28 Meisterwerke aus sechs Jahrhunderten
11.03.21
Arbeiten der bedeutendsten Kronstädter Maler werden in einem neuen Bildband vorgestellt/Von Wolfgang Wittstock
28 Meisterwerke aus sechs Jahrhunderten: Auf diese knappe Formel kann der Inhalt des Bildbandes gebracht werden, den das Kronstädter Kunstmuseum kürzlich (im Herbst 2020) im eigenen Verlag herausgebracht hat. Es handelt sich um eine zweisprachige, rumänisch-englische Veröffentlichung unter dem Titel „Brasov – 6 secole de pictura în 28 de capodopere (sec. XV-XX) / Brasov – 6 Centuries of Painting in 28 Masterpieces (XV-XXth c.)”. Für Konzeption, Bildauswahl und Texte dieser präsentablen Veröffentlichung im Format Lexikon-Oktav (nach den Normen der Deutschen Bibliothek Frankfurt a.M.) zeichnet der Kunsthistoriker Dr. Radu Popica, Direktor des Kronstädter Kunstmuseums, verantwortlich, der als Kurator mehrerer bisheriger Sonderausstellungen zu verschiedenen Perioden Kronstädter Kunst und Autor der dazugehörigen Ausstellungskataloge zur Genüge bewiesen hat, dass ihm die Materie, aus der die neue Veröffentlichung schöpft, durchaus vertraut ist.
Sinn und Zweck des vorliegenden Bildbandes ist es, anhand einer begrenzten Auswahl von Gemälden zu veranschaulichen, welche Leistungen die Malerei als „klassische“ Gattung der bildenden Kunst auf lokaler Ebene in den vergangenen sechs Jahrhunderten hervorgebracht hat, und damit den Beweis zu erbringen, dass Kronstadt in der beleuchteten Zeitspanne, zumindest etappenweise, ein wichtiges künstlerisches Zentrum Siebenbürgens und des gesamten südosteuropäischen Raumes gewesen ist.
Von den 28 reproduzierten Gemälden wurden sechs im 19. Jahrhundert und 16 im 20. Jahrhundert geschaffen. Die ersten drei Jahrhunderte des durch dieses Buch abgedeckten Zeitraums sind zwar bloß durch je ein Werk repräsentiert, wobei aber alle drei kunstgeschichtlich gesehen tatsächlich von Bedeutung sind. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (ungefähre Datierung: 1477) entstand das noch der Gotik zuzurechnende Wandgemälde „Maria mit dem Jesuskind zwischen der Heiligen Katharina und der Heiligen Barbara“ über dem inneren Südportal der Schwarzen Kirche, das Werk eines anonymen Künstlers. Es folgt, als Beispiel der Renaissance-Malerei, das auf 1535 datierte Bildnis des Kronstädter Stadtrichters Lukas Hirscher III. bzw. „der Kleine“, dessen Ehefrau Apollonia nach dem Tod ihres Mannes das bekannte Kaufhaus am Marktplatz errichten ließ. Der Urheber dieses Einflüsse der Donauschule aufweisenden Meisterwerkes, das der Kronstädter Stadtrichter Josef Traugott von Schobel Ende des 18. Jahrhunderts Samuel von Brukenthal geschenkt hat und sich heute im Besitz des Brukenthalmuseums Hermannstadt befindet, wurde von Gernot Nussbächer in der Person des Gregorius Pictor alias Gregor Moler (1490?-1553) identifiziert. Fragwürdig erscheint uns die von Radu Popica im Vorwort vorgenommene Einordnung dieses Bildnisses als ältestes weltliches Staffeleibild der rumänischen Kunst („cea mai veche pictura laica de sevalet a artei românesti“), zutreffend hingegen Konrad Kleins Einordnung als das „früheste eigenständige Bildnis der siebenbürgischen Porträtgeschichte“ bzw. „das älteste siebenbürgische Individualporträt“ (Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde, Heft 2/1998).
Das sodann reproduzierte, bereits Charakteristika der Barockmalerei ankündigende Bildnis des Petrus Mederus mit seiner Familie (1664) befindet sich im Besitz der Evangelischen Stadtpfarrgemeinde A.B. Kronstadt (Honterusgemeinde). Das monumentale Gemälde zeigt in Ganzkörper-Darstellung den damaligen Kronstädter Stadtpfarrer Petrus Mederus (1606?-1678) an der Seite seiner Frau und seiner Tochter. Problematisch erscheint auch hier die Einordnung als erstes weltliches Gruppenporträt der rumänischen Kunst („primul portret de grup laic din arta româneasca”). Genauer wäre gewesen, vom ersten auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens entstandenen weltlichen Gruppen-Bildnis zu sprechen.
