Bartholomäer Chorschule
13.10.08
„Für die Hebung des Kirchengesangs und die Verbreitung schöner und guter Lieder“
Festrede zur 130. Feier der Bartholomaer Chorschule, gehalten von PAUL CRISTIAN anlässlich des Bartholomaeus-Festes 2008
Die Gründung der Bartholomäer Chorschule im Jahre 1878 „fällt in einer Zeit in der der Aufschwung der Gemeinde nach allen Richtungen mit einer Entschiedenheit anhebt, wie ihn die Gemeinde vorher wohl noch nie erlebt hat“ heißt es 1903 im Festbericht zum 25-jährigem Bestehen der Bartholomaer Chorschule.
In der zweiten Hälfte des 19. und zu beginn des 20. Jahrhunderts kann man in Kronstadt von einem Aufblühen der vokalen und instrumentalen Musik sprechen. Im Jahre 1859 wird der Kronstädter Männergesangsverein gegründet (dem 1877 auch ein Frauenchor angegliedert wird). 1887 wird auch der Bartholomäer Männerchor gegründet. Ebenfalls wichtig, besonders für die Operettenaufführungen, war der Kronstädter Deutsche Liederkranz. 1894 gründet Rudolf Lassel den Kronstädter evangelischen Schülerkirchenchor der die Bachpflege in Kronstadt begann.
Die deutschen Gesangsvereine Siebenbürgens waren im siebenbürgisch-sächsischen Sängerbund zusammengefasst. Diese Gesangsvereine beschränkten sich anfangs wie H.P. Türk bemerkt „auf sogenannte Liedertafeln, wobei bei gedeckten Tischen ein buntes musikalisches Programm aufgeführt wurde. Dabei gelangten Männerchöre, gemischte Chöre, Lieder mit Klavierbegleitung und kürzere Orchesterstücke (von der Stadtkapelle gespielt) zu Gehör“.Die Liedertafeln hatten einem heiteren, unterhaltsamen Charakter und waren meist von Tanz gefolgt. Mit der Zeit wurden auch anspruchsvollere Chorwerke großer Komponisten und sogar vokal-symphonische Werke aufgeführt. Die Stadtkapelle unterstützte die Konzerte der Gesangsvereine und bildete den Kern für die 1878 gegründete Kronstädter Philharmonische Gesellschaft.
Die Anfänge der Pflege des Chorgesangs in dieser Form in der Bartholomäer Gemeinde sind in den 50er Jahren des 19.Jahrhunderts zu verzeichnen, als der Lehrer Georg Thieß einen Kinderchor gegründet und geleitet hat.
Im Jahre 1877 wurde ein neuer Pfarrer in der Bartholomäer Gemeinde gewählt. Um den neuen Pfarrer Johann Hubbes würdig zu empfangen „scharte dann der damalige junge Lehrer Wilhelm Morres eine Anzahl jüngerer Männer und Burschen um sich zur Pflege des vierstimmigen Männergesanges“. Ein Teil dieser Sänger entsprangen dem von Georg Thieß gegründeten Kinderchor.
Das erste öffentliche Auftreten der Sänger bei der Einführung des neuen Pfarrers, am 17. Dezember 1877, hat dem Sängern so viel Freude bereitet, dass sie beschlossen, eine Chorgesellschaft zu bilden mit Wilhelm Morres wurde als Vorstand und Chormeister und Josef Ziske als Kassierer.
Im ersten Jahr wurden Chorlieder von Kreutzer, Silcher, Wilhelm, Schubert, Mendelssohn-Bartholdy und Volkslieder gesungen.
Am 1. November 1878 bekam die Chorvereinigung einen festeren organisatorischen Status, bestimmte die Satzungen und trat unter dem Namen „Bartholomäer Chorschule“ auf.
