Mit der ADZ durchs Leben
14.03.19
„Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“, 70
Über die ADZ habe ich bei den Redaktionssitzungen der Schülerzeitschrift des Hermannstädter Pädagogischen Lyzeums, „Das 11. Gebot“, erfahren, wo ich, unter der Leitung unseres Chefredakteurs, dem Mathelehrer Radu Cretulescu, begeistert mitwirkte. Eine Journalismus-Werkstätte für Jugendliche die von den ADZ-Redakteuren Hans Frank und Werner Kremm in Reschitza/ Resita abgehalten wurden, sowie erste Veröffentlichungen in der deutschsprachigen Zeitung haben mein Interesse am geschriebenen Wort gesteigert. Ich erinnere mich auch heute noch an das Gefühl meine Gedanken und Interessen öffentlich ausdrücken, an ein breites Publikum bringen zu dürfen. Es war das Gefühl als Teenager ernst genommen zu werden. Und ich war glücklich, dass die Zeitung die junge Generation ermutigend anschaut, sodass ich auch als Studentin der Klausenburger Journalismus-Fakultät ab und an Artikel im sozialen und kulturellen Bereich für die ADZ verfasst habe. Nach einer langjährigen Pause in der ich mich als Freischaffende dem Film, insbesondere dem Dokumentarfilm gewidmet habe, fand ich den Weg zur ADZ zurück und habe die erste Festanstellung meines Lebens gewagt.
Die Freude interessante Menschen, außergewöhnliche Themen und besondere Orte oder Initiativen zu suchen oder zu entdecken und darüber zu schreiben, ist auch heute noch so groß, wie vor 25 Jahren. Es ist ein Vergnügen mit lieben Menschen (die ich leider nicht alle kenne) etwas zu teilen, was sie begeistern könnte, darum ist mein interner „Radar“ Geschichten für die Zeitung zu finden stets in Betrieb.
Ich hatte gehofft, dieselbe Begeisterung, die ich schon in jüngeren Jahren hatte, bei Jugendlichen zu finden und mit ihnen vielleicht sogar eine Seite in der „Karpatendrundschau“ zu gestalten, doch habe ich mit Enttäuschung feststellen müssen, dass für sie nun andere Interessen bestehen, wie beispielsweise die neue Technologie. Das ist verständlich in Zeiten in denen das Online-Medium, das Virtuelle das Reele ersetzt. Trotzdem hoffe ich weiterhin, dass ich vielleicht jungen Leuten begegnen werde, die uns einen Blick in ihre Welt ermöglichen, die uns erzählen was sie besorgt, bewegt, wofür sie sich begeistern. Somit könnten sie die Liebe zum Journalistenberuf kennenlernen und diesen, als Erwachsene, ausüben, auf dass wir noch viele Jahre lang Jubiläumsfeiern der ADZ feiern können.
Laura Capatana Juller
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Zwei Erinnerungen
Es war ein Septembernachmittag im Jahr 1990. Ich ging in die IV. Klasse des Honterus-Lyzeums. An dem Tag ist in der Karpatenrundschau ein riesengroßes Foto erschienen, das mich und ein paar Klassenkollegen in sächsischen Trachten zeigte. Wir waren auf einem Stadtfest in Bremgarten bei Bern aufgetreten. Im September 1990, gleich nach der Wende, sind wir zu einem Schüleraustausch in die Schweiz gefahren. Es war das erste Mal, dass wir in ein fremdes Land reisten, weit von den Eltern und von zu Hause. Ich erinnere mich, dass mir die Schweiz damals wie ein Schlaraffenland vorgekommen ist. Dort habe ich zum ersten Mal Pommes mit Ketchup gegessen und ich fand, es ist eine Delikatesse. Zum Abschied habe ich von der Familie, in der ich gewohnt habe, eine Uhr mit einer Micky-Maus auf dem Ziffernblatt bekommen. Die Uhr habe ich noch heute. Sie funktioniert nicht mehr, aber manchmal schaue ich sie an und erinnere mich an meine erste Auslandsreise. Bei der Heimfahrt, irgendwo nach Arad, standen ein paar Kinder auf dem Feld und winkten unserem Zug zu. Wir haben ihnen die Bonbons und Schokoladen aus dem Fenster geworfen, die wir aus der Schweiz gebracht haben. Und als wir wieder zu Hause waren, stand unser Foto in der Zeitung. Die Karpatenrundschau vom September 1990 habe ich nicht mehr. Aber viele Jahre danach habe ich sie in der KR-Kollektion gefunden. Und ich habe herausgefunden, dass unser Schüleraustausch damals dank einer Zusammenarbeit zwischen der Karpatenrundschau und der schweizerischen Publikation „DrWecker“ entstanden ist.
