Ein halbes Jahrhundert „Club of Rome“ (1)
21.01.21
Gastbeitrag von Uwe Grün (Bergisch Gladbach)
Eine der z.Z. bekanntesten, aber zugleich auch umstrittensten privaten Organisationen - weltweit bekannt unter dem Namen „Club of Rome“ wurde im Jahr 1968 von dem italienischen Industriellen Aurelio Peccei in der „Accademia dei Lincei“ in Rom gegründet. Der umtriebige Peccei war Präsident der Unternehmensberatung „Italoconsult“ sowie Mitglied in der Firmenleitung von „Fiat“ und „Olivetti“. Er machte sich in den frühen 1960er Jahren Sorgen, als ihm klar wurde, dass das von den weltweiten bekannten Statistiken seit einiger Zeit festgestellte dramatische Wachstum der Weltbevölkerung, der ständig wachsende Verbrauch von nicht regenerierbaren Rohstoffen und die zunehmende Umweltbelastung, nicht ewig so weiter fortschreiten könne.
Man war sich auch unter den anfangs noch nicht sehr zahlreichen Mitgliedern des „Club of Rome“ im Klaren, daß wohl der Motor jeder freien Wirtschaft auf Wachstum aufbaut, aber man hatte zugleich auch die Vorstellung, dass es sich dabei um ein „organisches Wachstum“ handeln müsse. Schon seit geraumer Zeit hatte man aber in vielen Bereichen der Wirtschaft klare Anzeichen dafür erkannt, dass der Verbrauch von Rohstoffen wie Kohle, Erdöl, Gas u.v.a. schon seit Jahren die Tendenz zu einem exponentiellen Wachstum mit nicht vorhersehbaren Konsequenzen entwickelt hatte.
Auch das Wachstum der Weltbevölkerung tendierte nach Hochrechnungen der UNO zu einem exponentiellen Verlauf. Die für das Jahr 1970 erwartete Bevölkerungszahl war zahlenmäßig schon im Jahr 1958 übertroffen worden. Die Verdopplungszeit der Weltbevölkerung betrug im Jahr 1970 etwa 33 Jahre, mit der Tendenz sich in nächster Zukunft zu verkürzen.
Peccei stand damals nicht allein mit seinen düsteren Vermutungen. Ein enger Kreis von Beratern und Fachleuten, mit welchen er sich zeitweilig austauschte, waren der Meinung, dass die sich weltweit immer öfter bemerkbar machenden Krisenerscheinungen mit den drastischen Wachstumsvorgängen in engem Zusammenhang standen. Folgen des immer stärker beschleunigten Wachstums der Industrialisierung waren u. a. ein beschleunigtes Wachstum der Bevölkerung, ein immer höherer Verbrauch an Rohstoffen und, als direkte Konsequenz, eine extreme Umweltbelastung.
Man machte global gesehen die bedrückende Feststellung, dass sich die Kluft zwischen Armen und Reichen ständig vergrößerte. Zum anderen wirkte sich die menschliche Gesellschaft zum ständigen Zerstörer ihrer Umwelt aus. Das machte sich bemerkbar durch Mangel an sauberem Trinkwasser in den Entwicklungsländern und durch eine immer dramatischer werdende Beschränkung des Lebensraumes von Menschen und zahlreichen Tierarten.
Nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika machte sich schon seit Jahrzehnten eine unheilvolle Konzentration der Bevölkerung in Großstädten mit der Konsequenz bemerkbar, dass der Wohnraum in den Städten immer teurer wurde. Ein weiteres Problem stellte das Auffinden von Arbeitsplätzen und die ständige Fluktuation der Arbeitskräfte dar.
In den frühen 1960er Jahren traten in vielen amerikanischen Großstädten Krisenerscheinungen größeren Ausmaßes auf. Bürgermeister und Stadtverwaltungen sahen sich gezwungen, ihre lokalen Probleme zu analysieren und erfolgreiche Lösungen anzubieten. So auch in Boston (USA), wo der Bürgermeister John F. Collins sich schon seit Jahren mit ähnlichen Problemen herumschlug. Collins hatte seinerzeit gute Verbindungen zur renommierten amerikanischen Denkfabrik MIT (Massachusetts Institute of Technology), wo sich seit einiger Zeit Prof. Jay Forrester mit neuen Methoden und Verfahren in der Lösung von komplexen Fragen der Industrie einen Namen durch seine Veröffentlichungen gemacht hatte (z.B. Jay Forrester: „Industrial Dynamics“, MIT Press, 1961). Forrester, als ehemaliger Professor für Automatisierungstechnik, kam zu der Auffassung, dass Probleme der Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in ihrem dynamischen Verhalten mit der angewandten Theorie für Regelkreise beschrieben werden können. Er entwickelte Simulationsverfahren, welche zu einer groflen Anzahl von Gleichungen führten, die er dann mit Hilfe von elektronischen Rechnern löste. Das Ergebnis waren zeitliche Verläufe der wichtigsten Trends in Wirtschaft und Gesellschaft in komplexer Abhängigkeit zu allen anderen Variabeln.
Collins hatte sich wegen der langwierigen und erfolglosen Bemühungen um die Bewältigung seiner Probleme in Boston bereits Ende der 1960er Jahre an Forrester gewandt, der ein Simulationsverfahren zum Städteproblem entwickelte und belastbare Lösungen anbot (Jay Forrester: „Urban Dynamics“, 1969). Auch für Boston hatten sich letztlich tragbare Lösungen gefunden. Nach seiner Zeit als Bürgermeister wechselte Collins als Visiting Professor zum MIT.
Als Forrester 1968 von der Gründung des „Club of Rome“ erfuhr, entschloss er sich spontan, daselbst Mitglied zu werden. Im Juni 1970 organisierte Peccei in Bern (Schweiz) eine Tagung des „Club of Rome“, an welcher auch Forrester teilnahm. Peccei trug sich schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken, eine systematische wissenschaftliche Studie über die zukünftige Entwicklung auf Grund eines „Weltmodells“ zu initiieren und kompetenten Personen in Arbeit zu geben. Er kannte Forresters Veröffentlichungen und sprach ihn in Bern darauf an, ob er nicht gewillt sei, ein Modell der weltweiten Entwicklung zu erarbeiten und zu untersuchen. Forrester war sofort einverstanden und skizzierte handschriftlich noch im Flugzeug, auf dem Rückflug nach Amerika, ein erstes komplexes Weltmodell.
Fortsetzung folgt
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
01.11.24
Interview mit Edith Schlandt anlässlich ihres 80 jährigen Geburtstags
[mehr...]
25.10.24
Abschluss der Restaurierungsaktion im Rahmen der Vortragsreihe „Kulturerbe hautnah“ öffentlich vorgestellt
[mehr...]