Ein halbes Jahrhundert „Club of Rome“ (3)
04.02.21
Ein Gastbeitrag von Uwe Grün (Bergisch Gladbach)
Die Veröffentlichung des ersten Berichts an den „Club of Rome“ über die Lage der Menschheit hatte weltweit in kurzer Zeit Aufsehen erregt. Dabei war ein genereller Trend zur entschiedenen Ablehnung der Ergebnisse der Forrester-Studie festzustellen. Die Gründe und Ursachen waren unterschiedlich und vielfältig.
Die Volksrepublik China, die Sowjetunion und die kommunistischen Satellitenstaaten Osteuropas distanzierten sich davon, da sie ihrer Meinung nach nicht zum besagten Weltmodell gehörten. Man war hier der Meinung, dass sich Planwirtschaften kommunistischer Prägung den Kriterien und Konsequenzen des Weltmodells entziehen. Das hatte zur Folge, dass ein neues Weltmodell in knapp zwei Jahren an der Cleveland Universität von Prof. Dr. Mihailo Mesarovic und in Hannover von Prof. Dr. Eduard Pestel entwickelt wurde und 1974 als zweiter Bericht an den Club of Rome unter dem Titel “Menschheit am Wendepunkt“ vorgestellt wurde. Das neue Weltmodell von Mesarovic/Pestel betrachtet die Welt als ein vielschichtiges, aus vielen Regionen bestehendes Gebilde, dessen Verhalten durch innovative und adaptive Fähigkeiten der Menschen bestimmt wird. Die Autoren hatten die Weltstaaten in zehn Gruppen aufgeteilt und in dem Ablauf des Weltmodells die spezifischen Charaktere und Eigenheiten wirtschaftlicher und kultureller Art berücksichtigt.
Interessanterweise stellte man fest, dass die Ergebnisse der Durchläufe des Modells nur unwesentliche Abweichungen vom Forrester-Modell aufzeigten. Auch wurden die Staaten mit Planwirtschaften nicht aus der Verantwortung entlassen. Natürlich gab es zu den beiden Weltmodellen auch Lob und Zustimmung, was interessierten Journalisten den Anlass bot, eine Reihe von namhaften Wissenschaftlern, Politikern, Philosophen und Sozialtheoretikern zu dem Erfolg oder Mißerfolg der Forrester-Studie zu befragen. Der niederländische Journalist Willem L. Oltmans z. B. machte sich schon 1973 die Mühe, etwa 30 namhafte Persönlichkeiten zu befragen. Seine Ergebnisse veröffentlichte er 1974 im Buch „Die Grenzen des Wachstums. Pro und Contra.” Man konnte feststellen, dass die beiden Weltmodelle und deren Ergebnisse in den unterschiedlichen Simulationen mehr Fragen aufwarfen als Antworten bereit hielten. Aus den Befragungen namhafter Persönlichkeiten zum Forrester-Weltmodell konnte man jedoch eine objektive Einschätzung der Schwachpunkte der Studie ausarbeiten und das gab den Anlass zur Verbesserung des Modells. Nicht von der Hand zu weisen war die Tatsache, dass das Grundverhalten des Weltsystems ein exponentielles Wachstum der Weltbevölkerung bis hin zum Zusammenbruch darstellt. Dieses Grundverhalten bleibt unverändert, unabhängig davon, ob man davon ausgeht, dass sich nichts Wesentliches verändern wird, oder ob man beliebig viele technologische Veränderungen einführt.
So die entmutigende Aussage des Forrester-Weltmodells im Jahre 1972. Sie hat in ihrer Auswegslosigkeit dazu geführt, dass sie von der Politik größtenteils ignoriert wurde. Man hat in den vergangenen 50 Jahren, in denen der Club of Rome über 40 weitere Berichte erhielt, wiederholt Mahnungen ausgesprochen, die aber von wichtigen Entscheidungsträgern nicht gehört wurden. Als dann in den letzten Jahren die Erderwärmung und der von Menschen verursachte Klimawandel nicht mehr geleugnet werden konnte und vieles sich abzeichnete, was das Forrester-Weltmodell bereits vor 50 Jahren prophezeit hatte, blieb der „Club of Rome“ trotzdem sozusagen „außen vor“. Er wird weltweit nicht einmal aus Zufall als Initiator und Mahner zu einer umweltverträglichen Politik erwähnt. Fast unverständlich bleibt heute, dass die Institution „Club of Rome“ von einigen, zum Glück nicht sehr zahlreichen Autoren in die Ecke der okkulten, pseudowissenschaftlichen geheimen Institutionen geschoben wurde (z.B. in der verleumderischen Schrift von J. Coleman: „Der Club of Rome“, J. K. Fischer Verlag 2014, die viele Ungenaugkeiten, aber vor allem haarsträubende Interpretationen und Auslegungen beinhaltet. Solche Schriften haben wesentlich dazu beigetragen, dass die sehr wissenschaftlich dokumentierten Berichte an den „Club of Rome“ der letzten Jahrzehnte nicht mehr ernst genommen wurden.)
Mittlerweile hat in Anbetracht der sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verschlechternden Umweltproblematik, der Schutz der Umwelt den Rahmen der Wirksamkeit des „Club of Rome“ um vieles überschritten . Am 20 September 2015 wurde von den Vereinten Nationen die „Agenda 2030“ verabschiedet, die 11 wichtige sozio-ökonomische Ziele als Lösung der akutesten Probleme der Menschheit definiert. Dabei müssen die wichtigen Weltprobleme als Ganzes betrachtet und der Schutz der Umwelt als dringende Priorität mit berücksichtigt werden.
