Peter Maffay und das Kinder-Ferienheim in Radeln
14.05.09
„In jeder Hinsicht eine offene Angelegenheit“
Peter Maffay spricht über seine Stiftung und das Kinder-Ferienheim in Radeln
Sein Name ist hierzulande nicht so bekannt wie in Deutschland. Der gebürtige Kronstädter wurde dort zur Rocklegende. Peter Maffay hat seine Popularität, viel Engagement und Zeit auch im Dienste einer Stiftung („Peter Maffay Stiftung“) gestellt die in Mallorca, wo er seinen Wohnsitz hat, ein Ferienheim für traumatisierte Kinder betreibt. Nun soll über die in Reps eingeschriebene „Funda]ia Tabaluga“ in Radeln /Roade{ eine ähnliche Einrichtung entstehen. Darüber spricht der deutsche Star in einem Interview das er vor der Unterzeichnung des Pfarrhaus-Kaufvertrags beim Kronstädter Kirchenbezirkskonsistorium der KR gewährte.
Warum fiel die Wahl auf Radeln als Ferienheim-Standort?
Bei der Auswahl standen acht Optionen zur Verfügung. Von den vielen Kirchenburgen die es gibt, hat Architekt Sebastian Szaktilla aus seiner fachlichen Sicht aus Vorschläge gemacht. Diese Vorstellungen, die Struktur bedingt sind, sind gekoppelt an Vorgaben, die wir in unserer Stiftung beachten müssen. Gedacht ist ja, eine Einrichtung analog zu unserer Einrichtung in Spanien (Mallorca) zu bauen, wo wir seit knapp sechs Jahren traumatisierte Kinder aufnehmen, die dort Ferien verbringen. Das sind rund 250-300 Kinder im Jahr. Auch hier soll es so sein, dass traumatisierte Kinder mit schweren Lebensverhältnissen mal eine Pause machen können von ihrem Schicksal. Gleichzeitig soll das Heim auch zu einer Drehscheibe werden für Begegnungen von Kindern untereinander. Es muss in jeder Hinsicht eine offene Angelegenheit sein, vor allem in geistiger Ausrichtung. Es soll helfen, die ganzen Vorurteile die es gibt, abzubauen. Insofern sind Begegnungen und Austausch die richtigen Begriffe. Um das möglich zu machen, braucht man einige Voraussetzungen: Anbindung an Verkehrsmitteln, medizinische Versorgung falls nötig und anderes Ähnliches. In dieser Vollkommenheit gab es nicht so viele Optionen. Radeln liegt gut – ein bisschen abseits, aber nicht zu weit, und ist gut erreichbar. Die Umgebung, das Dorf ist im Dorfbild noch relativ intakt. Selbst wenn man sagen muss, dort muss dringend was geschehen, sonst kommen die Gebäude derart herunter, dass irgendwann mal nichts mehr gerettet werden kann.
Welche Kinder, von der Altersgruppe her, sollen nach Radeln kommen?
Da gibt es keine Einschränkungen. Klar, es werden Kinder und Jugendliche sein. Es geht um junge Menschen, die eine Chance haben sollen, wie andere Kinder, in ihrem Leben und den erschwerten Umständen in denen sie stecken, zurecht zu kommen. Traumatisierung ist auch dort der Fall, wo körperliche Versehrtheit existiert, vielleicht nicht einmal die eigene, vielleicht die eines Familienmitgliedes denn das strahlt dann über auf die Psyche und das Befinden dieser Kinder.
Wie werden die Gruppen ausgewählt und wie lang dauert ihr Aufenthalt im Ferienheim?
Die verschiedensten Einrichtungen in Deutschland, in Spanien, auch aus entfernten Ländern (unlängst kam eine Gruppe aus Aserbaidschan zu uns) erfahren von uns übers Internat oder über ihre Kontakte. Dann wird analysiert, ob die Kinder die zu uns kommen wollen, da die richtigen Umstände vorfinden in denen sie sich bewegen können. Wenn wir zu einem positiven Ergebnis kommen, wird ein Termin verabredet.
