der Zeit der Zaren gekommen sind, scheinen in der georgischen Gesellschaft verankert zu sein.
Bischofsvisitator Rolf Bareis tritt nun ein Amt voller Herausforderungen an. Er ist nun dazu berufen das Zukunftsbild der kleinen evangelischen Kirche im Kaukasus weiter zu formen. Dazu wünschen wir ihm Gottes Segen und die nötige Energie!
Pfarrer Uwe Seidner / Wolkendorf
(Schluss)
Auf Besuch bei dem Patriarchen Elias II. Foto: der Verfasser
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