Es war ein Aprilvormittag im Jahr 1996. Damals ging ich in die IX. Klasse des Honterus-Lyzeums. Ich erinnere mich, dass ich mit zitternden Händen die ADZ durchblättert habe. Ich erinnere mich auch daran, dass die Artikel in der Zeitung von orangenfarbenen Rändern getrennt waren. An dem Tag war eine ganze Lokalseite über die Deutscholympiade erschienen, die vor einer Woche in Schäßburg stattgefunden hatte. Und der Aufsatz, den ich bei der Olympiade verfasst hatte, war auf dieser Lokalseite gedruckt. Das Gefühl, seinen Aufsatz in der Zeitung zu lesen, war damals unbeschreiblich. Ich glaube, wenige Jugendliche können das heute nachvollziehen- in einer Zeit, wo jeder im Internet veröffentlichen kann, was ihm gerade durch den Kopf geht. Den Zeitungsausschnitt über die Deutscholympiade 1996 habe ich behalten. Jetzt ist er voller Staub und die Fotos sehen unklar aus, den Text zwischen den orangenfarbenen Rändern kann man aber noch lesen.
Jetzt sind es schon fast fünf Jahre her, seitdem ich als Redakteurin bei der ADZ und der Karpatenrunschau arbeite. Aber die gemeinsame Geschichte von mir und der Zeitung hat viel früher begonnen.
Elise Wilk
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Auch Pressefreiheit ist gewöhnungsbedürftig
Nach der Wende war Pressefreiheit Wirklichkeit geworden. Daran musste man sich, nach Jahrzehnten kommunistischer Diktatur, gewöhnen. Sowohl als Zeitungsmacher als auch als Zeitungsleser. Ich sollte mich mit einem prominenten ehemaligen politischen Häftling treffen und über dessen Gedanken und Initiativen in Zusammenhang mit einem sozialen Projekt berichten. Es war ein interessantes Thema und ich war gespannt, jemanden kennenzulernen der jahrelang in einem Gefängnis, allein wegen seinen politischen und religiösen Überzeugungen, seiner Freiheit beraubt wurde. Als junger Journalist freute ich mich auch, über das schreiben zu können, was bis zu jenem Zeitpunkt als verboten galt.
Mit Aufnahmegerät, Fotogerät, Papier und Kugelschreiber stellte ich mich zum vorher abgesprochenen Termin bei meinem Gesprächspartner ein. Er freute sich, über die „Karpatenrundschau“ alte Freunde aus den Reihen der Siebenbürger Sachsen und neue Bekannte aus Deutschland die seine Projekte unterstützten, erreichen zu können. Nachdem wir auch einige gemeinsame Bekannte nennen konnten, bereitete ich mich vor, ihm einige Fragen zu stellen, die ich mir vorher ausgedacht hatte und die mir als wichtig erschienen, um diesen echten Helden möglichst überzeugend und wahrheitsgetreu vorzustellen.
Der rüstige und energische Senior, den die lange Haftzeit eher gestärkt als gebrochen hatte, kam mir zuvor: Er begann mir mit klarer, entschlossener Stimme zu diktieren, was er zu sagen und ich über ihn und sein Werk zu schreiben hatte. Er sprach frei und überzeugend – keine Hasstiraden auf seine Peiniger von einst, keine Lobeshymne auf den freien Westen. Aber auch kein Zweifel, ob er so richtig handle. Vorsorglich fragte er mich noch, ob er nicht zu schnell spreche und ob ich mit dem Nachschreiben Schritt halten könne.
