„Die EU sollte die Zukunft unseres Landes bleiben“
28.02.19
Interview mit Ovidiu Gant
Anlässlich einer Gesprächsrunde mit Mitgliedern des Kronstädter Deutschen Forums das am 20. Februar in Kronstadt stattfand (siehe ADZ vom 21. Februar 2019) gewährte der DFDR-Parlamentsabgeordnete Ovidiu Gant der „Karpatenrundschau“ folgendes Interview:
Ende Mai stehen die Europawahlen an. Warum sollte man wählen gehen und welches wäre, Ihrer Meinung nach, die beste Wahl?
Ich glaube, wenn wir eine gemeinsame europäische Zukunft haben wollen, dann sollten wir wählen gehen. Die Europäische Union hat große Probleme in der letzten Zeit und es muss Kräfte geben die den Erhalt und den Zusammenhalt dieses Staatengebildes sichern sollten. Die EU ist und sollte die Zukunft unseres Landes bleiben. Sie ist alternativlos für Rumänien. Wenn wir irgendwann und irgendwie zur abendländischen Zivilisation zurückkehren wollen, dann nur durch die EU. Sonst sind wir den orientalischen Beispielen in Russland oder der Türkei ausgeliefert die ja sowieso in Bukarest gut ankommen bei manchen die sich solche Autokratien wünschen. Um in Rumänien eine demokratische Gesellschaft, Frieden, Wohlstand, Sicherheit langfristig zu sichern, brauchen wir die EU.
Das beantwortet auch die zweite Frage: Wen wählen? Ich glaube, es ist wichtiger denn je, Farbe zu bekennen. Das Forum wird im Landesvorstand eine politische Entscheidung treffen - eine Empfehlung diesbezüglich. Eins ist aber, meines Erachtens sonnenklar, solche in Rumänien Regierende und ihre Unterstützer, also PSD, ALDE und UDMR sollte man keineswegs wählen weil sie die EU unterminieren, den Rechtsstaat und die Justiz. Ansonsten sollte man proeuropäische demokratische Kräfte wählen. Meine Meinung ist längst klar: Ich war Mitglied des Europäischen Parlaments, kenne die dortigen Verhältnisse. Ich werde mit Sicherheit meine Stimme für die Europäische Volkspartei (EVP) geben. Die rumänische Partei die der EVP angehört, die Liberalen, wird dann direkt die Kandidatur von Manfred Weber als Kommissionspräsidenten unterstützen. Ich glaube Manfred Weber den ich als ehemaligen Kollege kennenlernen konnte, ist ein wichtiger und sehr guter Europa-Politiker den wir als Kommissionspräsidenten brauchen. Ich werde alles tun was in meinen Möglichkeiten steht, damit die EVP die stärkste Fraktion wird und Manfred Weber Kommissionspräsident.
Wie kann das Forum jene Wähler beibehalten oder neue hinzugewinnen, die nicht Forumsmitglieder sind?
Sie werden uns weiter wählen, weil sie sehen was wir für die Gemeinschaft tun. Das Forum hat vieles in den dreißig Jahren seit seiner Gründung in Rumänien geleistet. Unsere Politik im Bildungswesen, im Bereich deutsche Muttersprache ist entscheidend auch für Nichtdeutsche, vor allem Rumänen. Die Sozialfürsorge mit unseren Altenheimen, Essen auf Rädern usw. ; die Wirtschaftspolitik in der wir Existenzgründungen finanziert haben über unsere Stiftungen damit kleine Unternehmer investieren können und Arbeitsplätze schaffen; die ganzen Kulturveranstaltungen die wir anbieten, die immer für alle zugänglich sind und sich an alle richten ; unsere Außenpolitik im Sinne der Vertiefung aber auch Erweiterung der bilateralen Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland, zum deutschsprachigen Raum Europas – all dieses hat dem Land gedient und dient ihm weiter. Das erkennen die Leute. Es sind konkrete Sachen - zum Beispiel das Heranziehen von deutschen Investoren. Gerade hier in Kronstadt aber auch in anderen Städten und Regionen Siebenbürgens und des Banats haben sehr viele eine anständige Arbeitsstelle weil Deutsche da investiert haben. Und sie sind nicht zufällig hierher gekommen, sondern weil sie wussten, dass sie hier ein fruchtbares Terrain finden, wo es deutschen Unterricht gibt, wo es deutsche Traditionen gibt, ein deutschsprachiges Umfeld. Das ist alles ein Verdienst der deutschen Minderheit. Ich glaube es gibt auch Wahlstimmen für uns weil Klaus Johannis Staatspräsident ist. Seine Leistung wird viele dazu bewegen, weiterhin das Deutsche Forum zu wählen.
Was könnte das Kronstädter Deutsche Forum tun um Wahlergebnisse wie in Hermannstadt zu erzielen?
Ich möchte es mir nicht anmaßen Ratschläge zu geben. Ich bin Temeswarer und dort sieht es schlechter aus als in Kronstadt. Im Gegenteil: Ich finde, dass die Lage in Kronstadt eher eine positive ist. Das Forum hat im Stadtrat und im Kreisrat je zwei Vertreter. Das finde ich gut und angemessen angesichts der Dimension der Minderheit. Hermannstadt ist eine große Ausnahme – andere Umstände, andere historische Entwicklungen, andere Zusammensetzung der Stadtbevölkerung, andere Stadtgröße, Kronstadt ist doppelt so groß wie Hermannstadt.