Der Ausschuss der Bartholomäer Chorschule bestand aus: Vorstand - Rektor Wilhelm Morres; 1. Chormeister - Thomas Schunn; 2. Chormeister - Organist Christian Salmen; Kassier - Josef Ziske; Georg Salmen und Johann Gusheth - Kontrolleure. Dieser Chor war aus 32 Männern gebildet. Die Arbeitsziele der Bartholomäer Chorschule sind aus ihren Satzungen zu entnehmen, wo es bei §1 wie folgt heißt:
„Die Bartholomäer Chorschule hat den Zweck, den mehrstimmigen Kirchengesang, ebenso das einfache Volkslied zu pflegen, um einerseits für die Hebung des Kirchengesangs, anderseits für die Verbreitung schöner und guter Lieder in der Gemeinde zu wirken.
Dieser Zweck soll durch gemeinsame Gesangsübungen wenigstens einmal in der Woche und das Ergebnis durch öffentliche Gesangsproduktionen teils in der Kirche, teils in der Schule dargeboten werden.“
Den Satzungen entnehmen wir unter anderem auch die Pflicht der ausübenden Mitglieder, sich in den Gesangsproben eines anständigen Benehmens zu befleißigen und während den Proben das Rauchen zu unterlassen.
Der erste öffentliche Auftritt der Chorschule findet am 23 November 1878 mit folgendem Programm statt:
„Die Abendglocken klingen“ von Fr. Abt
„Süsser Hauch“ von C. Kreutzer
Soloquartett „Wenn die Quellen“ von C. Härer
„Blaue Luft“, Volkslied
Humoristisches Duett von Heinze gesungen von Thomas Schunn und Friedr. Salmen, Klavierbegleitung Paul Richter
Jucheia juchei
„Schlummere sanft“ von Schulze
Gefolgt von Tanzunterhaltung.
Der ursprüngliche Männerchor der Chorschule verwandelte sich 1882 in einen gemischten Chor in dem 27 Herren und 26 Mädchen sangen. Von diesem Zeitpunkt an bestand der Chor ausschließlich aus Jugendlichen, und es war ein Bestreben, die ganze Jugend der Gemeinde in der Chorschule zu vereinigen.
Über den Mitgliederstand entnehmen wir dem Festbericht, dass die Bartholomäer Chorschule zu ihrem Beginn die geringste Mitgliederzahl, 32, hatte, später nie unter 70 und 1898 sogar 156 Mitglieder betrug. Die Zahl der unterstützenden Mitglieder war anfangs gering, im Jahre 1903 betrug sie dann immerhin 267.
In den ersten 25 Jahren des Bestehens hat sich die Chorschule eine schöne Musikbibliothek anschaffen können. In den 116 Partituren sind Werke für Männerchor, gemischter Chor, Kirchenchor, Lieder mit Klavierbegleitung , Volksgesänge, Duette, Terzette verschiedener Komponisten sowie auch sächsische Lieder und Chöre zu finden.
Unter den Unternehmungen der Bartholomaer Chorschule werden in der Festschrift folgende hervorgehoben:
1.Die regelmäßige Beteiligung am Schulfest, das durch die Chorschule wesentlich gehoben wurde.
2.Die Teilnahme an unseren Familienabenden sowie seit den letzten Jahren an den Volksunterhaltungen der Inneren Stadt.
3.Namenstagständchen den Würdenträger der Gemeinde
4.Auftreten vor Bischof Teutsch bei der Kirchenvisitation 1879
5.Die Begründung der Burzenländer Volksliedertafel in Gemeinschaft des Kronstädter Liederkranzes
6.Teilnahme an Volksliedertafeln (Wolkendorf 1887, Rothbach 1889, Schirkanyen 1891, Innere Stadt 1894, Tartlau 1897, Heldsdorf 1899)
7.Organisieren der großartigen Liedertafel in Bartholomae 1893 „wo 500 Burzenländer Sänger von einer riesigen Tribüne herab in der Reitschule ihre Lieder erschallen ließen“.
8. 6 Aufführungen zugunsten der Schulreisefonds mit Gesangsspielen, Märchen mit Gesang, Singspielen.
