Die Schlacht von Schäßburg – Weißkirch (I)
31.10.19
Siebenbürgscher Bürgerkrieg mit unvergesslichem blutigem Sommer 1849/von Dr. Michael Kroner
Die Erinnerung an die hier heraufbeschworene Schlacht von Schäßburg-Weißkirch habe ich eigentlich nicht gesucht. Ich habe aber seit meiner Kindheit als Weißkircher mitbekommen, dass aus dem Gebiet von Schäßburg und Weißkirch vor mehr als 100 Jahren eine große Schlacht stattgefunden hat, bei der der ungarische Dichter Petöfi gefallen sei, und zu seinem Gedenken Denkmäler und ein Gedenkhaus mit Museum errichtet wurden, die wir kannten. Genaueres darüber wusste ich nicht, wie die meisten Weißkircher Sachsen. Als Erwachsener und Historiker habe ich natürlich erforscht, was da stattgefunden hat. Bei der Dokumentation über die Revolution von 1848/49 und der Beschäftigung mit dem Lebenswerk Stephan Ludwig Roths, habe ich die Epoche mit ihren Geschehnissen erforscht und dabei festgestellt, dass vor rund 170 Jahren eine Schlacht stattgefunden hat, die für unsere Vorfahren eine schreckliche Zeit war. Der berüchtigte Prozess vom 11. Mai 1849, der St. L. Roth zum Tode verurteilte, gehört dazu. Darüber habe ich unlängst einen in Fortsetzungen erschienen Gedenkartiklel in der „Karpatenrundschau“ ( 23. Mai bis 6. Juni 2019) veröffentlicht. Es gab aber nach dem Ende der Revolution ein besonders trauriges Rachenehmen, die das Ungarentum auf Generationen beeinflusste. Der österreichische Heeresführer Julius Haynau ließ nachdem mit russischer Hilfe die ungarischen aufständischen Truppen, die bei Vilagos besiegt wurden, 13 gefangengenommene ungarische Generäle, die als militärische Führer das ungarische Heer gegen die österreichische Armee geführt hatten sowie den Ministerpräsidenten Ludwig Batthány am 6. Oktober 1849 in Arad hinrichten. Obwohl ihnen freies Geleit versprochen worden war.
Die Schäßburger Erlebnisgeneration hat die Erinnerung an die damalige tragischen Ereignisse an ihre Nachkommen weitergegeben. Historische Denkmäler machen zusätzlich auf die Helden und Opfer der Revolution und des Bürgerkrieges von 1849/49 aufmerksam. Unter den vielen Schlachten, welche die Sachsen in ihrer Geschichte erlebt haben, scheint diese allgemein am bekanntesten zu sein. Auch Ungarn und Rumänen gewähren ihr besonderer Aufmerksamkeit. So wird beispielsweise im Internet in rumänischer Sprache die „Lupta de la Sighisoara-Albesti 1849“ evoziert und mit etwa 150 Bildern illustriert, während es in ungarischer Sprache eine Menge Literatur über diese denkwürdige Geschehnisse gibt.
Worum ging es in dem Bürgerkrieg und speziell in der erwähnten Schlacht? Es war die blutigste Schlacht in Siebenbürgen während den Revolutionsjahren von 1848/49, die in der Ebene der Großen Kokel und den südlich davon gelegenen Bergen bei Schäßburg und Weißkirch stattfand. Es war aber nicht etwa eine Verteidigungsschlacht, in der sich die Schäßburger gegen einen Angreifer verteidigten, sondern es stießen auf dem genannten Schlachtfeld aufeinander - ein russisches Heer, das vom österreichischen Kaiser gegen die ungarische Revolutionstrupppen zu Hilfe gerufen worden war. Es ging in dem Bürgerkrieg hauptsächlich um den Besitz von Siebenbürgen, dessen Einverleibung (man sprach von „Union“) sowohl Ungarn als auch Österreich beanspruchten. Zudem hatte sich Ungarn von Österreich zu trennen versucht und dem Kaiser der Doppelmonarchie, zugleich König von Ungarn, den ungarischen Thron entzogen. Alle diese Gebiete gehörten zur Habsburgermonarchie, wobei es immer wieder zu Gegensätzen zwischen den verschieden Nationen kam.