In Radeln haben wir etwas andere klimatische Bedingungen als auf Mallorca. Ich glaube, dass wir es da zunächst einmal mit einem geringeren Aufkommen zu tun haben werden. Hierher werden die Kinder sicherlich während der Sommerferien kommen können. Mallorca ist über das ganze Jahr verfügbar, aus Deutschland extrem gut anfliegbar. Diese Vernetzung hierher gibt es noch nicht. Im Augenblick würde das bedeuten: nach Hermannstadt einfliegen oder mit dem Zug bis Schäßburg fahren. Es ist nicht ganz so einfach.Also wird es in Radeln international zugehen?Ich bin sicher, dass das der Fall sein wird. Das ist auch unsere Absicht. Am schönsten wäre es, wenn man sowohl Kindern aus Rumänien – der Bedarf dürfte nicht unerheblich sein – eine solche Möglichkeit anbietet, wie auch Kindern aus dem Ausland, und wenn diese Aufenthalte gemeinsam stattfinden. Sie dauern in der Regel zehn Tage - zwei Wochen.Gibt es da keine Sprachbarrieren?Nicht bei den Kindern. Die einzigen Barrieren die es gibt, entstehen immer in den etwas verkorksten Köpfen von Erwachsenen. Kinder haben eine besondere Art miteinander zurecht zu kommen. Davon können wir uns dicke Scheiben abschneiden. Das merken wir auch bei uns, auf Mallorca. Kinder, die keine Ahnung von Spanisch haben, fahren ins Dorf hinunter, gehen auf den Markt und kriegen alles was sie wollen weil sie sich mit Händen und Füßen artikuleren. Und das klappt wunderbar.Sie unterschreiben heute den Kaufvertrag für das Pfarrhaus in Radeln. Wie steht es mit der Kirchenburg?Die Kirchenburg wird ins Projekt miteinbezogen. Sie bleibt natürlich, das ist ausdrücklich Wunsch der evangelischen Kirche, in Kirchenbesitz. Das finde ich auch völlig richtig. Das ist die Garantie, dass aus einer Kirchenburg nicht etwas Anderes entsteht als eine Kirchenburg. Das Pfarrhaus ist, wie soll ich ich es sagen, nicht ganz so sensibel. Kirchenburg und Pfarrhaus sehen wir als Einheit. Wir werden das Pfarrhaus renovieren und die Unterbringung der Kinder aufbauen in einem Volumen wie es jetzt schon zur Verfügung steht, also nicht, von den Bauplänen her, darüber hinaus schießen und größer werden. Den Pfarrhof und die Unterbringung der Kinder haben wir, im günstigsten Fall, im Herbst 2010 fertig und können dann die ersten Kinder hierher einladen. Wir wollen versuchen, über die Möglichkeiten die wir sehen, das notwendige Geld einzubringen, damit nachher nicht nur das Pfarrhaus renoviert dasteht, sondern auch die Kirchenburg. Es sind eigentlich zwei getrennte Sachen: die eine – Pfarrhaus und die dazugehörenden Nebenbauten gehört unserer Stiftung – räumlich gut getrennt von der Kirchenburg, und trotzdem, als Komplex, eine Einheit. Wir werden es nicht gestatten, dass am Zaun irgendwelche Menschen sich die Nase platt drücken. Das ist nicht im Sinn der Kinder. Natürlich, wenn jemand sich für die Einrichtung interessiert, können,wir, wie in Spanien, einen Tag der offenen Tür organisieren. Dann können Dorfbewohner und Leute die von weiter anreisen, sehen, was man da macht.Werden die Kinder von Mitarbeitern der Stiftung betreut?Nein, die Betreuer kommen mit den Kindern. Es ist eigentlich, nach meiner Auffassung, gar nicht anders machbar. Wenn es so sein wird wie in Spanien, haben die Kinder die uns besuchen werden, die unterschiedlichsten Hintergründe. Es gibt keinen Betreuer der all diese Hintergründe behandeln könnte. Man muss die Kinder ja kennen. Viele sind auf Betreuer angewiesen, die sie in- und auswendig kennen. Keiner von uns bei der Stiftung hat die pädagogische Bildung oder Fachkompetenzen in diesem Zusammenhang.Wir benutzen unsere Popularität als Multiplikationsplattform, als Begegnungs- und Vernetzungsplattform und andere bringen dann ihre fachlichen Kompetenzen. Diese Synergie schafft den Aufenthalt der Kinder. Wir sind eine operative Stiftung, nicht