Die Stadt ist ein lebender Organismus
16.07.09
Architekt Edmund Olsefszky gebürtiger Kronstädter erblickte das Licht der Welt da am 23. August 1935. Spezialisiert ist er auf Restaurierung von alter Bausubstanz, aber auch auf Stadtplanung, Parkanlagen und Gärten. Nach Abschluss des Studiums am Ion Mincu-Institut für Architektur in Bukarest hat er gleich im Bereich der Stadtplanung in Kronstadt gearbeitet, war mehrere Jahre hindurch Chefarchitekt der Stadt, hat nun sein eigenes Architekturbüro. Seit 2006 ist er persönlicher Berater des Kronstädter Bürgermeisters, aber auch der Verwaltung der Evangelischen Honterusgemeinde A.B. in Kronstadt im Bereich des Denkmalschutzes. Er war auch ein enger Mitarbeiter des Herderpreisträgers Arch. Günther Schuller, und so wie dieser war er ein ständiger Verfechter der Idee der Restaurierung des historischen Stadtzentrums. Über die bauliche Entwicklung der Stadt und Schutz der mittelalterlichen Bausubstanz führten wir mit Arch. Olsefszky ein ausführliches Gespräch.
Kronstadt kennzeichnet sich durch eine reiche Bausubstanz die außer der Innenstadt auch einige besonderes wertvolle Baudenkmäler umfasst. Aus heutiger Sicht können Sie eine Einschätzung über den jetzigen Stand dieser wertvollen Kulturerbes machen?
Die Stadt ist ein lebender Organismus der sich entwickelt und verwandelt, in dem die historischen Etappen ihre Prägung auf die Stadtstruktur – Straßennetz, Plätze, öffentliche Anlagen, in der Architektur und künstlerische Gestaltung der Gebäude hinterlassen. Kronstadt hat in seiner fast 800-jährigen Existenz eine stürmische Geschichte erlebt. Der städtebauliche Prozess beginnt und steigert sich im 13. Jahrhundert durch die Tätigkeit der Zünfte. Ende des 14. Jahrhunderts beginnt der Bau der Wehranlagen um sich gegen die Feinde zu schützen. Im Mittelalter wurde Kronstadt zur größten und am besten entwickelten Stadt in Siebenbürgen.
Rückblickend, wie verliefen die Dinge dann weiter?
In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts fand eine explosive Transformation statt. Aus einer mittelalterlichen wurde eine moderne Stadt angepasst an eine in voller Entwicklung befindlichen Gesellschaft. Praktisch wurde fast die ganze nördliche Verteidigungsfront in den Jahren 1877 – 1902 durch einen neuen – auch architektonisch - Baufond ersetzt bestehend aus Gebäuden für die Verwaltung, Banken, Hotels, einer Kirche und einem neuen Boulevard. Auch viele Häuser werden neu gebaut oder deren Fassaden modernisiert. Wurden bis 1850 die Gebäude von Baumeistern nicht nur errichtet sondern auch projektiert, werden diese nach Verminderung der Bedeutung der Zünfte von im Westen akademisch ausgebildeten Architekten ersetzt. 1881 hat Arch. Peter Bartesch der auch das Amt als Stadtingenieur erfüllte, nicht nur einen Entwicklungsplan für den nördlichen Stadtteil sondern auch neue Baunormen entworfen.
Können Sie einige dieser neuen Gebäude anführen die an der nördlichen Seite, an Stelle der ehemaligen Wehranlagen errichtet worden sind?
Diese wäre z.B. die Pensionsanstalt, das Gebäude in den sich heute das Rektorat der Transilvania-Universität befindet. Dann der alte Flügel des Hotels Aro Palace. Im Zweiten Weltkrieg wurde eines der repräsentativen Gebäude, die Villa Kertsch zerstört. In den Jahren der Diktatur wurden dann neue Gebäude da eingepflanzt die wie Hotel Capitol negativ, der neue Flügel des Hotels Aro Palace als positiv bewertet werden können. So sieht man wie die verschiedenen geschichtlichen Zeitabschnitte Voraussetzungen für eine harmonische Entwicklung schaffen können oder anderseits zur Zerstörung von Bauten die im Laufe mehrere Jahrhunderte errichtet wurden führen.
