Auf den Spuren der Dobrudschadeutschen 2016
08.12.16
Ein Menschenleben nach ihrer Umsiedlung 1940 (III)
Die Dobrudschadeutschen (neben Buchenlanddeutschen , Bessarabiendeutschen u.a.) waren ein verschwindend kleiner Teil der 1 Million Volksdeutschen die den Wartegau, laut Planung des „Reichskomissar für die Festigung deutschen Volkstums“ Heinrich Himmler germanisieren sollten. An dieser Stelle möchte ich den Begriff „Volksdeutsch“ interpretieren, der auch in der Zeit nach 1989 von deutschen Behörden, auch für uns „Siebenbürger Sachsen“ Verwendung fand. „Volksdeutsche“ ist eine Bezeichnung für jene Menschen, die nach dem Ersten Weltkrieg durch Umorganisierung von Staatsgrenzen außerhalb der Reichsgrenzen lebten. Etwas abwertend, auch als Kolonialbewohner in der Literatur zu finden.
Technisch vollzog sich die Umsiedlung identisch mit der, unmittelbar zuvor stattgefundenen, der 365.000 Bessarabiendeutschen. Als Abfahrtspunkt jedoch wurde der Donauhafen Cernavoda genutzt. Auf Ausflugsdampfern ging es 1000 km donauaufwärts Richtung Deutschland, nach Aufenthalten in jugoslawischen Sammellagern weiter per Bahn in das Deutsches Reich. Am 27.November war die Aktion abgeschlossen, nur etwa 2 Prozent blieben zurück. Im Deutschen Reich wurde nach einem Aufenthalt in etwa 100 Lagern, in der Region Mainfranken, möglicherweise auch darum, damit nicht eine kompakte Gruppe zusammen war, die Einbürgerung eingeleitet.
Ein Sonderfall betrifft die Bewohner des Dorfes Malkotsch, die mit den Einbürgerungsmaßnahmen nicht einverstanden waren. Sie merkten auch, dass das versprochene Siedlungsgebiet ein anderes war, und auch dass sie, das durch Vertreibung der polnischen und jüdischen Bevölkerung, entstandene Vakuum füllen mussten. Die deutschen Behörden handelten rigoros, und so kamen 88 Männer und 12 Frauen in die Konzentrationslager Floßenbürg und Ravensburg. Nach drei Monaten wurden diese da von der Einwanderungskommission besucht, mit dem Ergebnis „ da hat keiner mehr gewagt sich nicht einbürgern zu lassen...“. Es gibt eine Fülle von Erlebnisberichten dieser Zeit, und man muss feststellen, dass es absolut keine „Willkommenskultur“, im Gegensatz zu diesem heute so hoch gehangenen und kontroversen Begriff, gab. Im weiteren erging es den Dobrudschadeutschen wie auch den bodenständigen Bewohnern der von der Roten Armee eroberten und besetzten Gebiete: dramatische Flucht nach dem Westen, Zerstreuung, Deportation nach Sibirien, Gefangenenlager und alle weiteren traumatischen und dramatischen Widrigkeiten dieser traurigen Zeit.
Eine kurze statistische Anmerkung noch:
400 Dobrudschadeutsche verloren durch Kampfhandlungen ihr Leben (aus den Reihen der Umgesiedelten wurden die Kriegstauglichen zur Wehrmacht und vor allem Waffen SS eingezogen). Etwa 3000, die nicht mehr flüchten konnten wurden von der Sowjetischen Besatzungsmacht wieder nach Rumänien geschickt, wo sie in ihren Häusern fremde Besitzer vorfanden und eine weitere Tragödie ertragen mussten. 8500 lebten in der BRD (meistens im Raum um Heilbronn) und 2300 in der Ostzone und späteren DDR. 1500 wanderten nach Übersee aus.
