Die Törzburg zwischen Mythos und Geschichte
05.03.20
Ein Besuch bei der berühmtesten Sehenswürdigkeit Rumäniens
eine Reportage von Elise Wilk und Laura Capatana-Juller
Riesige Fledermaus-Lebkuchen am Stiel stehen im Schaufenster eines Ladens im Zentrum von Törzburg. Auf den Fledermäusen stehen vier Zuckerbuchstaben: BRAN. Für neun Lei kann man eine haben. Ein paar Meter weiter werden Schafskäse, Speck, Plastik-Vampirzähne, Halloweenmasken, traditionelle rumänische Ia-Blusen, Spielzeugpistolen und elektrische Spinnen verkauft. Neben den Verkaufsständen gibt es sogar ein Gruselkabinett. Ein Mann in Skelett-Kostüm geht hier auf und ab. Plötzlich fängt er an zu sprechen: „bitte keine Fotos mit der Guillotine machen!“ An den kahlen Bäumen im Garten des Schlosses hängen rote Herzen. Die Vorbereitungen für den Valentinstag laufen. Es ist ein kalter, aber sonniger Februarvormittag in einem der meistbesuchten Orte Rumäniens.
Schloss Bran (Törzburg), ursprünglich als Grenz- und Verteidigungsfestung gedacht, thront über der Schlucht und der Straße, die Siebenbürgen mit der Walachei verbindet. Im Jahr 1388 gebaut, gehörte das Anwesen im Laufe der Jahrhunderte ungarischen Königen und europäischen Adelshäusern und wurde nach 1920 die Sommerresidenz der rumänischen königlichen Familie. Die Familie wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von den rumänischen Kommunisten aus der Burg vertrieben. Im Jahr 2006 wurde das Schloss an Nachfahren der Habsburger zurückgegeben. Doch seine Berühmtheit verdankt es einer erfundenen Romangestalt, dem Graf Dracula, 1987 vom irischen Autor Bram Stoker ins leben gerufen. Das wissen die Verwalter gut zu vermarkten. Trotzdem gibt es noch vieles zu verbessern.
Mit dem Dracula Express nach Törzburg
Für Touristen ohne Auto gibt es zwei Möglichkeiten, nach Törzburg zu gelangen Die eine mit dem Bus, der vom Busbahnhof nr.2 (Avram Iancu-Straße) einmal pro Stunde abfährt. Die andere heisst „Dracula Express“. Es handelt sich um rote Touristenbusse, die von der Postwiese abfahren. 75 Lei kostet die Hin- und Rückfahrt, wobei ein Reiseleiter während der Fahrt interessante Fakten über das Schloss erzählt. Im Dezember 2019 wurden die Sanierungsarbeiten der Nationalstraße DN 73, die Kronstadt mit Törzburg verbindet, beendet. Das hat dazu geführt, dass im letzten Monat des vergangenen Jahres 15% mehr Touristen das Schloss besuchten als im Monat Dezember 2018. Der Trend wird mit Sicherheit im Jahr 2020 weitergehen. Seit der Übernahme des Schlosses durch den rechtmäßigen Erben Dominik von Habsburg im Jahr 2006 sind Besucherzahlen und Einnahmen von Jahr zu Jahr gestiegen.
Über eine Million Touristen haben im Jahr 2019 die Törzburg besucht - davon haben fast 900.000 eine Eintrittskarte gekauft, die restlichen waren Besucher von privaten und öffentlichen Veranstaltungen, die im Schloss stattgefunden haben. Das sind ungefähr 5% mehr Besucher als im Vorjahr, gaben die Verwalter des Schlosses zu Jahresanfang bekannt. Die meisten Touristen, die im Jahr 2019 das sagenumwobene „Dracula-Schloss” besucht haben, sind Ausländer. Es könnte sogar noch besser sein, meinen die Verwalter des Schlosses: „Das große Problem ist die schlechte Infrastruktur, besser gesagt, die nicht vorhandene Autobahn, die Bukarest mit Kronstadt verbinden sollte. Auch durch das Fehlen eines Flughafens in Kronstadt verlieren wir potentielle Touristen“, meinen diese.
