Der Kaiser zu Gast
20.08.20
Der Besuch des Kaisers Joseph II. in Kronstadt im Juni 1783
Der Bericht, den Georg Michael Gottlieb von Herrmann in seinem „Das Alte und Neue Kronstadt“ über den Besuch des Kaisers Joseph II. In Siebenbürgen und Kronstadt im Sommer des Jahres 1783 gibt, ist wohl für die Meisten unserer Leser nicht bekannt. Deshalb wollte ich diesen Bericht wieder in das Bewusstsein rufen. Hier folgt in gekürzter Form und an die heutige Rechtschreibung angepasst dieser Bericht.
Der Kaiser wollte indessen mit eigenen Augen sehen und prüfen. In dieser Absicht bereiste er 1783 auf das Neue Ungarn und Siebenbürgen. Am 22. Mai abends kam ein Kurier mit zwei, den 14. Mai in Peterwardein (heute Petrovaradin in der Vojvodina in Serbien) an den Gouverneur und an den kommandierenden General erlassenen Handbillets in Hermannstadt an und brachte die Nachricht, dass der Kaiser auf Siebenbürgen zu kommen entschlossen sei und nur die erforderlichen Vorspann auf den schon vorgezeichneten Stationen fertig gehalten werden möchte. Diese bestand in neun Zügen zu sechs und dann zehn Reitpferde. Im Gefolge waren:
• ein zweisitziger Schwimmer (ich konnte nicht herausfinden um was für ein Fuhrwerk es sich handelt, wahrscheinlich eine bessere Kutsche) für den Kaiser und den General Colloredo
• eine Kalesche für den Generalmajor von Zehender und dessen Adjutanten
• eine Kanzlei – Kalesche für die zwei Kabinetts Konzipisten (Schreiber)
• eine Garderobe – Kalesche für den Leibchirurgen Brambilla und den Adjutanten des Generals Coloredo, Oberleutnant Beddaeus (Bedeus von Scharnberg)
• zwei Kurier – Kaleschen mit zwei Nobel Gardisten
• zwei „Kuchel“ Kaleschen
• eine kleine Kalesche mit Domestiken vom kaiserlichen Gefolge.
Eine Kuchel Kalesche und eine Kurierkalesche gingen immer einen Tag voraus.
Der Kaiser machte nebst Gefolge den Weg von Munkacs (heute Ukraine) nach Hermannstadt meist reitend, wozu die zehn vorbestellten Reitpferde dienten, die wie die Viktualien (Verpflegung) wieder, wie bei der vorigen Siebenbürgenreise auf den Stationen bereit gehalten wurden. Zur kaiserlichen Tafel wurde unterwegs immer das ganze Gefolge ohne Ausnahme hinzugezogen.
Der kommandierende General, Freiherr von Preiß, der Gubernator Freiherr von Brukenthal und der Ober- Landeskommissionär Graf Wolfgang Kemény zogen am 29. Mai dem Kaiser bis Deva entgegen. Der Kaiser war am 28. Mai von Lugosch abgereist und traf noch an diesem Tag in Deva ein. Am 29. wartete er den Gottesdienst in Deva ab und zog dann weiter nach Karlsburg (Alba Julia) wo er den ganzen 30. Mai verblieb. Hier bestimmte er, dass das Studium Theologicum nach Klausenburg verlegt werden solle. Die frei werdende Gebäude, inklusiv der Ex- Jesuitenkirche sollten dem Militär überlasen werden. In Klausenburg sollte die Unterkunft in Militärgebäuden sicher gestellt werden .
Am 31. Mai traf der Kaiser halb zwei in Hermannstadt ein, auf einem Bauernpferd reitend, das er in Reußmarkt bestiegen hatte, mit ihm General Colloredo, beide vollständig mit Morast bespritzt. Sie kehrten in dem Gasthof ein, der ihm zu Ehren und zum Andenken des schon 1773 hier genommenen Quartiers den Namen „Römischer Kaiser“ erhalten hatte.
Die folgenden Tage verbrachte der Kaiser mit Audienzen, schriftlichen Arbeiten und Besuchen im Roten Turm Pass, bei Militäreinrichtungen, dem kranken General Barco, der Hermannstädter Schule, sowie einen Abend im Bruckenthalpalast.
Am 6. Juni reiste er von Hermannstadt nach Mittag auf Kronstadt.
Am 7. Juni erreichte der Kaiser Kronstadt. Bei seinem ersten Besuch 1773 war er über Tohani gekommen, jetzt kam er über über Zeiden. Wie er aus dem Zeidner Wald ins Freie kam, brach er im Blick auf das Burzenland in die Worte aus: „Ah! Das ist ein schöner Garten!“
In der Stadt traf er gegen 3 Uhr zu Pferde ein und nahm wieder bei dem Stadtrichter Michael von Fronius Quartier.
