650 Jahre seit der ersten urkundlichen Erwähnung von Brenndorf
19.12.19
Gedanken zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen in Brenndorf (I) /von Siegbert Bruss
Die Festveranstaltung zur 650-Jahr-Feier fand am 4. August 2018 im Anschluss an den Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Brenndorf statt. Aus diesem Anlass verfasste Siegbert Bruss, Vorsitzender der „Dorfgemeinschaft der Brenndörfer“ (HOG Brenndorf) und Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung, einen Festvortrag, der im Folgenden wiedergegeben wird.
Vor 650 Jahren wird Brenndorf erstmals unter dem Namen villa Bathfalva erwähnt. Eine Urkunde vom 23. Juni 1368 weist auf zwei wichtige Komponenten der Ortsgeschichte hin: die Bauerngemeinschaft und den Gräfen (comes) Jacobus. Die Vorfahren des Comes Jacobus de Bathfalva hatten von den Königen Karl Robert (1310-1342) und Ludwig I. (1342-1382) Privilegien erworben, die seine Abgabenfreiheit und seinen Besitz über eine Mühle bestätigten. Aus dieser Urkunde geht hervor, dass die Gemeinde zu Beginn des 14. Jahrhunderts bereits existierte, vermutlich ist sie aber schon im 13. Jahrhundert entstanden. Brenndorf gehörte zum Kronstädter Distrikt. Aufgrund sozialer Gegensätze hatten die Bauern aus Brenndorf das Gut des Gräfen angezündet, wobei auch die beiden Urkunden, die ihre Privilegien dokumentierten, verloren gegangen waren.
In weiteren Urkunden entwickelt sich der Ortsnamen von Brigondorf (1377) über Bringindorf (1396) und Bringendorf (1397) bis zu Brengendorff (1510), Brengdorff (1526) und schließlich Brenndorf (1528) und Brendorf, wie die Gemeinde auf der Siebenbürgenkarte von Honterus (Basel 1532) genannt wird. Brigon (kurz: Brion) könnte, wie manche Historiker vermuten, vom Lokator Brigon (wallonischer Herkunft), einem Vorfahre der Brenndörfer Gräfen, herrühren oder von Brigitte abgeleitet sein.
Das „erste Gotteshaus“ in Brenndorf, eine kleine hölzerne Kapelle, die sich auf dem „Priesterberg“ am Altufer befand, war nämlich der Heiligen Brigitte geweiht, berichtet Rudolf That in der Ortschronik „Brenndorf. Ereignisse und Gestalten aus der 700-jährigen Geschichte einer siebenbürgisch-burzenländischen Gemeinde“, Hercynia-Verlag, Kipfenberg 1979.
Eine zweite Kirche, eine romanische Basilika mit einem Glockenturm, wird spätestens 1310 gebaut, so die Inschrift auf dem heutigen Kirchturm. Von dieser Kirche, die dem Heiligen Nikolaus geweiht war, haben sich bis heute nur noch Reste des Westportals unter dem heutigen Glockenturm erhalten.
Die Geschichte von Brenndorf ist geprägt von der Arbeit, dem Fleiß und der Beharrlichkeit der sächsischen Bewohner, vorwiegend Bauern, die eine fortschrittlichen Technologie besaßen und aufgeschlossen für weitere technische Neuerungen waren. Ihr Schulwesen, ihre Nachbarschaften, ihre demokratische Gemeindeverfassung haben sich über Jahrhunderte bis in die Moderne erhalten, ohne feudalisiert zu werden.
Die Geschichte Brenndorfs vollzieht sich im großen Kontext der Entwicklungen in Europa, in Siebenbürgen und vor allem im Burzenland, das vom Deutschen Ritterorden 1211-1225 maßgeblich geprägt wurde. Doch immer wieder kommt es zu Rückfällen, feindlichen Einfällen, Überschwemmungen, Bränden, Seuchen oder Erdbeben.
