Die Schlacht von Schäßburg – Weißkirch (III)
14.11.19
Siebenbürgischer Bürgerkrieg mit unvergesslichem blutigem Sommer 1849 / von Dr. Michael Kroner
Als plausibel gelten folgende Versionen: Der nach der Schlacht mit der Bestattung der Gefallenen beauftragte österreichische Offizier Heydte erklärte, neben einem Brunnen zwischen Weißkirch und Teufelsdorf den Leichnam eines Offiziers gesehen zu haben, der sonst nicht aufgefallen wäre, wenn seine Taschen nicht nach auswärts gewendet gewesen wären und um ihn Papierblätter gelegen hätten. Der Tote sei blond gewesen und habe, so wie Petöfi, einen spitzen Bart getragen. Mehrere Offiziere seien der Ansicht gewesen, das könne nur der ungarische Dichter gewesen sein.
Ein Weißkircher Bauer namens Ioan Cionta, der nach der Schlacht mit seinem Wagen Tote zur Bestattung führte, soll neben der Brücke von Bun einen Mann von etwa 27 bis 30 Jahren mit spitzem Bart aufgeladen haben, der noch nicht tot war. Trotzdem soll er auch in ein Massengrab geworfen worden sein. Auch Graf Joseph Haller behauptete, der ungarische Dichter sei neben der Weißkircher Straße in Richtung Teufelsdorf lebendig begraben worden. Ein Schäßburger Zeuge erzählte, er habe am Tage nach der Schlacht mit anderen Bürgern der Stadt das Schlachtfeld besucht. Es sei ihm unter den Toten ein ganz junger Mann aufgefallen, der gegenüber seinen übrigen Waffengefährten besser gekleidet war. Ein schönes Doppellaufgewehr von hohem Wert habe neben ihm gelegen. Er habe es an sich genommen, doch sei es ihm von der Wache am Schäßburger Bayergässer Tor abgenommen worden. Er wurde darüber Jahrzehnte später von einer Budapester Kommission befragt. Seine Version schien ihr so plausibel, dass an der Stelle in Weißkirch, wo er den Toten angeblich gesehen hatte, im Jahre 1897 ein Petöfi-Denkmal errichtet wurde.
Dieses Denkmal ist von der aus Nürnberg stammenden Familie Haller gestiftet worden, die sich auch heute zu dem Erbe bekennen. Nachkommen der Haller ließen um das Denkmal einen Park anlegen und darin ein Wächterhaus bauen. Das Denkmal steht auf einer Erhöhung, zu der einige Stufen hinaufführen. Die kegelstumpfförmige Säule aus Steinquadern erhebt sich auf einer quadratischen Basis. Ihre Spitze krönt ein bronzener Adler mit ausgespreitzten Flügeln und einem Schwert im Schnabel. Eine Inschrift in ungarischer Sprache weist darauf hin, dass an dieser Stelle Sándor Petöfi mit anderen Freiheitskämpfern gefallen sei.
Diese Gedenkstätte wurde im Hinblick auf die bevorstehenden Feierlichkeiten zum 50. Todestag von Petöfi errichtet. An den Feierlichkeiten am ersten Augustsonntag des Jahres 1899 nahmen etwa 10.000 Menschen teil, darunter eine Abordnung des Budapester Parlaments unter der Führung von dessen Vizepräsidenten Tallian, dem Vizepräsidenten der Petöfi-Gesellschaft, Ludwig Bartok, sowie andere prominente Persönlichkeiten. Zum Empfang der Gäste hatten etwa 4.000 bis 5.000 Szekler Aufstellung genommen. Zugegen war auch eine sächsische Delegation. Die Feier wurde eröffnet von der Klausenburger Liedertafel, es folgten mehrere Ansprachen und der Vortrag von Gedichten des geehrten Dichters von verschiedenen Schauspielern. Nicht weniger als 140 Kränze wurden am Denkmal niedergelegt. Damit wurde der Grundstein für die hinfort alljährlichen Petöfi-Feiern gelegt. Im Wächterhaus wurden verschiedene auf dem Schlachtfelde gefundene Reliquien untergebracht. Es ist später zum Petöfi-Gedenkhaus geworden. Im Jahre 1900 schenkte die Familie Haller das gesamte Areal der Petöfi-Gesellschaft, die nun dessen Betreuung übernahm.
Die Bemühungen um die Klärung von Petöfis Tod gingen indes weiter. Im Sommer des Jahres 1956 wurden, unter Leitung der Akademie der Wissenschaften aus Rumänien und Ungarn, sogar archäologische Grabungen östlich von der Gemeinde Weißkirch vorgenommen, in einem Gelände oberhalb der Buner Bahnstation, wo man ein Massengrab vermutete. Die Grabungen führten zu keinem Ergebnis. Das gesuchte Massengrab konnte nicht identifiziert werden.
Die Petöfi-Gedenkstätte heute
Auch die Suche nach Spuren in Russland sind nicht aufgegeben worden. Die letzte Nachricht dieser Art wurde 1989 verbreitet. Danach haben sowjetische und ungarische Anthropologen in der damaligen Burjatischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik, östlich des Baikalsees in Sibirien, nach Exhumierung mehrerer alter Gräber die Bestattungsstätte Petöfis entdeckt. Nach den Forschungen dieses Teams unter der Leitung von Ferenc Morvai soll Petöfi die letzten Jahre in der burjatischen Stadt Bagusin verbracht haben und dort auch begraben worden sein. Es bleibt abzuwarten, ob nicht bald eine neue Begräbnisstätte entdeckt wird. Bloß etwas ist sicher: Petöfi ist das letzte Mal zweifellos am 31. Juli 1849 in Weißkirch gesehen worden, so dass unabhängig von allen anderen Versionen und Annahmen, in Weißkirch mit Recht seine Gendenkstätte bleibt.
Die alljährlich am letzten Sonntag im Juli stattfindenden Gedenkfeiern waren seit Ende des 19. Jahrhunderts beeindruckende magyarische Volksfeste, zu denen vor allem aus dem nahegelegenen Szeklergebiet viele Besucher mit ihren Pferdewagen anreisten.. Diese Volksfeste, zugleich magyarische Demonstrationsbekenntnisse, sind auch den älteren sächsischen Weißkirchern in lebendiger Erinnerung. Da sich die Beziehungen zwischen Rumänien und Ungarn nach dem Wiener Schiedsspruch (1940) verschlechterten, wurden die Gedenkfeiern eingestellt, in den 50er Jahren aber wieder aufgenommen. An diese mit Volksfesten verbunden Gedenktage, erinnere auch ich mich, als Weißkircher Sohn, sehr gut. Allmählich wurden die Gedenkfeiern eingeschränkt, sind aber noch immer willkommene Anlässe zur Bekundung des Magyarentums.
Das Petöfi-Museum besteht auch heute. Es ist eine bedeutende ungarische Erinnerungsstätte. Die Schlacht von Schäßburg-Weißkirch bleibt ein gedenkwürdiges Ereignis für alle Völkerschaften Siebenbürgens. Auch für uns ist es interessant, 170 Jahre zurückzuschalten.
(Schluss)
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