Das 18. Jahrhundert bzw. das Zeitalter des Barocks ist im Bildband durch drei Porträts repräsentiert, an denen vor allem die minutiöse Darstellung der damaligen Bekleidung auffällt. Es handelt sich um zwei von Johann Ölhan sen. geschaffene Bildnisse (Joseph Gottlieb Seuler von Seulen, Joseph von Drauth) und das Werk eines anonymen Meisters (Anna Maria Closius).
Ab dem 19. Jahrhundert spiegelt die Auswahl der Bilder bzw. der Maler, die diese geschaffen haben, die multiethnische Struktur der Bevölkerung Kronstadts wider. Bezeichnend ist immerhin, dass mehr als zwei Drittel der im Buch vertretenen Malerinnen und Maler Siebenbürger Sachsen oder aber zugereiste Deutsche waren. Es handelt sich um Samuel Herter (Bildnis der Otilia Boamben), Arthur Coulin („Sächsin und Szeklerin”, bekannt auch als „Burzenländer Bäuerinnen”), Arnold Siegmund (Bildnis der Hilda Wildmann), Margarete Depner („Drei Generationen”), Ernst Honigberger (Bildnis Adolf Meschendörfer), Hans Eder („Kreuzigung am Dorfrand”), Hans Mattis-Teutsch (das konstruktivistische „Der blaue Reiter”), Hermann Morres (Landschaft in Baia Mare, auch als „Landschaft mit Kastanienbäumen” bekannt), Friedrich Mieß („Herbst”), Karl Hübner („Heiliger Sebastian”), Fritz Kimm (Bildnis der Ada Hintz-Schnell), Heinrich Schunn („Gebirgslandschaft”) und Friedrich von Bömches („Toledo”). Die im Bildband vertretenen rumänischen Künstler sind Constantin Lecca, Misu Popp (mit dem bekannten Bildnis Michaels des Tapferen), Elena Mure?ianu, Elena Popea (mit einer Innenansicht der Schwarzen Kirche), Eftimie Modâlc? und Teodor Rusu. Aufgenommen wurde auch das Werk eines ungarischen Künstlers, Gustav Kollár („Hinter den Stadtmauern”), während der frühverstorbene Emerich Tamás (Selbstbildnis) als Sohn eines szeklerischen Polizeiwachmanns und einer sächsischen Bäuerin wohl beiden Kulturkreisen, dem ungarischen und dem siebenbürgisch-sächsischen, zugeordnet werden kann.
Zu jedem ganzseitig in guter Druckqualität reproduzierten Gemälde gibt es eine knappe Beschreibung samt technischen Angaben und eine kurze Künstler-Biographie. Die getroffene Bilder-Auswahl demonstriert, dass über die Jahrhunderte die wichtigen europäischen Kunstströmungen in ihren diversen Spielarten - von der Gotik über Renaissance, Barock, Klassizismus, Romantik, Realismus, Naturalismus, Impressionismus, Jugendstil, Expressionismus, Neue Sachlichkeit und bis zu Konstruktivismus und Kubismus – in Kronstadt aufmerksam rezipiert und von den hiesigen Malern im eigenen künstlerischen Schaffen kreativ assimiliert wurden.
Wo befinden sich heute die in diesem Bildband reproduzierten Meisterwerke? Die meisten – 13 der 28 – im Kronstädter Kunstmuseum. Es folgen in einer zahlenmäßigen Auflistung das Nationale Brukenthalmuseum Hermannstadt (6), das Siebenbürgische Museum Gundelsheim/Neckar (3), die Honterusgemeinde (2) sowie das Nationale Kunstmuseum Rumäniens in Bukarest, das Kunstmuseum Klausenburg, das Demokratische Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt und eine private Sammlung (je 1).
Der Bildband „Kronstadt – Malerei aus 6 Jahrhunderten in 28 Meisterwerken” kann zum günstigen Preis von 30 Lei beim Verkaufsstand des Kronstädter Kunstmuseums (Rudolfsring/Eroilor-Boulevard 21) erstanden werden.
Arthur Coulin: Burzenländer Bäuerinnen (1903, Öl auf Leinwand, Brukenthalmuseum Hermannstadt)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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