Im Jahre 2018, zum 50. Geburtstag des „Club of Rome“, meldeten sich mehrere hervorragende Persönichkeit des „Club of Rome“ mit Veröffentlichungen, in welchen sie auf die gefährliche, aktuelle Umweltsituation hinwiesen: Meeresverschmutzung, Verschwinden jährlich von hunderten von Tierarten, dramatischer Anstieg der mittleren Temperatur mit Schwerpunkt an den beiden Erdpolen und dem Schmelzen deren Eiskappen, Bedrohung vieler dichtbewohnter Küstenstreifen durch den schnellen Anstieg der Ozeane u.v.a. Der Schotte Graeme Maxton, 2014-2018 Generalsekretär des „Club of Rome“, veröffentlichte das Buch „Change! Warum wir eine radikale Wende brauchen“ (Komplett Media Verlag 2018). Der ehemalige Direktor des bekannten Wuppertal-Institutes Prof. Dr. Ernst Ulrich v. Weizsäcker veröffentlichte zusammen mit Dr. Anders Wijkman, beide seit 2012 Ko-Präsidenten des „Club of Rome“, das Buch : „Wir sind dran. Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen“ (Gütersloher Verlagshaus, 2017). Diese beiden Bücher gelten als wissenschaftlich legitimierte bedeutsame Berichte an den „Club of Rome“.
In Rumänien hatte der „Club of Rome“ dank einer Kette von günstigen Zufällen ein eigenes Schicksal. Die ersten Informationen über den „Club of Rome“ brachte Akademiemitglied Prof Dr.- Ing Remus Radulet nach Bukarest und Temeswar. Auf einer wissenschaftlichen Dokumentationsreise mit Schwerpunkt am MIT (USA) im Jahr 1971 hatte Prof. Radulet am MIT Prof. Jay Forrester persönlich gesprochen und wurde über dessen Arbeiten bestens informiert. Zurück in Rumänien verfasste er wissenschaftliche Vorträge über die „Grenzen des Wachstums“ und stellte diese Grenzen als sehr bedeutsam vor Studenten und Lehrkräften der beiden Polytechnischen Institute vor. Jedoch war die politische kommunistische Führung in Rumänien der ideologischen Linie treu geblieben, die vorgab, dass vom exponentiellen Wachstum hervorgerufene Krisen ein Problem ausschließlich der kapitalistischen Länder seien, und so wurde das gesamte Thema vorerst in Rumänien verschwiegen. Zwar hatten Teile der intellektuellen Elite des Landes damals Zugang zu den Veröffentlichungen im Ausland und waren bestens informiert, aber erst nach der politischen Wende 1989 wurden der Club of Rome und seine Berichte auch in Rumänien nach ihrem realen Wert eingeordnet.
Prof. Dr. Mircea Malita , ehemaliger Unterrichtsminister in Bukarest noch aus kommunistischer Zeit, bekannt durch bedeutende Veröffentlichungen auf dem Gebiet des europäischen Bildungssystems, wurde Mitglied (und nach seinem Austritt Ehrenmitglied) des „Club of Rome“. Prof. Malita war an vielen wissenschaftlichen Arbeiten über das europäische Bildungssystem beteiligt. Die wichtigsten seiner Beiträge sind in „No Limits to Learning“ (1978) und in“The Double Helix of Learning and Work” (2003) zu finden. In den letzten 20 Jahren hat sich der parteilose Agronomie-Ingenieur und Bodenkunde- Wissenschaftler aus Bukarest Calin Georgescu besonders hervorgetan. Er war Experte bei den Vereinten Nationen (Sonderberichterstatter für Giftabfälle) und leitete die Europa- Abteilung des „Club of Rome“ über viele Jahre. Calin Georgescu gilt in Rumänien zur Zeit als ernst zu nehmender Reformer der Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft.
Wer die Leistungen des „Club of Rome“ über die 50 Jahre seines Bestehens kritisch analysiert und objektiv einordnet, kommt ohne gebührende Anerkennung und Lob nicht davon. Leider haben sich grundsätzlich die düsteren Voraussagen aus den „Grenzen des Wachstums“ schon frühzeitig in der ganzen Welt bestätigt. Trotz allen Mahnungen der Umweltschutz-Verbände weltweit sind grundlegende Maßnahmen und Reformen zum Schutz der Umwelt und des Klimas noch nicht entsprechend. In vielen Ländern wird der „menschgemachte Klimawandel“ noch geleugnet. Man argumentiert vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern damit, dass die westlichen Länder in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich zur heutigen desolaten Lage der Umwelt beigetragen hätten, und nun sei die Zeit gekommen, dass durch ähnliches Verhalten auch die Entwicklungsländer zum Wohlstand aufzusteigen berechtigt seien. So lassen sich z. B. das intensive Roden des brasilianischen Urwalds, aber auch viele andere ähnlich fragwürdige Ereignisse weltweit erklären.
Wie die beiden letzten Berichte an den „Club of Rome“ deutlich machen, ist ein Mentalitäts- und Gesinnungswandel erforderlich, der ohne Einschränkungen und Verzichte auf „lieb gewonnene Lebensformen und Bequemlichkeiten“ nicht zu erreichen. Dabei ist die Politik offensichtlich für solche radikalen Veränderungen und ihre nicht vorhersagbaren Konsequenzen für die politische und gesellschaftliche Stabilität noch nicht vorbereitet. Nach 50 Jahren bleibt der vieldiskutierte und nicht selten umstrittene „Club of Rome“ diejenige Institution, die als erste durch fundierte wissenschaftliche Untersuchungen auf die gefährliche Weltentwicklung hingewiesen hat.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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