Der kommunistische Sicherheitsapparat und die deutsche Bevölkerung Polens
06.01.22
Dokumentation in zwei inhaltsreichen Bänden vom Forschungszentrum der Deutschen Minderheit herausgegeben
Kürzlich traf beim Demokratischen Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt (DFDKK) eine Buchsendung seitens des Forschungszentrums der Deutschen Minderheit mit dem Sitz in Opole ein die sofort unsere Aufmerksamkeit erregte und auch unseren Lesern vorstellen wollen. Es handelt sich um zwei Dokumentationsbände erschienen unter dem Titel "Der kommunistische Sicherheitsapparat und die deutsche Bevölkerung in Oberschlesien zwischen 1945 und 1990" dessen Autor Zbigniew Bereszynski ist, und "Im Visier des Sicherheitsapparats. Die Repression der deutschen Minderheit in den polnischen West- und Nordgebieten (1945 - 1989)“ dessen Herausgeber Michal Matheja ist.Beide Bände können nun in der Bibliothek des Kronstädter Forums eingesehen werden, und werden sicher das Interesse der Forscher und Historiker erwecken, da es zwischen den Sicherheitsapparaten Polens und Rumäniens viele Ähnlichkeiten besonderes was die repressiven Maßnahmen betrifft gab. Gleiches gilt auch für die deutschen Minderheiten der beiden Länder. Über die rumänische Securitate ist in unserer Wochenschrift auch kürzlich eine diesbezügliche Dokumentation unseres Redaktionskollegen Ralf Sudrigian zu lesen gewesen die in mehreren Folgen erschien, und sich auf den Kronstädter Sicherheitsdienst und seine besondere Aufmerksamkeit auf die hiesigen deutschsprachigen Angehörigen in den kommunistischen Jahren bezog.
In dem Begleitschreiben der beiden Dokumentationsbände aus Opole gezeichnet von Ewa Czeczor, wissenschaftliche Assistentin des Forschungszentrums der Deutschen Minderheit, wird vermerkt, dass diese ursprünglich in polnischer Sprache erschienen sind "...und nun im ersten eigenständigen Tätigkeitsjahr des Forschungszentrums herausgegeben wurden. Mit der Verbreitung des Wissens um die eigene Vergangenheit setzt das Forschungszentrum seine vorgeschriebenen Projektziele um und möchte ein möglichst breites Leserpublikum erreichen". Was nun auch jenseits der polnischen Landesgrenzen im vereinten Europa sicher auch der Fall sein wird, vermittels der gelungenen Übersetzung und der deutschen Fassung dieser Arbeiten.
2016 wurde ein Verband unter dem Namen Forschungszentrum der Deutschen Minderheit gegründet,das nun als eigenständige Institution seit dem Frühjahr 2020 seinen neuen Sitz in Oppeln hat. Das Forschungszentrum konnte schon mehrere namhafte Wissenschaftler heranziehen die sich mit der Vergangenheit und der Gegenwart der Deutschen in Polen befassen. Im Faltbogen des Forschungszentrums wird vermerkt: " Sie beschäftigen sich z.B. mit den historischen Prozessen, die sich vor 100 Jahren abspielten (Thema: Grenzüberschreitende Migrationen in Oberschlesien in den Jahren 1921-1939 und das Problem der nationalen Minderheiten in der Zwischenkriegszeit) oder aber mit zeitgeschichtlichen Erscheinungen (Thema:Thema Deutsche Minderheit in Polen angesichts der Transition und Transformation des Systems nach 1989/90)". Das Forschungszentrum plant auch Konferenzen zu denen Forscher aus Polen und anderen Ländern eingeladen werden, wie auch die Herausgabe von Publikationen in polnischer und deutscher Sprache. Auch besitzt dieses ein reiches Archiv das eingesehen werden kann.
Im Vorwort zum ersten aufliegenden Dokumentationsband vermerkt Michal Matheja, Vorstandvorsitzender des Forschungszentrums der Deutschen Minderheit, dass die Monographie von Dr. Zbigniew Bereszynski, die erste Publikation ist die im Rahmen des Projektes und des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit realisiert worden ist.
