Die Deutschen Siebenbürgens – ein konstitutiver Teil des modernen Rumäniens (II)
21.02.19
Die Mediascher Entschließung der Sächsischen Nationalversammlung vom 8. Januar 1919, ihre unmittelbare und ihre langfristige Bedeutung /Von Thomas Sindilariu
Überarbeiteter Festvortrag vom Neujahrsempfang des Demokratischen Forums der Deutschen in Kronstadt am 8. Januar 2019
Die genaue Zahl der 1919 als Soldaten Rumäniens gefallenen Siebenbürger Sachsen sollte einmal ermittelt werden! Aus dem Verlauf des Ungarnfeldzuges ist bekannt, dass die beiden siebenbürgischen Divisionen während der Phase des gegenseitigen Belauerns vor der Entscheidungsschlacht die gesamte Frontlinie östlich der Theiß zu sichern hatten und dass wegen der zahlreichen Scharmützel hier die meisten Verluste an Menschenleben während des gesamten Feldzuges zu beklagen waren und zwar 69 Offiziere und 3.600 Soldaten (Verwundete: 119 Ofiziere und 7.900 Soldaten). Darunter, so Folberth, „deutsche Namen noch und noch”. Es liegt in der Konsequenz der Sache, dass einige Ehrentafeln für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges in den Burzenländer evangelischen Kirchen, sofern diese überhaupt datiert sind, bis ins Jahr 1919 reichen.
So aufrichtig die Einladung des rumänischen Volkes an die mitwohnenden Völker zur Mitwirkung am Entstehen Großrumäniens war und so großzügig das Angebot zur kollektiven ethnischen Verwirklichung in den Karlsburger Beschlüssen festgeschrieben wurde, so sehr hinkte die Realität in der Folgezeit hinterher, ja wirkte die meiste Zeit des verflossenen Jahrhunderts in teils abscheulicher Weise dagegen. Als Illustration hierzu mag ein einziger Aspekt ausreichen: 2018 unterstrich der Verband der Ehemaligen Politischen Häftlinge Rumäniens (AFDPR) mehrfach, dass ein bedeutender Teil der Persönlichkeiten, die entscheidend zum Entstehen Großrumäniens beigetragen haben, an der Seite seiner heutigen Mitglieder in den kommunistischen Kerkern ein unwürdiges Ende fanden. Dies gilt für Iuliu Maniu (1873-1953), Alexandru Vaida Voiewod (1872-1950), Bischof Iuliu Hossu (1885-1970), Aurel Vlad (1875-1953), Ioan Flueras (1882-1953) oder Iosif Jumanca (1893-1949) aber eben auch für die beiden herausragenden siebenbürgisch-sächsischen Politikerpersönlichkeiten, die wesentlich zur Durchsetzung der politischen Klarsicht während der Umbruchszeit von 1918/19 unter den Siebenbürger Sachsen beigetragen haben und darüber hinaus auch an zentraler Stelle für die nicht minder bedeutsame Anschlusserklärung der Banater Schwaben im Spätsommer 1919 gewirkt haben: Rudolf Brandsch (1880-1953) und Hans-Otto Roth (1890-1953).
Gerade deswegen, wegen der zahlreichen enttäuschenden Kapitel in der Geschichte unseres Volkes im Verlauf des letzten Jahrhunderts, wollen wir unseren kollektiven Anteil am Entstehen Großrumäniens vor 100 Jahren nicht vergessen, schließlich haben wir hier noch etwas vor und wir stehen auch kulturell und sprachlich im Vergleich zu anderen Ländern der Region mit ähnlicher Geschichte ganz gut da, was wohl auch mit der Mediascher Entschließung zusammenhängen dürfte.
Als die Mediascher Entschließung schon gedruckt und in aller Welt bekannt war, sie ihren Zweck bei der Pariser Friedenskonferenz bereits erfüllte, wurde die sächsische Delegation, welche die Entschließung nun auch förmlich in Bukarest überbrachte, am 30. Januar 1919 von der rumänischen Regierung und König Ferdinand in Bukarest unter außerordentlichen Ehren empfangen. Der König äußerte hierbei in Anwesenheit der sächsischen Delegation die Hoffnung, Siebenbürgen möge „mithelfen, Rumänien zu einem westlichen Staat zu machen“. War unsere historische Rolle – um auch mal große Begrifflichkeit zu bemühen – je eine andere?
Vor 60 Jahren freilich war die gefühlte Zugehörigkeit zum Abendland ein wichtiger Aspekt, den die stalinistische Justiz in der ihr eigenen Weise ins Unermessliche aufbauschte, um im sogenannten Schwarze-Kirche-Prozess eine Reihe vielversprechender Kronstädter Jugendlicher und gestandener Vertreter unserer Minderheit und Kirche zu hohen Haftstrafen zu verurteilen. Und dennoch, wenn es die Zeiten zuließen, und das war in den letzten 30 Jahren durchwegs der Fall, da half unsere Minderheit an der Verwirklichung der alten königlichen Hoffnung mit, wo es nur möglich war. Die europäische Kulturhauptstadt von 2007 oder die europatreue Linie des gegenwärtigen Staatspräsidenten gehören hierher, aber auch viele, viele Details im Verlauf von drei Jahrzehnten.
All dies ist präsent in unserem alltäglichen, nachbarschaftlichen Verhältnis zum rumänischen Volk, in dem der brüderliche Geist der Karlsburger Beschlüsse durchaus immer noch lebendig ist, wir werden geschätzt, wie wir sind, so dass die gegenwärtigen Anfeindungen nicht verfangen, noch nicht. Damit dies so bleibt ist an die aufrichtige Brüderlichkeit, wie sie vor 100 Jahren mit Händen zu greifen war, vermehrt zu erinnern und daran anzuknüpfen, denn daraus lässt sich weit mehr in konstruktiver Weise aufbauen als mit allen gegenläufigen Ideologien und despotisch-orientalischen Herrschaftstechniken des vergangenen Jahrhunderts und nur so kann der rumänische Staat seinen Platz in Europa voll einnehmen, der dem rumänischen Volk schon lang gebührt.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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