Weiter ein kurzer Abriss über den Ablauf des Bürgerkrieges, der zu der Schlacht von Schäßburg führte. Im Februar-März 1848 wurden, beginnend von Frankreich bis Russland, die meisten Länder Europas von einer allgemeinen Revolutionswelle gegen die Feudalordnung und absolutistische Herrschaft erfasst. Sie bewirkten einschneidende Reformen in der Gesellschaft und im Staatsleben. In Siebenbürgen entfesselte die Revolution außer den Aufständen der Fronbauern, die für Boden von den Feudaldomänen und für ihre persönliche Befreiung von Frondiensten und Abgaben gegenüber den Feudalherren kämpften, auch einen verheerend-blutigen Bürgerkrieg, der ausgelöst wurde von den nationalen Gegensätzen zwischen den verschiedensprachigen Völkerschaften der Habsburgemonarchie. Der Bürgererkrieg, der im Herbst 1848 begann, erstreckte sich bis im Sommer 1849 und forderte in mehreren Schlachten tausende menschliche Opfer, Verwüstungen, Greul, Hinrichtungen und andere Leiden. Szekler Auständische überfielen außerdem das Gebiet der Sachsen und rumänische Dörfer der Komitate und hinterließen gebrandschatzte Ortschaften, wie in Sächsisch-Regen, Weißkirch, Elisabethstadt und anderen Gemeinden. Die hörigen Bauern überfielen die Höfe ihrer Grundherren, raubten sie aus und setzten sie in Brand. In dem Bürgerkrieg kämpften Ungarn und Österreich um die Union Siebenbürgens mit ihrem Gebiet. Sowohl die aufständischen Bauern als auch die militärischen Aufgebote traten brutal auf und hinterließen außer Zerstörungen auch Morde. Über einen Überfall auf Frauen und Kinder, die in Nagy-Enyed in der Kirche Schutz gesucht hatten und von Waffenbrüdern des österreichischen Heeres überfallen wurden, heißt es in einem Bericht: Der Geistliche wurde von den Waffenbüdern, denen er entgegen ging, um für das Leben der Schützlige zu bitten, auf der Stelle gevierteilt. Und dann wurde den schwangeren Frauen die Bäuche aufgeschlitzt, die ungeborenen Kinder an Spießen gebraten, dann die Frauen teils an den Beinen aufgehängt, teils lebendig begraben.
Als Großfürstentum der Habsburger Monarchie besaß Siebenbürgen eine gewisse Eigenständigkeit mit eigener Regierung und einem selbständigen Landtag. Die Rumänen und Sachsen lehnten die Union Siebenbürgens mit Ungarn ab und stritten für ihren Verbleib bei Österreich, von dem sie sich mehr nationale Schutzrechte erhoffte als von der ungarischen Regierung. Im Bürgerkrieg kämpften die rumänischen und sächsischen Truppen anseite des kaiserlichen Heeres. Über die Sachsen heißt es in einer zeitgenössischen Schrift: “Sie wollten lieber österreichische Sklaven, als freie Bürger Ungarns sein, und bemäntelten ihre niedrigen Umtriebe mit dem pomphaften Titel der Erhaltung ihres Deutschtums. Die Suprematie der Magyaren war dem ganzen sächsischen Volke ein Gräuel.“ Damit im Zusammehang wird das Todesurteil über Stephan Ludwig Roth rechtfertigt. Er habe die Amnestien Bems ignoriert, dafür als „Mann von Bildung“ mit viel Geist und Kenntnissen, solider Festigkeit des Willens und eiserner Cosequenz sich einer „so schlechten Sache, wie die schwarzgelbe österreichische immer bleibt, zugewendet.“ Das schrieb 1850 Johann Czetz, der dem ungarischen Lage angehörte und auf dessen Schrift wir weiter unten hinweisen. Und er in seiner Analyse fährt fort: „Die sächsischen Landbewohner wünschen selbst Ruhe und Frieden, und waren mit dem magyarischen Regiment wohl zufrieden, in den Städten schienen sich die Sympathien dadurch kundzugeben, dass die sächsischen Damen die Bälle der ungarischen Offiziere fleißig besuchten; auch den früher gehassten Csardas bald bis zur Vollkommenheit tanzen lernten, und das sogar in Hermannstadt mehrere Heiraten zwischen Honvedoffizieren und sächsischen Mädchen geschlossen wurden.“
Man appellierte an die Rumänen. Der „Siebenbürgische Bote“, das Organ der sächsischen Partei, nannte sie die „hochherzige wallachische Nation“ und wies auf die gefährliche Nachbarschaft Russlands hin! In einer Proklamation an die Rumänen hieß es in derselben Schrift: “Brüder Walachen! Lasset uns gegenseitig die Hand reichen, und fest schließen den Bund, vor dem der übermütige Stolz der Magyaren sich beugen, und gar bald jeder Magyare oder Szekler von unsrem gemeinsamen Vaterlande vertilgt werden soll – denn Siebenbürgen gehört nich den Ungarn ( ? ); „Dieses schöne Land ist Euer Erbe und unser zugleich, die wir auf ewig mit Euch vereint sind und bleiben wollen.“ Es wird darauf verwiesen, daß die Rumänen auf ihrer Versammlung in Blasendorf (15. Mai 1848) gefordert hatten, als gleichberechtigte vierte Nation anerkannt zu werden. Und nun zur eigentlichen Schlacht von Schäßburg.