Die Chorschule feierte ihr zehnjähriges Bestehen 1888 auf bescheidene Weise beim Jahresabschlussabend. Die 20-jährige Feier 1897 wurde durch eine Festversammlung in der Kirche, Bericht des Vorstandes und Festessen begangen. Beim 25-jährigem Bestehen der Bartholomäer Chorschule wurden für hervorragende Dienste Vorstand Wilhelm Morres „der das Innenleben der Chorschulein wachsamer Weise 25 Jahre hindurch behütet hat“ und Chormeister Thomas Salmen geehrt, der „mit außerordentlichem Fleiß, mit viel Ausdauer und Hingebung die musikalischen Übungen und Aufführungen der Schule geleitet hat, und nicht nur zur musikalischen, sondern auch zur sittlichen Erziehung der Jugend beigetragen hat“. Geehrt wurden auch die Lehrer, die „als Leiter der theatralischen Aufführungen mit viel Fleiß und Hingebung sich der Sache der Chorschule gewidmet haben.“
Bis 1899 wurden die Proben und Aufführungen im alten Schulsaal gehalten. Nach dem Bau des neuen Gemeindehauses der Bartholomäer Kirchengemeinde übersiedelte die Chorschule in ein Gebäude das „in seinem bequemen Probezimmer und in seinen beiden Sälen wunderbare Räume für die Übungen und Aufführungen des Chores“ bieten konnten.
1900 wurden im großen Saal eine von Bulhardt ausgeführte Bühne mit 3 Szenen aufgestellt was die „Aufführungen der Chorschule auch äußerlich recht anziehend machten“.
In der erste Hälfte des 20.Jahrhunderts. wird das Bartholomäer Gemeindehaus zum Mittelpunkt des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens der Gemeinde, wo verschiedene Vereine ihre musikalischen und theatralischen Auftritte hatten – zum Beispiel der Bartholomäer Männerchor, das Altstädter Kasino, Familienabende der Bartholomäer Bruderschaft u.a..
Über die 50jährige Feier der Chorschule berichtet die Kronstädter Zeitung vom 28. Dezember:
„ Die Bartholomäer Chorschule beging am zweiten Weihnachtstage in schlichter Weise, aber unter lebhafter Teilnahme der Gemeinde, das Gedenkfest ihres 50jährigen Bestehens. Drei Tage vor der Gründung des Bartholomäer Frauenvereins am 23 November 1878 hat die erste Probe unter dem Konrektor Thomas Schunn stattgefunden der beim 25jährigen Gedenkfest noch immer den Taktstock führte und zugleich sein 40jähriges Lehrerjubiläum feierte. Seither sind wieder 25 Jahre vergangen in denen die Chorschule ihrer edlen Aufgabe nachstrebte.
Im Mittelpunkt der auch sonst üblichen Weihnachtsaufführungen stand diesmal die Gedenkrede des jetzigen zweiten Vorstehers, Prediger Hans Salmen, der in gedrängtem klarem Bild das Wichtigste aus der 50jährigen Tätigkeit hervorhob und die Aufgaben der Zukunft zeichnete. Prediger in Pension Wilhelm Morres hatte als Mitbegründer einen schriftlichen Gruß gesandt. Die musikalischen Darbietungen wurden vom Chormeister Lehrer Otto Prömm geleitet und fanden mit Recht wegen ihrer geschmacksvollen Auswahl, feinen Durcharbeitung und ansprechender Wiedergabe den größten Beifall. Auch ein sächsisches Lustspiel durfte nicht fehlen, das diesmal in Hans Lienerts „Der Licht“ mit seinen drei Aufzügen geboten wurde und unter der eifrigen Leitung des Lehrers Hans Bruß trotz der jungen und zumeist zum erstenmal auftretenden Bühnenkräfte zur trefflichen Darstellung gelangte. Ein Tanz zu den Klängen der Militärmusik schloss das schöne Fest.“
Nach 1945 war ein gemischter Kirchenchor in Bartholomae aktiv, der 1999 zum letzten Mal öffentlich unter der Leitung von Erika Lehni auftrat als in dem Jahr in Bartholomae das Burzenländer Kirchenchortreffen organisiert wurde.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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