Die Kronstädter Securitate und das „deutsche Problem“ (II)
17.06.21
„Die Folgen der Kriegsniederlage, so wie Deutschland, ertragen“
„Die Deutsche Volksgruppe in Rumänien und der rumänische Staat“ (Grupul Etnic German din România si statul român) ist der Titel einer Dokumentation die im März 1947 von dem Chef des Hermannstädter Staatsarchivs, Dr. Gheorghe Duzinchevici, verfasst und dem rumänischen Sicherheitsdienst (der ab 30. August 1948 den Namen „Securitatea“ erhält) zur Verfügung gestellt wurde.
Einleitend wird vermerkt, dass diese Arbeit nicht gewisse gegen die Rumäniendeutsche gerichtete Übertretungen des Gesetzes rechtfertigen oder entschuldigen soll, oder dass die rumänische Bevölkerung gegen ihre Mitbürger deutscher Herkunft aufgewiegelt werden soll. Vorgestellt werden sollte aber eine „schmerzhafte Wahrheit“ gleichzeitig mit der Entlarvung einer „Diversion“ die, vereinfacht gesagt, die Rumäniendeutschen als irregeleitete Opfer der Nazis bezeichnet und die den evangelischen Bischof Friedrich Müller zum Wortführer hat.
Schon Anfang 1945 wurde bekanntlich die deutsche Minderheit in Rumänien diskriminiert. Sie verlor die politischen Rechte und ihr wurde als einzige Minderheit in Rumänien der Minderheitenstatus nicht anerkannt. Russlanddeportation und Enteignung leiteten harte Jahre der Entbehrungen und Benachteiligungen ein, alles in einem Staat in dem die von der Sowjetunion kontrollierte kommunistische Partei zunächst die Macht übernahm und dann ihre Position gegenüber sogenannten Klassenfeinden, sowie gegen angebliche Agenten des ausländischen Imperialismus verteidigen und festigen wollte.
Der Verfasser dieser Dokumentation sucht Argumente die beweisen sollen, dass die deutsche Bevölkerung zu Recht alle negativen Folgen des Kriegsverlustes zu erleiden habe, so wie das auch mit Deutschland der Fall sei. Der Schlusssatz und die Schlussfolgerung dieser 16 maschinengeschriebenen Seiten umfassenden Arbeit lautet: „Es ist logisch und gerecht, dass die Sachsen, wie auch ihre deutschen Landsleute in Rumänien, selbstverständlich die Schuldigen, die Folgen der Kriegsniederlage nun, so wie Deutschland auch, ertragen.“ (Übersetzung RS). Nur handelt es sich praktisch um eine Kollektivschuld der Siebenbürger Sachsen, um die es vorrangig im Bericht geht. Ein Hauptargument dafür ist in der Existenz und Tätigkeit der Deutschen Volksgruppe gefunden. Diese wurde am 20. November 1940 per Gesetzesdekret von der Regierung des rumänischen national-legionären Staates (wie dessen offizielle Bezeichnung lautete) als juristische Person und einzige Vertretung aller Deutschen Rumäniens anerkannt. Diese Nazi-Organisation betrieb konsequent eine Gleichschaltung (im Dokument „nazificare“) sämtlicher deutschen Organisationen mit Auswirkungen bis in Unterricht und Kirche.
Der Verfasser behauptet aber, dass die Mitgliedschaft in der Deutschen Volksgruppe (DV) auf Grund eines persönlichen Gesuches erfolgte, also nicht automatisch und nicht vom rumänischen Staat irgendwie beeinflusst. Die DV hätte dann entschieden, wer tatsächlich als Deutscher gelten dürfe. Jeder hätte aber wissen können, in was für einer Organisation er Mitglied werde, denn die Ziele der DV waren offensichtlich und nicht geheim. Dass die DV-Mitglieder weiterhin rumänische Staatsbürger bleiben, war gesetzlich vorgesehen. Laut Duzinchevici hätten dabei die Rumäniendeutschen schnell bemerken müssen, dass die DV-Hauptziele nicht den Interessen des rumänischen Staates entsprechen, dass also DV-Mitglieder nicht mehr ihren Pflichten als rumänische Staatsbürger nachkommen. Der Autor behauptet auch, dass die Sachsen die DV als „Staat im Staat“ betrachteten. Schwerwiegender für ihn ist die Tatsache, dass unter den Sachsen (und den anderen Rumäniendeutschen) bereits vor der DV-Gründung, ja sogar bereits vor Hitlers Machtergreifung (1933), die nationalsozialistische Ideologie gut ankam. Der Verfasser bietet auch einen Rückblick auf die Verbreitung des Nazi-Gedankengutes beginnend mit 1922. So kann er sogar behaupten, die DV-Gründung sei letztendlich die formelle gesetzliche Anerkennung eines bereits existierenden Tatbestandes.
Den Sachsen (und allen anderen deutschen Volksgruppen in Rumänien) wird pauschal vorgeworfen, sie hätten sich im Dienste des deutschen Imperialismus gestellt und somit ihr Heimatland Rumänien verraten. In durch Unterstreichung hervorgehobene Sätze heißt es: „Der Ruf des Blutes hat ihren Verstand verblendet und ihre Herrschaftsträume als auserwähltes Volk haben sie zu einem schweren Fehlverhalten geführt, zeitlich zu lange fortgesetzt um nur als Versehen zu gelten, indem sie für den Nazi-Imperialismus alles riskiert und geopfert haben, einschließlich ihre Heimat.“ (Übersetzung RS).
Das Prinzip der Kollektivschuld gilt als Rechtfertigung der Entrechtung der Deutschen, ihrer auch von Rachegefühle getriebenen Anfeindung, einer strikten Kontrolle und eines tiefen Misstrauens ihnen gegenüber. Mit den Jahren wird sich diese Einstellung mildern, aber sie bleibt die Grundlage des von der Securitate postulierten „deutschen Problems“. Auch Jahrzehnte später wird allein ein Bekenntnis zur deutschen Kultur, das Bestreben, die eigenen Traditionen zu wahren oder die Kontakte zum deutschen westeuropäischen Sprachraum und zu den ausgewanderten Landsleute ausreichen, um als nationalistisch/ faschistisch etikettiert zu werden, um als Vorwand von Verfolgung und Bespitzelung zu gelten.
Ralf Sudrigian
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