eine Briefkasten-Geschichte, und glauben schon lange daran, dass man ganz handfeste, anfassbare Dinge machen muss um vom Fleck zu kommen.Straßenkinder oder Romakinder hätten da auch Platz?Das würde ich nicht ausschließen. Es gibt sicherlich Kinder, die in Heimen untergebracht sind, die diesen Hintergrund haben. Warum nicht auch Romakinder? Kinder sind Kinder.Wie kam es zur Gründung der Peter Maffay Stiftung?Vorangegangen war ein gemeinnütziger Verein, der ein bisschen so Gießkannen mäßig, mal das Eine, mal das Andere, gemacht hat. Irgendwann haben wir gemerkt, dass wir keine Kontrolle haben über die Mittel die gespendet wurden. Alles schien uns einfach zu konturlos. Einem Zufall verdankend haben wir eine funktionierende Struktur gefunden in Tutzingen, in der Einrichtung die jetzt „Tabaluga Kinderhilfe e.V.“ heißt, wo stationär Kinder untergebracht sind. Wir spielen uns ein bisschen die Bälle zu. Am Anfang war es so, dass aus dieser Einrichtung uns Kinder in Gruppen von je 10 -14 besucht haben. Dort sitzen Freunde die uns Ratschläge bei der Auswahl der Kindergruppen geben.Aber wie kommt es, dass Sie sich um Kinder kümmern?Das ist über diese Bekanntschaft passiert. Ein Spielplatz in Tutzingen zu dem man uns verführt hat – da fehlte Geld. Da haben wir ein bisschen getrommelt und haben Geld gesammelt. Danach ist der Spielplatz entstanden. Dann haben wir auf, Einladung der Pädagogen, die Kinder beobachtet. Der Spielplatz ist im gleichen Ort, wo ich lebe. Insofern war das keine Schwierigkeit für mich, hin und wieder mal hinzugehen. Ich habe mir gesagt: „Na ja, statt irgendwo immer auf einem Trittbrett dabei zu sein und nicht zu wissen, ob das wirklich was bringt, machen wir doch gleich mal den Versuch und bauen so ein kleines Ferienhaus!“Wie steht es in Deutschland um die Spendenbereitschaft für solche Projekte?Sie ist durchschnittlich bis groß und stark abhängig von der wirtschaftlichen Lage insgesamt. Im Augenblick spüren auch wir in der Stiftung, dass die Spendenwilligkeit auf Grund von unsicheren Faktoren nicht mehr so groß ist. Die Angst ist schon dominierend, im Augenblick das Geld für die verkehrten Sachen auszugeben. Viele Leute sind sehr vorsichtig und drehen das Geld, das sie übrig hätten, fünfmal um, bevor sie es ausgeben. Aber grundsätzlich kann man nur sagen, dass die deutsche Bevölkerung sehr sozialkompetent ist. Viele verstehen die Notwendigkeit der Rückbesinnung auf die Bürger und dass man der Politik nicht überlassen kann, alles zu regeln.Besteht nicht die Gefahr gemeinnützige Projekte als Werbung zu missbrauchen?Die Gefahr ist immer da, dass einer ganz besonders gut aussehen will und dann sagt: „Ich bin ein ganz guter Mensch.“ Das hat man mir lange vorgeworfen. Also wenn heute jemand kommt und sagt: „Pass mal auf, Maffay, uns kannst du nicht täuschen. Das ist hier, im Grunde genommen, nur dafür da, damit ihr euch ein besseres Zeugnis ausstellt.“ Dann sage ich: „So arbeite du mal acht Stunden, neben der Musik die wir machen. Mach du das und riskier du dir die Zeit die dafür nötig ist und die zum Beispiel der Familie abgeht.“ Für meinen Beruf als Musiker fehlt mir oft die Zeit, Musik zu machen. Aber gleichzeitig ist es eine sehr schöne Orientierung für alle. Ich mach das ja nicht allein. Allein könnte ich gar nichts bewegen. Ich habe ein Team von Leuten, die ähnlich denken. Bisher gab es keinen wirklichen Augenblick den wir bereuen würden. Also ich würde jetzt nicht mehr aufhören wollen. Das ist einfach zu gut, das macht mir Spaß.Herzlichen Dank für dieses Gespräch!Die Fragen stellteRalf SudrigianFoto 1Peter Maffay – Ein Star mit Herz für Kinder.Foto 3Skizzenplan des Ferienheims in Radeln.Fotos: Ralf Sudrigian
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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