Die heutige Lage
In der Bundesrepublik organisierten sich die Dobrudschadeutschen in der Landsmannschaft der Dobrudscha- und Bulgariendeutschen, nachdem auch in dieser Struktur Auflöse-Erscheinungen bemerkbar wurden, fusionierte diese mit dem Verband der Bessarabiendeutschen. In Rumänien wurde nach 1989 die Vereinigung der Deutschen in der Dobrudscha gegründet. In dem Gebäude der ehemaligen deutschen Schule, das 1901 von Frau Sophie Luther, Witwe des Bukarester Bierbrauers Luther gestiftet wurde, konnte mit Hilfe von deutschen Steuergeldern eine auch heute noch funktionierende Begegnungsstätte eingerichtet werden. Die Evangelische Gemeinde (der im Jahre 1887 immerhin 210 Mitglieder angehörten) wird heute unter großem Aufwand von der Kirchengemeinde Bukarest betreut. Das 1895 errichtete Gotteshaus verschwand im Zuge der sogenannten urbanen Systematisierung, oder (und) auch weil dieses den kommunistischen Machthabern nicht ins Stadt- und Mentalitätsbild passte, in den 1970er Jahren. Im Jahr 2016 gab es aber auch eine Trauung und Taufe.
Laut der Volkszählung von 2002 lebten im Kreis Konstanza 398 Deutsche, 2011 waren es nur noch 139. Dazu gehört auch die Tante des oft mediatisierten und als exzentrisch (um bei nur zwei Attributen zu bleiben) bekannten ehemaligen Bürgermeisters Radu Mazare, Frau Hedda Popa. Die in den Jahren des real existierenden Sozialismus noch nicht vergessene regionale Migration, unter dem Begriff „repartizare“ hat zwar noch deutschstämmige in diese Gegend gebracht, jedoch war die Zeit vorbei, dass diese eine Gemeinschaft gründen konnten. So sind die meisten doch ihrer Identität aus der Herkunftsregion treu geblieben.
WAS BLEIBT ?
Was ist heute in den ehemaligen 67, von rund 16 000 Deutschen besiedelten Dörfern geblieben? Wie wird das Andenken aufrechterhalten? Sind die Erinnerungen vorhanden oder nur virtueller Art? Gibt es eine Zukunft für diese Erinnerungen? Was ist noch erkennbar, oder im Gedächtnis und Wissen der dort lebenden Bevölkerung? Die Antworten auf diese, schon fast bedrückenden Fragen sind meines Erachtens eher dürftig und ernüchternd.
Obwohl in letzten Jahren diverse Dokumentationen und Studien zu diesem Thema verfasst wurden, sind die Spuren aller Art doch sehr verblasst. Nur ein guter Kenner und Beobachter kann anhand der heute noch stehenden Bauten die Präsenz der hier lebenden Deutschen feststellen, die gewissermaßen einen Kontrast zu dem dortig üblichen Baustil bilden. So sind die von deutschen Siedlern erbauten Häuser z.B. an einer solideren Bauweise zu erkennen, der Hof befindet sich hinter dem Wohnhaus. Die Kirchen sind, soweit von anderen Konfessionen übernommen, bis auf wenige Beispiele, schwer mit dem Ur-Erscheinungsbild zu identifizieren. Es gibt aber dennoch viele, fast paradoxerweise, in besserem Bauzustand als in Siebenbürgen. Die überall außerhalb des Dorfbildes gelegenen Friedhöfe sind von wilder Vegetation überwuchert, die Natur holt sich diese Flächen zurück. Ein etwas merkwürdig anmutendes Beispiel ist die ehemalige Evangelische Kirche in Kolelia. Diese Ortschaft wurde bis 1966 komplett entvölkert, das Dorf ist gänzlich verschwunden. Die Kirche war die einzige, in dieser Öde weit sichtbare Ruine, wurde aber dann (mit kräftigen Finanzspritzen vom wohlbekannten Herren Gigi Becali) zu einem orthodoxen Nonnenkloster umgebaut, in dem sogar eine soziale Einrichtung funktioniert. Die katholische Kirche aus Malkotsch ist Objekt eines Restaurierungsversuchs geworden, eine geplante Maßnahme, wo man gespannt bleiben darf, ob Aussichten bestehen, ein Erfolg zu werden, obwohl der rührige katholische Pfarrer aus Tulcea, sowie Politiker aus Bukarest, die hier ihre Wurzeln haben, sich dafür einsetzen.
Ortwin Hellmann
(Schluss)
Einige deutsche Familiennamen deuten noch auf eine deutsche Ansiedlung hin. Foto: privat
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