Von Ende Dezember 1848 bis März 1849 eroberte ein ungarisches Heer unter dem Kommando des polnischen Generals Joseph Bem, von Ungarn nach Osten vorstoßend, fast ganz Siebenbürgen und zwang die geschlagenen kaiserlichen Streitkräfte zum Rückzug. Über Bems Erfolge veröffentliche Johann Czetz, der als ungarischer General an dessen Feldzügen teilgenommen hatte, bereits 1850 ein Buch mit dem Titel „Bems Feldzug in Siebenbürgen in den Jahren 1848 und 1849“. Es heißt darin im Vorwort: Motto. „Vor allem Wahrheit.“
„Bems Fedzug in Siebenbürgen steht wahrhaftig so einig da in der Kiegsgeschichte; das Verhältnis der angewandten Mittel zum erreichten Zwecke ist so ungleich: die Ereignisse selbst unterliegen so mannigfaltigem Wechsel; Bems Genie erscheint in den vielfältig wachsenden Epochen von Glück und Unglück so glänzend; sein Charakter als Mensch und als Freiheitskämpfer tritt so prägnant hervor; dass man sich bei Lesung solcher Ergebnisse unbewusst in eine andere Zeit, in die Zeit der Heroen versetzt fühlt und mit immer lebhafterem Interesse das Thun des Mannes verfolgt, der aus Nichts Armeen schuf, der, wie der Phönix aus de Asche, aus jeder Niederlage nur um so fruchtbarer hervorging und der gerade in demselben Augenblicke den Gegner vernichtete, als dieser ihn zu erdrücken wähnte; wir glauben in einer Zeit der Wunder zu leben, und suchen eifrig nach dem Schüssel, um die Pforte zu dem Rätsel der Ereignisse zu öffnen. Einen solchen Schlüssel nun will ich dem Publikum in dem vorliegenden Werkchen darbieten, und ohne Ostentation kann ich versichern, dass er von jemand Anderem, außer Bem selbst, ebenso vollständig, klar, so wahr gegeben werden kann. Denn wer immer die Ereignisse miterlebte, wer den Feldzug selbst mitgemacht hat, er sah nur die äußeren Zeichen, er empfand die Wirkung, aber er kannte nicht die Ursachen; unkundig der geheimen, das Spiel in Bewegung setzenden Triebfedern konnte er sie höchstens ahnen, nie aber, bei Bems bekannter Schweigsamkeit und selbstständiger Handlungsweise, sie vollständig erraten. Ich habe den Feldzug selbst an Bems Seite mitgebracht und hatte da Glück sein Vertrauen zu besitzen. Was ich erzähle, habe ich größtenteils persönlich erlebt, wo ich nicht sein konnte, habe ich die Erzählungen geprüfter, ehrenhafter Kamerade wiedergegeben.
Während der folgenden Monate war Siebenbürgen der ungarischen Kontrolle und politischen Macht sowie Rachemaßnahmen ausgesetzt und es wurden seitens ihrer militärischen und politischen Führung gegen Rumänen und Sachsen, die sich der Magyarisierungspolitik widersetzten hatten, harte Maßnahmen ergriffen. Sie wurden zum Teil gefangen genommen und hingerichtet. Ein tragisches Opfer dieser Verfolgungspolitik war der sächsische Pfarrer, Publizist und Volksmann Stephan Ludwig Roth. Auf Empfehlung des ungarischen Revolutionsführers Lajos Kossuth ließ Regierungskommissär Csanyi ihn verhaften, übergab ihn dem Klausenbugrer militärische Standgericht, welches Roth am 11. Mai 1849 zum Tode verurteilte. Das Urteil wurde am selben Tag vollzogen und der Leichnam an Ort und Stelle, auf dem Schlossberg von Klausenburg verscharrt.
Da die ungarischen Revolutionsführer mit Regierungschef Lajos Kossuth die Union Siebenbürgens mit Ungarn beschlossen, die politische Führung übernommen hatten und dem Kaiser Franz Joseph den Thron streitig machten, rief dieser russische Truppen zu Hilfe. Diese drangen im Juni 1849 in Siebenbürgen ein, besetzten Hermannstadt und begannen gemeinsam mit den kaiserlichen Verbänden die Verfolgung Bems. So kam es am 31. Juli 1849 zu der hier geschilderten, blutigsten Schlacht dieses Bürgerkrieges.
(Fortsetzung folgt)
Die Schlacht bei Schäßburg-Weißkirch. Foto: Wikipedia
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