Als Autor des ersten Bandes erweist sich Dr. Zbigniew Bereszynski als besonderer Kenner der Geschichte und deren Hintergründe in dem er sich mit dem kommunistischen Sicherheitsapparat und die deutsche Bevölkerung in Oberschlesien in den Jahren 1945 bis 1990 befaßt. Er verteidigte 2012 seine Dissertation im Bereich Geschichte, ist Mitarbeiter am Schlesischen Institut in Oppeln wobei er sich besonderes mit den gesellschaftspolitischen Aspekten befaßt hat. Aufsehen erregte er auch mit seiner Monographie über die Solidarnosc und ihre Revolution im Opellner Schlesien in den Jahren 1980 - 1990. Im aufliegenden Band ausgehend von der spezifischen Thematik verwendet er Unterlagen aus dem Archiv des Instituts für Nationales Gedenken in Warschau, aus Archiven in Oppeln und Kattowitz die er einsehen konnte und seine Analyse aufgebaut hat. Seine Arbeit hat er chronologisch in elf Kapitel strukturiert. Ausgehend von den historischen Hintergründen, der Aussiedlung der deutschen Bevölkerung, der schätzungsweise über 40.000 Einwohner Oberschlesiens die zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt wurden, haben dramatische Folgen gehabt. Hinzu kam noch eine sogenannte nationale Überprüfung zwischen 1945 – 1949 in den an Polen angeschlossenen Regionen, laut der man sich als zugehörig zur polnischen Nation erklären mußte. Das waren schließlich 850.000 Personen. Dann geht der Autor ausführlich auf die Haltung der deutschen Bevölkerung ein, prodeutsch während des Oktobers 1956, in den späteren Jahren auf die Bekämpfung derartiger Haltungen. Natürlich spielte da der Sicherheitsapparat eine besondere Rolle wobei dieser eine besondere Strategie und Taktik ausübte. Es kam aber auch zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland. Der erste diesbezügliche Vertrag wurde am 7. Dezember 1970 geschlossen. Noch vor dem Sturz des Kommunismus trafen sich am 12. Januar 1988 die Minderheitenaktivisten mit dem Außenminister der BRD Hans Dietrich Genscher der zu einem Besuch weilte. Der polnische Sicherheitsdienst war am Laufenden mit allen geführten Gesprächen, mit den Daten über die Teilnehmer. Als ersten großen Erfolg der deutschen nationalen Bewegung bezeichnet der Autor die Erlaubnis zur Abhaltung von deutschsprachigen Gottesdienste ab Juni 1989. Die Legalisierung der Organisationsstrukturen der deutschen Minderheit erfolgte aber erst nach der politischen Wende von 1989/1990. In der Erklärung nach dem Treffen vom 14. November 1989 zwischen dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki wurde von der „Gewährleistung der Möglichkeit zur Bewahrung und Entwicklung der nationalen und kulturellen Identität von deutschstämmigen Personen und Bevölkerungsgruppen oder solchen, die sich zur deutschen Sprache, Kultur oder Tradition bekannten“ gesprochen. Sehr nützlich für die Dokumentation der Forscher und der weniger Eingeweihten mit der Geschichte, sind die im Anhang des rund 300 Seiten umfassenden Bandes enthaltene Bibliographie, ein Institutionsverzeichnis, das Personenregister, ein Ortsnamenregister, die Illustrationen.
Der zweite Band der sich ebenfalls mit gleichem Thema befasst und unter dem Titel „Im Visier des Sicherheitsapparats. Die Repression der deutschen Minderheit in den polnischen West- und Nordgebieten (1945-1989)“ befasst ist von Michal Matheja herausgegeben. In der Einleitung die er zu diesem Band verfasst hat betonte er, dass „Die Kommunistische Herrschaft in Polen 1945 – 1989 bedeutete für die in Polen ansässigen Deutschen eine Zeit der besonderen Prüfung. Die Präsenz dieser Minderheit stellte nicht allein die volkspolnische Staatsidee einer national homogenen und ideologisch geschlossenen Gesellschaft in Frage, sondern belastete zusätzlich die nach dem Zweiten Weltkrieg noch ungeregelten deutsch-polnischen Beziehungen. Daher wurde die Minderheit, die in vielen Regionen nichtmals offiziell als solche anerkannt war, einer besonderen Überwachung durch die volkspolnischen Sicherheitsorgane unterworfen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass heute gerade die Bestände der Sicherheitsamts (UB), des Sicherheitsdienstes (SB) und anderer geheimpolizeilicher Einrichtungen zu den wichtigsten Quellengruppen zur Erforschung der Nachkriegsgeschichte der Deutschen in Polen gehören“.
Nach dem ersten Band, ist der Zweite eine weitere ausführliche Dokumentation bezüglich der Aufarbeitung der getroffenen Maßnahmen der Sicherheitsbehörden gegen die deutschen Angehörigen in den neuen West- und Nordgebieten Polens nach 1945. Vier Historiker gehen als Autoren der fünf im Band enthaltenen Studien diesen Forschungsergebnissen nach. Dr. Jaroslaw Syrnyk, außerordentlicher Professor an der Universität Wroclaw befasst sich mit der Stellung der Sicherheitsorgane gegenüber der Deutschen in Niederschlesien. Dr. habil. Arkadiusz Slabig dessen Forschungsinteressen bei den Minderheiten Polens im 20.Jahrhundert liegen, analysiert in seinen beiden Studien des aufliegenden Bandes die Beziehungen zwischen der deutschen und einheimischen Bevölkerung und der Rolle des Sicherheitsapparats im Land Lebus. Gleichem Thema geht er auch in seiner zweiten Studie in Westpommern nach. Die nächsten beiden Beiträge des Bandes sind Arbeiten der Historiker Daniel Czerwinski bzw. Grzegorz Strauchold. Das Referat des ersteren bezieht sich auf den Sicherheitsapparat und die deutsche Bevölkerung in der Wojwodschaft Danzig in den Jahren 1945 – 1990. Der zweite genannte Autor geht auch die Überwachung und Schikanierung der deutschen Bevölkerung durch den kommunistischen Repressionsapparat in Ermland und Masuren zwischen 1945 – 1956 ein.
Wie auch der erste Band bietet dieser eine reiche Bibliographie und im Anhang ein Personen- und Ortsnamenregister. Es können Vergleiche zwischen den Vorgangsweisen und repressiven Maßnahmen der Sicherheitsbehörden beider Länder in den kommunistischen Jahren gegen die jeweilige deutsche Minderheit gemacht werden. Anerkennung muss dem Forschungszentrum der Deutschen Minderheit in Polen ausgesprochen werden für die wissenschaftliche Tätigkeit die dieses entfaltet und sich in Buchveröffentlichungen materialisiert, namhafte Persönlichkeiten zur Mitarbeit heranziehen konnte, weitere Themenbereiche als Projekte vorweist.
Dieter Drotleff
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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