Ein beliebtes Ferienziel für ausländische Touristen
Obwohl es ein Wintertag mitten in der Woche ist, ist das Schloss relativ gut besucht. Aber im Sommer soll es viel hektischer zugehen. „Im August muss man hier Schlange stehen“, sagt einer der Angestellten des Schlosses. “Es sind viele Ausländer, die kommen. Die Touristen aus Israel kaufen viel, sie wollen aber immer den Preis verhandeln“, erzählt eine Frau, die in einem kleinen Soivenir-Laden arbeitet. Sie verkauft gestrickte Tiere, vergoldete Ringe und Uhren, glitzernde Armbänder. In einem anderen Laden kann man Venedig-Masken kaufen. Etwas weniger missratene Souvenirs findet man in den Museums-Shops des Schlosses. Seit ein paar Jahren scheint sich hier viel getan zu haben. Ein schöner Ort, um vor dem Schlossbesuch einen Kaffee zu trinken oder nach der Tour etwas zu essen ist das Cafe, das sich im ehemaligen Teehaus der Königin Maria befindet und ein umfangreiches Menü bietet, auf dem man sogar „coliva” (traditionelle rumänische Beerdigungsspeise) findet.
Ein anderes Highlight der Törzburg ist der Fahrstuhl, der das Innere des Schlosses mit einem Tunnel verbindet, durch den die Touristen in den Hof gelangen können.Der Aufzug legt 31,5 Meter zwischen seinen beiden Stationen zurück und ist mit Gasdetektor, Rauchdetektor und einem Sensor für Erdbebenerkennung ausgestattet. Im Inneren des Lifts sind moderne Bildschirme, Foto- und Videokameras angebracht.
Der Glanz von einst
Der 82jährige Dominic von Habsburg hat seine Kindheit in dem Schloss verbracht, wo seine Großeltern Königin Maria und König Ferdinand I lebten. Nachdem ihm das Schloss im Jahr 2006 zurückerstattet wurde, erklärte er dem Wall Street Journal, dass er alles mögliche unternehmen wird, damit es „den Glanz von einst“ wieder gewinnt. Eines seiner Ziele war laut den ausländischen Medien auch, es vom Vampir-Image zu disoziieren. „Warum sollte man sich auf eine Erfindung konzentrieren, wenn das Schloss seine eigene reiche Geschichte hat?“, sagte Habsburg vor zwei Jahren der Zeitschrift „Vanity Fair“.
Trotzdem lieben die Touristen die Asoziierung mit Dracula. Viele von ihnen kommen als Vampire bekleidet ins Schloss. Auch das Buchungsportal Airbnb hat in diesem Sinn mitgespielt. Vor ein paar Jahren organisierte es einen Wettbewerb. Der große Preis war eine Übernachtung im Schloss. In der Werbung für den Wettbewerb war die Rede von einem „Labyrinth endloser Korridore“und „dunklen Grabgewölben tief unter der Erde“. Schlafen sollen die Gäste in „luxuriösen, samtbesetzten Särgen“. Initiator des Wettbewerbs war Dacre Stoker, ein Urgroßneffe des Schriftstellers Bram Stoker, laut eigenen Aussagen „ein absoluter Vampirexperte“.
Folterzimmer und Rechtscheibefehler
Die Verwalter des Schlosses haben bemerkt, dass der Vampir-Trend funktioniert. Also haben sie mehrere Ausstellungsräume auch dem Fürsten Vlad Tepes gewidmet- er soll Stokers Inspiration für Dracula gewesen sein, soll jedoch nie in der Burg gewohnt haben. Auch eine permanente Ausstellung über Foltermethoden beherbergt das Schloss seit einiger Zeit. Während wir durch die Zimmer gehen, kriegen wir Gänsehaut. Die unmenschlichen Methoden, die in der Vergangenheit angewendet wurden um Leute zu foltern bringen uns die normalen Bedingungen, in der wir heutzutage leben ins Bewusstsein und wir sind dankbar, dass es Organisationen wie Amnesty International gibt, die sich für Menschenrechte einsetzen. Außer Abbildungen von historischen Zeichnungen zu unterschiedlichen körperlichen und psychischen Foltermethoden die im Mittelalter zur Wahrheitsfindung, dem Erzwingen eines Geständnisses, zur Abschreckung oder Bestrafung eingesetzt wurden, sind auch einige Exemplare sadistischer Instrumente zu sehen. Eine Schandmaske in Form eines Schweinekopfs, die beispielsweise Frauen die sich zu provokativ anzogen tragen