Am 8. Juni, Pfingstsonntag, besuchte er den Gottesdienst in der katholischen Kirche, anschließend besuchte er die evangelische Pfarrkirche, wo er eine Weile die Predigt des Stadtpfarrers Georg Preidt anhörte. So fremd ihm jedes Aufsehen war, konnte er doch nicht verhindern dass die Gemeinde bei seinem Eintritt in die Kirche aufstand. Er versuchte es bei dem nächsten Weiberstuhl zu wehren und drückte die hier zuerst aufstehenden Weibsperson auf den Sitz nieder, aber alle übrigen blieben stehen; vielleicht war dieses die Ursache , dass er sich nur etwa 10 – 12 Minuten in der Kirche aufhielt und hierauf in die innere Stadt verfügte und auch dort die walachische (orthodoxe) Kirche sowohl als die Militärschule besichtigte, worauf er in der Schwarzen Gasse das Militärspital und nach eingenommenem Mittagsmahl das hier in Garnison liegende Oroßische Feldbataillon in Augenschein nahm und sich noch diesen Tag auf Kezdi Vasarhely (Târgu Secuiesc) begab.
Anhaltende Regenfälle und dadurch verursachte Überschwemmungen hatten allenthalben die Straßen verdorben. Der Kaiser setzte, um ihnen auszuweichen, von Kronstadt aus seinen Weg über die höchsten Berge zu Pferde fort. Damit aber auch die Wagen nachkommen konnten, mussten 50 Bauern mit Räumung der unter Wegs befindlichen Gesträuche und Abhauen der Bäume Platz machen.
So kam er nach Überwindung aller Schwierigkeiten über Csik Szereda (Miecurea Ciucului) am 11. Juni in Bistritz an. Am 12. Juni ruhte er hier aus, erledigte aber noch einige Geschäfte, darunter ein Auftrag zur Herstellung der Kommunikations- Straßen im Lande, um wie die Worte des königlichen Handbillets lauten, keine Hindernisse zu finden, wenn jemals in Siebenbürgen etwas offensive oder defensive vorgenommen werden sollte. 50.000 Rfl. (Reichs Gulden) wurden hierzu aus der Landeskassa bestimmt und vom Kaiser 5 Punkte bezeichnet, auf welchen die Straßen hergestellt werden sollten, benanntlich:
1. Von Hermannstadt nach Fogarasch auf dem rechten Ufer des Altflusses von Glimboca bis zur Fogarascher Brücke.(Zu bemerken ist, dass heute die Straße auf dem linken Ufer des Altes verläuft)
2. Von Fogarasch nach Kronstadt über den Vledenyer (Vl?deni) Weg bis Zeiden.
3. Von Kronstadt aus nach Csik Szereda über Tartlau längs dem Altfluss.
4. Von Udvarhely (Odorhei) aus dem Tal der Kockel über Alfalu (?) nach Csik Szereda
5. Von Csik Sz. Miklos (Mih?ileni) über Ditro (Ditr?u) oder Remetea nach Topli?a und Remetsel gegen Bistritz oder Borgo.
Hand- und Zugarbeit sollte dem gemeinen Mann aus den gewidmeten 50.000 Gulden vergütet werden und sich der Gubernator wegen der Art, wie solches am schicklichsten auszuführen sei, mit dem kommandierenden General ein vernehmen.
Am 13. Juni reiste der Kaiser von Bistritz ab und setzte den Weg zu Pferde über die jähen und unwegsamen Jaader (Livezile) Berge fort und verließ bei Kukuruzza (?) die Siebenbürgische Grenze und nahm seinen Rückweg über Lemberg, von wannen er den 24. Juni 1783 verfügte, dass der Borgoer Pass sogleich eröffnet und die Straße über denselben in die Bukowina angelegt, dabei aber die der Bethlenischen Familie zugehörigen vier Dörfer, unter welchen Borgo der Hauptort war, zum Grenz- Stand eingezogen und der Familie dafür ein Äquivalent ausgemacht werden solle.
18 Tage dauerte sein Aufenthalt in Siebenbürgen. Die dadurch veranlassten und bereits bewirkten kaiserlichen Anstalten umfassten auch das Kronstädter Bergschloss, dessen innere und äußere Gebäude völlig verfallen waren und dermalen auf öffentliche Kosten von Grund aus hergestellt und nach den neuen Fortifikationsgrundsätzen gemodelt wurden.
Erwin Hellmann
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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