Meine erste Reaktion war, den Kugelschreiber niederzulegen und meinen Gesprächspartner daran zu erinnern, dass ich als Reporter und nicht als sein Sekretär zu ihm gekommen sei. Dann aber, sekundenschnell, ging es mir durch den Kopf: Der gute Mann hatte Verhöre durchgemacht, selber Aussagen verfasst oder eben diktiert bekommen die er dann unterschreiben sollte. Zwischenfragen würden ihn sicher kränken und für ihn als Zeichen des Misstrauens gelten. In den Jahren des Kommunismus hatte er sicher, wie wir alle, erlebt, dass vorgegebene Texte eher als Propaganda und nicht als glaubwürdige Information empfunden werden. Merkte er nicht, dass sich auch in dieser Hinsicht die Zeiten geändert hatten? Oder fürchtete er, ich sei einer jener Reporter die das schreiben, was sie wollen, egal was sie zu hören bekommen? Vor unserem Abschied stellte ich ihm noch einige meiner ursprünglichen Fragen auf die er bereitwillig und ohne Zögern antwortete.
Mein Bericht war selbstverständlich nicht der Abdruck seiner diktierten Rede. Als wir uns wieder trafen, dankte er mir für mein Interesse und meine Arbeit und wollte unbedingt weiter in Verbindung mit der KR bleiben. Ich meinerseits hatte etwas hinzugelernt: Pressefreiheit ist nichts Selbstverständliches. Außer Mut setzt sie auch Vertrauen voraus.
Ralf Sudrigian
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Immer ein treuer Wegbegleiter seit 70 Jahren gewesen
Eine meiner Kindheitserinnerungen bezieht sich auf die Tageszeitung „Neuer Weg“. Natürlich damals nicht als Leser der ich erst nach Jahren wurde nachdem ich selbst den Beruf als Zeitungsschreiber ausübte, sondern als stiller Beobachter meines Vaters. Täglich wartete er darauf, dass der Postbote die auch vom Format und Umfang her, große deutschsprachige Zeitung ins Haus brachte. Zum Leidwesen meiner Mutter breitete er diese gleich auf den großen Tisch in der Küche aus, so dass nur noch ein kleiner Raum ihr für die Vorbereitung des Mittagessens zu Verfügung stand. Mit der Zigarette im Mund und der Lesebrille auf der Nase ging er die Seiten durch um sich auf die für ihn interessanten Nachrichten zu konzentrieren. Dieses waren vor allem die Informationen, Berichte, Reportagen die sich auf Kronstadt und dem Umfeld bezogen. Den oft veröffentlichten „offiziellen“ Materialien schenkte er keine Bedeutung. Und am Ende gab er oft Luft seiner Unzufriedenheit: „Wieder haben diese nur über das Banat und kaum etwas über Kronstadt geschrieben“. Natürlich über unseren Wohnort Z²rne{ti der rumänisch geprägt war und wohin meine Eltern aus Bukarest wegen den Kriegswirren verschlagen worden waren, war nichts darin oder in Ausnahmefällen etwas zu lesen. Trotzdem war der „Neuer Weg“ doch ein treuer Wegbegleiter auch schon wenn es mehr um die Pflege der Sprache ging.
In späteren Jahren als ich als Redakteur bei der Kronstädter „KR“ einstieg, kam zu seiner täglichen Lektüre auch unsere Wochenschrift hinzu. Die Umwandlung vom „Neuer Weg“ zur „Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien“, die Fusion der „Karpatenrundschau“ am 1. Januar 1996 mit der ADZ, die erlebte er nicht mehr. Hingegen war ich in den Jahren nach der Wende als Schriftleiter voll involviert in das Überleben unserer Wochenschrift bis wir als einzigen Ausweg den des Zusammenschlusses der KR mit der ADZ fanden, einen Schritt den drei Jahre vorher 1993 die „Banater Zeitung“ getan hatte. Die Herausgabe der Publikation mit den beiden Beilagen wurde finanziell vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien übernommen, und blieb somit weiterhin der treue Wegbegleiter der Leser, auch wenn deren Anzahl immer mehr gefallen ist. Bei der gegenwärtigen Situation der Printmedien fragt man sich berechtigt, hat die Zeitung eine Zukunft auch nach ihrem 70.Jubiläum? Ja, da sie zum Gemeinschaftsgefühl entscheidend beiträgt, die Anzahl ihrer Leser relativ konstant bleiben wird, es weiterhin Mitarbeiter gibt die die diese gestalten, der Geldgeber sein Interesse an der Publikation beibehält. Somit viel Erfolg und Ausdauer!
Dieter Drotleff
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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