Die Persönlichkeit von Klaus Johannis muss man auch erwähnen. Ich würde die beiden Städte nicht vergleichen wollen. Ich finde, dass das Kronstädter Forum eine gute Arbeit geleistet hat. Man kann natürlich hoffen, dass es in Zukunft noch besser werden kann. Und ich glaube, die Kollegen arbeiten daran.
Wie steht es um deutschsprachige Lehrbücher?
In Bukarest beginnt in dieser Hinsicht sich etwas zu ändern. Neue Titel in deutscher Sprache sind herausgegeben worden. Es sind Übersetzungen aus dem Rumänischen in den verschiedenen Fächer. Wir haben als Fraktion der Minderheiten, mit mehr oder weniger Erfolg, mit jedem Minister darüber gesprochen und verhandelt. Fakt ist, dass wir auch dank des Einsatzes von Alexander Szepesi in der Direktion für Minderheiten des Bildungsministeriums die ersten Bücher schon in den Schulen haben. Ich bin sehr dankbar diesbezüglich auch für die Arbeit von Martin Bottesch und der Kollegen in der Schulkommission. Ich möchte auch denjenigen danken, die sich Mühe geben die Bücher ins Deutsche zu übersetzen oder Manuskripte vorzulegen. Wir tun was wir können, aber wir wissen ja alle, dass die Personaldecke ziemlich dünn ist. Es muss ja allen klar sein, dass nicht jeder ein Lehrbuch schreiben oder ein Lehrbuch übersetzen kann. Man muss wirklich ein erfahrener Lehrer sein, um dieses leisten zu können. Der Rahmen ist gegeben, inzwischen haben wir die Bedingungen, organisatorisch gesehen, im Ministerium gesichert, was die Finanzierung anbelangt und auch die Herausgabe. Natürlich kommen wir nicht so schnell nach, was die Übersetzungen anbelangt. Politisch ist es so, dass unsere Fraktion aber auch die der Ungarn ständig mit dem Ministerium verhandeln und politischen Druck ausüben, damit Bücher herausgegeben werden. Auch die neue/alte Unterrichtsministerin die wir gerade haben, hat beteuert, sie würde den deutschsprachigen Unterricht sehr unterstützen. Sie darf es uns beweisen, indem sie die Produktion der Lehrbücher fördert.
Die Kronstädter wollen nach wie vor einen Flughafen und eine Autobahn nach Bukarest. Was den Flughafen betrifft, sollte man da auf Regierungsgelder hoffen oder, wie es der Kreisrat versucht, auf die eigenen Mittel setzen?
Ich kenne die konkrete Lage nicht und kann es deshalb schwer beurteilen. Ich erwarte grundsätzlich nichts von der zentralen Regierung. Großprojekte die von der Regierung verwaltet werden, scheitern in der Regel. Sie haben die Autobahnstrecke Comarnic-Kronstadt angesprochen. Es ist eine Katastrophe. Ponta hat Vieles versprochen; es ist nichts geschehen. Die Jetzigen erzählen etwas von diesem Projekt. Konkret geschieht nichts.
Öffentlich-private Partnerschaften wären eine Variante?
Ich halte nichts von öffentlich-privaten Partnerschaften weil durch diese Methode hierzulande nie ein Projekt umgesetzt wurde. Ich bin ein Verfechter der EU-Gelder weiterhin. Insofern die Projekte zentral verwaltet werden von den Ministerien, so wird nichts daraus oder nur sehr langsam. Ich bin skeptisch, dass in den nächsten zehn Jahren Autobahn-Verbindungen von Hermannstadt nach Pitesti oder von Kronstadt nach Ploiesti zustande kommen, wenn weiterhin das Verkehrsministerium, also CNAIR (Landesgesellschaft für Verwaltung der Straßenverkehrsinfrastruktur – Anm.d.R) zuständig ist. Das müsste subsidiär erledigt werden. Die Kreisräte sollten das Geld zur Verfügung haben. Diesen Kreisräten wird das Geld vorbehalten das in den jeweiligen Kreisen erwirtschaftet wird. Kronstadt ist ja auch durch das Haushaltsgesetz beraubt worden genauso wie Temeswar, Klausenburg, Hermannstadt, Großwardein. (Ich habe nicht dafür gestimmt.) Nach den neuen „Reformen“ dieser sozialistischen Regierung wird das Geld einfach weggenommen. Zurück kommt es, nur auf Grund von politischem Einfluss, zu den PSD-Bürgermeistern im Süden und Osten die ja kaum etwas leisten. Das ist eine katastrophale Politik die ja die Entwicklung lähmt. Die Lokomotiven im Banat und in Siebenbürgen werden des Geldes beraubt und können in Zukunft nicht mehr so schnell vorankommen. In den anderen Regionen versandet das Geld für Fußballstadien in Alexandria, Turnu Magurele und Târgu Jiu, anstatt dass Straßen gebaut werden oder sonstige Infrastruktur. Dementsprechend bin ich sehr skeptisch, dass diese Großprojekte umgesetzt werden.
Ich weiß, dass die Kronstädter sich sehr stark einen Flughafen wünschen. Das ist legitim. Sie müssen dafür weiterkämpfen. Die Parteien hier vor Ort wären gut beraten, wenn sie alle an einem Strang ziehen würden und nicht versuchen, sich ständig ins Rampenlicht zu stellen, um daraus billiges politisches Kapital zu schlagen.
Vielen Dank für Ihre Antworten!
Die Fragen stellte
Ralf Sudrigian
Abgeordneter Ovidiu Gant bei der Kronstädter Diskussionsrunde. Foto: Ralf Sudrigian
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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