Als die Türken 1421, 1658 u.a. Jahren in Brenndorf einfallen, finden die Sachsen Zuflucht in ihrer Kirchenburg. Doch nicht immer gelingt ihnen das. So plündert Fürst Vlad ?epe? 1457 Brenndorf, tötet und verschleppt zahlreiche Bewohner. Brände werden in den Jahren 1568, 1627, 1679, 1686, 1737, 1867 verzeichnet. 1844 brennen 340 sächsische und 135 rumänische Häuser in Brenndorf ab. Im Jahr 1891 wird in den Burzenländer Gemeinden die Feuerwehr verpflichtend eingeführt.
Trotz dieser Rückschläge ist die Entwicklung des Dorfes beständig. Laut erster Burzenländer Bevölkerungsstatistik im Jahr 1510 gibt es 313 bewohnte Häuser in Brenndorf, schätzungsweise sind das 600 Einwohner. 1657 werden erstmals zwei rumänische Steuerzahler erwähnt. 1870 hat Brenndorf 1.837 Einwohner, davon 1.237 Sachsen, 15 Ungarn, 500 Rumänen, 88 „Neubürger“ (Zigeuner), nach Konfessionen sind 1.211 evangelisch, 598 griechisch-katholisch, 5 reformiert. 1910 leben in Brenndorf 2.395 Personen, davon 1.416 Sachsen, 878 Rumänen, 85 Ungarn und 15 andere. 1941 zählt Brenndorf 2.538 Einwohner, davon 1.391 Deutsche, das sind 54 Prozent.
Hier einige geschichtliche Daten und Fakten:
1429 wohnt in Brenndorf der älteste namentlich bekannte Orgelbauer des Landes, Johannes Teutunicus.
1444 gibt es in allen sächsischen Gemeinden des Burzenlandes Schulmeister. Im Jahr 1508 wird in Brenndorf eine Schule und 1556 ein Schulmeister erwähnt.
In der Kirche befindet sich der älteste Taufstein des Burzenlandes 1491.
1532 wird Brenndorf erstmals karthographisch dargestellt auf der Siebenbürgenkarte des bedeutenden Kronstädter Reformators und Humanisten Johannes Honterus, die in Basel erscheint.
Am 26. Oktober 1802 wird die ganze Kirche durch ein verheerendes Erdbeben zerstört. Am 26. Oktober 1806 wird die neue, geräumige Saalkirche eingeweiht, die bis heute erhalten geblieben ist. Ein neues Pfarrhaus wird 1843-1844 gebaut, 1865 werden die Ringmauern der Kirchenburg bis auf einen kleinen Teil der südöstlichen Außenmauer, die der Einfriedung des alten Friedhofes dient, abgetragen.
Nach dem Bau der Eisenbahnstrecke Kronstadt – Wien (über Schäßburg und Klausenburg) in den Jahren 1867-1873 errichtet die Firma Friedrich Czell und Söhne 1889 in der Nähe der Bahnstation Brenndorf eine große Zuckerfabrik. Die Zuckerfabrik fördert die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde und des gesamten Burzenlandes in erheblichem Maße. Es ist der einzige Industriebetrieb in Siebenbürgen, der seit 129 Jahren ununterbrochen funktioniert, auch während der beiden Weltkriege.
Eine neue Schule wird am 14. Oktober 1894 eingeweiht.
Im Jahr 1900 wird das neue Rathaus gebaut. 1913 wird das elektrische Licht in der Schule, 1914 wird die Straßenbeleuchtung in Brenndorf eingeführt.
Den Anschluss Siebenbürgens an Rumänien im Jahr 1918 haben die Siebenbürger Sachsen durch die Erklärung am 8. Januar 1919 in Mediasch begrüßt. Doch die Versprechen der Siebenbürger Rumänen, die selbst jahrhundertelang als Minderheit in Siebenbürgen gelebt hatten, werden von der zentralistischen Regierung in Bukarest nicht eingehalten. Die Wälder der evangelischen Kirche werden durch die Agrarreform 1921 zum Großteil enteignet, die Kirchensteuer muss stark erhöht werden, um die Schulen weiter tragen zu können. Die hohe Steuerlast führt zu Unzufriedenheit innerhalb der sächsischen Gemeinschaft.