Vor der Wende wurden ganze Stadtteile abgetragen um Platz für die Plattenbauten der Neubauviertel zu schaffen. Nach 1990 fanden nicht mehr solche radikale Eingriffe ins Stadtbild ein. Trotzdem sind auch neue Gebäude errichtet worden die in manchen Situation nicht ins Umfeld passen. Auf was sind diese Fehlgriffe zurückzuführen?
Die Zeitspanne nach 1990 in die wir uns große Hoffnungen setzten, dass es zur Normalität kommt, hat sich vor allem durch die mangelnde Gesetzgebung mit allen daraus schließenden Folgen gekennzeichnet. In letzter Zeit dann durch ein großes Interesse an Immobilien, was wieder seine Folgen hat. Und dann obwohl Gesetzte angenommen wurden die das Bauwesen reglementieren, wurden doch immer wieder auch Hintertüren gefunden um Gebäude zu errichten die nicht in den baulichen Kontext passen, die Gesetzte wurden je nach Bedarf interpretiert, es wurden Gebäude ohne Baugenehmigungen errichtet. Um nur ein Beispiel zu nennen. Die Stadtplanung verbietet in der historischen Innenstadt und in der Oberen Vorstadt/Schei andere Dachbedeckungen als die Keramikziegeln (des Typs Burzenland) zu verwenden. Doch hat sich besorgniserregend die Verwendung von gepressten Blechbedeckungen erweitert, die auch noch in grellen Farben gestrichen werden. Wiederholt habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass Kronstadt zum Unterschied von anderen historischen Städten des Landes, über eine Dachlandschaft verfügt die geschützt werden muss.
In den letzten Jahren entstanden Neubauviertel die das Stadtbild wie beispielsweise das auf der Warthe, stark verändern. Sind derartige Projekte realistisch und wie sind diese zu werten?
Es ist bekannt, dass nicht die Fachleute es sind die die Stadtpläne genehmigen sondern die Ratsmitglieder, somit die Politiker die sich auf Alles verstehen. Auch wenn die Fachleute zu Rate gezogen werden, sind sie dem politischen Druck ausgesetzt. Dabei versuchen manche ihre Standpunkte durchzusetzen, andere wieder um mit gebeugtem Rücken vor den Ratsmitgliedern stehen. Einige wissen es nicht, andere wollen es nicht wahr haben, dass die Prinzipien zum Schutz der Baudenkmäler und derer Restaurierung Priorität haben. Es ist auch nicht zulässig, dass in einer Stadt in der Größe und Bedeutung wie Kronstadt, dass die Abteilung für Architektur und Stadtplanung außer aus dem Chefarchitekten nur noch aus einem Kollegen mit gleicher Ausbildung besteht. So geschehen dann auch solche Eingriffe wie der von Ihnen angesprochene Fall. Ein geschätzter Professor von der Transilvania-Universität bezeichnete das Wohnensemble das auf der Warthe gebaut wird als „Umweltverbrechen“.
Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen die wir in unserer nächsten Ausgabe fortsetzen.
Dieter Drotleff
(Fortsetzung in KR 29)
Foto: Architekt Edmund Olsefszky überprüft am PC alle seine ausgearbeiteten neuen Projekte oder die für die Restaurierung von Baudenkmälern.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
26.04.24
Zahntechnikerin Iris Adam setzt sich seit vier Jahren als Freiwillige in einem privaten Krankenhaus ein
[mehr...]
26.04.24
Neuer Kunstführer zur Schwarzen Kirche eine Veröffentlichung von bleibendem Wert
[mehr...]