Aus der Geschichte der Zigeuner
13.07.17
Kurze Skizze
In der monumentalen „Geschichte des Eisens“ von Ludwig Beck (dem Vater des Generals Ludwig Beck, der im Zusammenhang mit dem Putschversuch vom 20. Juli 1944 zum Selbstmord gezwungen wurde) habe ich einen Abschnitt über die Zigeuner gefunden, der, da er sich auch auf Siebenbürgen bezieht, auch für uns Heutige interessant sein kann. Es folgt dieser Abschnitt ungekürzt und mit der Orthographie des ausgehenden 19. Jahrhunderts, also noch bevor die Reform der deutschen Sprache von Duden eingeführt wurde.
Beck schreibt:
„Europa kam mit der Eisenindustrie der Indier nicht allein durch den Handel in Berührung sondern die indische Eisengewinnung ist im Mittelalter direkt nach Europa importiert worden durch die Zigeuner. Dass diese aus Indien stammen kann nicht mehr bezweifelt werden, wenn sie sich auch selbst, um sich ein größeres Ansehen zu geben und um als von Jerusalem heimkehrende Pilger sich Schutzbriefe zu erwirken, Ägypter oder eigentlich Pharao Nephek, 'Volk Pharaos', genannt haben. Ihre Sprache ist mit dem Sanskrit nahe verwandt. Sie wandern heute noch zahlreich in lndien und Persien. Einer der Namen, die sie sich selbst beilegen ist Sinte, d. h. Indier. In Aserbidscham (heute Aserbeidschan) im nördlichen Persien nennt man sie Hindu Karusch, d. h. schwarze Indier. In Syrien heißen sie Kabuli, d. i. Leute aus dem Kabulthal. Diese Namen geben uns nähere Aufklärung über ihre Herkunft. Sie stammen aus dem nördlichen Indien. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie einen Stamm bildeten, ähnlich den oben erwähnten Kohata, die das Schmiedegewerbe, namentlich die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens als Hauptbeschäftigung schon in ihrer Heimat betrieben und die durch Timurs Kriegszug nach Indien 1398 aus ihrer Heimat verdrängt wurden. Es ist leicht möglich, dass Timur, der in vielen Dingen an die großen Kriegsfürsten Assyriens erinnert, den ganzen Stamm mit Gewalt fortgeführt hat, ähnlich wie er alle Schmiede und Eisenarbeiter aus Damaskus nach seiner Hauptstadt Samarkand und nach anderen Städten geschleppt hat. Es gelang ihm aber nicht, die Zigeuner anzusiedeln, wie sie auch in ihrer eigenen Heimat wahrscheinlich nicht sesshaft gewesen waren und so hatte diese gewaltsame Wegführung nur zur Folge, dass sie sich, ähnlich wie durch gleiche Veranlassung die Juden, über die ganze Welt verbreiteten. Sicher ist, dass sie sich zum Anfang des 15. Jahrhunderts zuerst über Westasien, dann über ganz Europa und Nordafrika ausbreiteten. Am meisten folgten sie den Kriegs- und Siegeszügen der Türken. Noch heutzutage sind sie in der Türkei am zahlreichsten, wo etwa 200.000 leben, danach sind sie am meisten verbreitet in den Grenzländern der Türkei, besonders in Siebenbürgen und Ungarn. In Siebenbürgen betreiben sie noch das Goldwaschen und dort nennt man diese Goldwäscher Rudari oder Aurari. In der Türkei wie in Ungarn und Siebenbürgen beschäftigen sie sich noch ganz vorzugsweise mit der Gewinnung und Verarbeitung des Eisens. Diese Schmiedezigeuner heißen in der Türkei Demirdschiler. Sie bekennen sich zu der mohammedanischen Religion, durchziehen hausierend das Land und kommen nur selten nach Konstantinopel, wenn dies geschieht, so kampieren sie in schwarzen Filzzelten außerhalb Pera bei dem Kavilierplatz. In Siebenbürgen und Ungarn betreiben sie neben dem Schmiedehandwerk und der Drahtflechterei auch noch die Gewinnung des Eisens. Ihr Verfahren ist höchst einfach und gleicht außerordentlich dem Verfahren der Kohata und der Schmiede von Orissa. Das Schmelzen geschieht in einfachen Gruben, die in die Erde gegraben sind, mit Hilfe von Handbälgen. Diese Schmelzvorrichtungen der Zigeuner heißen im Volksmunde Heidenfeuer. Die Schmiede in Südungarn, sowie zum Teil selbst die slowakischen Draht- und Blecharbeiter, die besonders als Mausfallenhändler Deutschland durchziehen und an einzelnen Orten, wie z. B. in Schierstein bei Wiesbaden, förmlich Kolonien gebildet haben, beziehen, bzw. bezogen früher in ihrer Heimat ihr Eisen vielfach von den 'Heiden', d. h. von den Zigeunern.“
So weit Beck. Hier will ich noch eine selbst erlebte Begebenheit vom Ende der -50 er Jahre erzählen: Im Traktorenwerk brauchte man für die Holzkisten, in denen die Traktoren exportiert wurden, viele Holzbohrer. In der gut eingerichteten Werkzeugmacherei des Werkes gelang es nicht, diese Bohrer in entsprechender Qualität herzustellen. Da stellte sich ein „Bulibasa“ ein und versprach für einen annehmbaren Preis diese Bohrer in der benötigten Anzahl und Güte zu produzieren. Seine Bedingung war, ihm eine bestimmte Quantität eines ganz normalen Baustahles zur Verfügung zu stellen und ihm einen Raum außerhalb der Hallen anzuweisen, zu dem niemand Zutritt erhalten dürfe. Der damalige Chef des Werkzeugbaus (der an der Hochschule einer meiner Lehrer war), akzeptierte die Bedingungen unter dem Spott seiner Kollegen. Aber der Zigeuner (damals wussten wir von Sintis und Romas noch nichts) hielt Wort, noch viele Jahre später waren die „sfârleze tiganesti“ (Zigeunerbohrer) von den Tischlern sehr gesucht.
Erwin Hellmann
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