mussten, metallene Keuschheitsgürtel, aber auch eine Streckbank, ein Nagelstuhl, Brustreißer oder eine sogenannte „Judaswiege“ sind zu sehen. Auch erfahren wir ausführlich über die von Vlad }epe{ angewendete Foltermethode, die Pfählung. Seine unmenschliche Art zu bestrafen ist auch in einem anderen Zimmer detailliert, das unter anderen dem Herrscher aber auch Bram Stokers Dracula gewidmet ist. Was uns außer den zahlreichen interessanten Informationen aufgefallen ist, die in Rumänisch und Englisch zu lesen sind, sind die vielen Schreibfehler und die schlechte Qualität der Fotos, die in teilweise geringer Auflösung vom Internet heruntergeladen sind, so dass die dargestellten Elemente kaum erkennbar sind. Ob das auf Desinteresse der Verwalter des Schlosses gegenüber der Besucher und der Exponate selbst deutet, mussten wir uns fragen. Heutzutage ist die Folter der Menschen fast überall auf der Welt verboten, und Geständnisse unter Terror gelten als nichts rechtskräftig, doch gibt es in totalitär regierten Staaten, beziehungsweise im Umfeld kriegerischer Konflikte auch heute noch manche Folterinstrumente die bei Gefangenen eingesetzt werden. Die UN-Antifolterkonvention wurde bisher von 160 UN-Mitgliedsstaaten ratifiziert. Laut Verwalter des Schlosses wird zurzeit auch in der letzten Etage eine Ausstellung zum Thema des Dracula-Mythos vorbereitet. Eine Eintrittskarte kostet 40 Lei für Erwachsene, 30 Lei für Rentner, 25 Lei für Studenten und 10 Lei für Schüler. Mehr Infos unter www.castelul bran.ro.
Rettung des Dorfmuseums
Auch über ein anderes Problem stoßen wir in Törzburg. Seit Anfang des Jahres ist das Dorfmuseum, das sich im Freien, in der unmittelbaren Nähe des Schlosses befindet, ernsthaft bedroht, geschlossen zu werden. Das Grundstück das sich auf 9.500 Quadratmetern erstreckt wurde vor einigen Jahren, wie auch die ehemalige Königliche Residenz, den Erben der Prinzessin Ileana, Tochter der Königin Maria und dessen Gatten König Ferdinand I. rückerstattet, die es für andere Zwecke nutzen möchten. Laut einigen Gerüchten die in den Massenmedien verbreitete wurden, könnte hier Dracula-Land, ein Vergnügungspark, entstehen. Nun sucht das Kulturministerium, Verwalter der Institution, nach Lösungen diesen „wahrhaftigen Schatz“ wo 18 einmalige Monumente von Volksarchitektur stehen zu retten. Schon 2006 hat der Kronstädter Kreisrat versucht die Verwaltung des Dorfmuseums zu übernehmen, doch ist die Initiative wegen dem damaligen Rechtsstreit um das Grundstück fehlgeschlagen. Diese Variante, sowie die Selbstfinanzierung durch das Veranstalten unterschiedlicher Ereignisse und weitere Möglichkeiten das Erbe, das unter Denkmalschutz steht, zu schützen wurden besprochen. Es wird weiterhin nach Lösungen gesucht. Die kleinen Holzgebäude mit zwei, oder drei Zimmern stammen aus dem 18. bis zum 20. Jahrhundert und stellen die hauptsächlichen Haushalte und Häuser, Nebengebäude , ökonomische Bauten und Installationen zur Holzbearbeitung, wie auch zum Spinnen von Wolle vor, welche die Entwicklung der traditionellen Volksarchitektur der Dörfer rund um Törzburg deutlich machen. Auch sind hier einige der ältesten repräsentativen ländlichen Bauten der Gegend wiederaufgebaut, wie beispielsweise die „hod²i”, die auch heutzutage auf schwer erreichbaren Hügeln anzutreffen sind. Eine Umsiedlung würde für viele der Bauten das Ende bedeuten. Für die Rettung dieses im Kreis Kronstadt einzigartigen Museums haben die Angestellten und Unterstützter einen Protest veranstaltet und fast 10.000 Menschen haben eine Petition unterschrieben. Man kann nur hoffen, dass man sich auch weiterhin auf die ausgestellten Raritäten freuen kann.
Das Schloss wird auch im Winter gut besucht. Foto: Laura Capatana-Juller
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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