1927 errichten die Dresdner Leo-Werke am Ende der Mühlgasse in Brenndorf eine Pfefferminze-Destillationsanlage, als einzige Anlage dieser Art in Rumänien und eine der größten Öldestillerien Europas. Nach 1989 wird die Fabrik privatisiert und kurz danach stellt sie ihren Betrieb ein.
In Brenndorf wurde am 3. Dezember 1929 das erste Vereinshaus eines landwirtschaftlichen Vereins in Siebenbürgen eingeweiht.
1939 wird die Schule um zwei Klassenräume und einen großen Turnsaal erweitert.
Bei der Zuckerfabrik befindet sich der Rundfunksender, der 1933/34 in Betrieb geht. Am 25. Januar 1942 werden hier -38,5 Grad Celsius, die bisher tiefste Temperatur Rumäniens, gemessen.
Otto Gliebe, Ehrenvorsitzender der Dorfgemeinschaft, schreibt: „Brenndorf hatte zu seiner Blütezeit, nach der Jahrhundertwende (1900), knapp 1.500 siebenbürgisch-sächsische Einwohner und war bis zum zweiten Weltkrieg ein blühendes Bauerndorf im Burzenland. Der Kriegseinsatz mit hohen Verlusten, die Kriegsgefangenschaft, die Deportation der arbeitsfähigen Frauen und Männer in die Sowjetunion (1945), die zwangsweise Evakuierung eines Teils der sächsischen Bevölkerung in rumänische Gebiete (1952), vor allem aber die Enteignung von Grund und Boden (1945) haben die Siebenbürger Sachsen stark dezimiert und verunsichert. Die aussichtslose Lage, den enteigneten Besitz wieder zu bekommen und die ehemals weitreichende Autonomie als Minderheit im rumänischen Staat wieder zu erlangen, hat die meisten der in Brenndorf lebenden Sachsen dahingehend stark beeinflusst, die Auswanderung in die Bundesrepublik Deutschland in Erwägung zu ziehen. Dieser Schritt wurde vor und nach der Wende (1989) von den meisten Sachsen auch vollzogen.“ (Briefe aus Brenndorf, Folge 67, Pfingsten 2009)
Schon im Ersten Weltkrieg sterben 43 Brenndörfer als Soldaten an der Front. Im Zweiten Weltkrieg sind 89 Brenndörfer gefallen bzw. vermisst. 240 Frauen und Männer in arbeitsfähigem Alter werden im Januar 1945 aus Brenndorf zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. 40 Brenndörfer sterben dabei an Kälte, Erschöpfung oder Krankheit.
Durch einen Willkürakt des kommunistischen Regimes werden 23 Familien aus Brenndorf im Mai 1952 evakuiert. Innerhalb von drei Tagen müssen sie die Ortschaft verlassen. Sie gehören zu den 2000 Burzenländer Sachsen, die in andere Gegenden Rumäniens zwangsausgesiedelt und damit entwurzelt werden.
„Die endvierziger und fünfziger Jahre, in die auch die Zwangsevakuierungen fielen, waren die Schwersten in der Geschichte unserer Gemeinschaft, die wie nie zuvor Schmach, Peinigung, Demütigung und Terror zu spüren bekam und als Reaktion darauf letztendlich die Auswanderung in die Bundesrepublik und das absehbare Ende der Sachsen in Siebenbürgen bewirkten“, schreibt Reinhardt Martini (Briefe aus Benndorf, Folge 53, Pfingsten 2002).
Fortsetzung folgt
Ludwig Rohbock: „Befestigte Kirche in Brenndorf“, aus dem dreibändigen Werk „Ungarn und Siebenbürgen in malerischen Original-Ansichten“, das 204 Stahlstiche enthält und von 1856 bis 1864 im Verlag G. G. Lange in Darmstadt erschienen ist.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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