Eine neue Dorfgemeinschaft zusammengewachsen
19.03.09
Caroline Fernolend, Vizepräsidentin der Mihai Eminescu Trust-Stiftung, über Restaurierungen im sächsischen Umfeld Siebenbürgens
Mit unwahrscheinlichem Pathos spricht Caroline Fernolend nicht nur über Deutsch-Weißkirch, ihrem Heimatort, sondern allgemein über die jetzige Lage in sächsischen Ortschaften Siebenbürgens, vor allem was die Bausubstanz betrifft und die dringend erforderlichen Maßnahmen die zu treffen sind, um diese zu retten. Das tut sie aber auch mit Hartnäckigkeit, vielleicht auch mit Dickköpfigkeit, vor allem aber in voller Kenntnis dessen, was sie an Dorfbewohner, an Fachleute - gleich ob diese vom Kulturministerium oder gar der Regierung kommen -, an Touristen vermitteln will. Das tut sie nun auch in Vorträgen, um Menschen für diese Projekte zu sensibilisieren, Spender für die finanzielle Unterstützung zu gewinnen. Bekanntlich ist die „Mihai Eminescu Trust“-Stiftung mit Hauptsitz in Großbritannien, die unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles steht, auf Initiative ihrer jetzigen Vorsitzenden, Jessica Douglas-Home, 1987 gegründet worden und hat als Hauptanliegen den Wiederaufbau sächsischer Dörfer in Siebenbürgen und deren Revitalisierung. Deutsch-Weißkirch, dieses malerische sächsische Dorf mit der Kirchenburg, wurde bereits 1994 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Vielleicht auch dadurch wurde Jessica Douglas angezogen, die Ortschaft zu besichtigen, die sie lieben gelernt hat und da auch Caroline Fernolend kennen lernte. Durch ihren Einsatz für die Bewahrung des Gemeinschaftslebens, der von ihr entwickelten Initiativen, nachdem 1990 der Großteil der Ortsbewohner aussiedelte, fand man in Caroline Fernolend den richtigen Menschen vor Ort, um sich für die Belange der Stiftung einzusetzen. Als Absolventin der Kronstädter Fakultät für Internationale Wirtschaftsbeziehungen ist sie nun seit zehn Jahren zur Mitarbeiterin der Stiftung geworden, ist zur Vizepräsidentin der Stiftung Mihai Eminescu Trust (MET) in Rumänien aufgestiegen. Caroline Fernolend (geb. Dootz) hat sich, so wie auch ihre Eltern, immer voll in die Dorfgemeinschaft integriert, hat versucht zu bewahren was zu bewahren ist. Volle Unterstützung findet sie dabei sowohl seitens ihres Ehegatten als auch der Tochter Ursula, die Geschichte studiert hat und sich mit der Vergangenheit ihre Vorfahren auseinander setzt.
Eine neue Dorfgemeinschaft zusammengewachsen
Schon kurz nach der Wende von 1989 hat sich Caroline Fernolend auch politisch engagiert indem sie zum Mitglied des Gemeinderates von Bodendorf/Bune{ti gewählt wurde. Seit zwei Legislaturperioden vertritt sie da das Demokratische Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt in dessen Vorstand sie auch Mitglied ist – und da nicht immer eine leichte Position hat, wenn es darum geht, vor allem für die Restaurierung der Bausubstanz in den zugehörigen Ortschaften – Deutsch-Weißkirch/Viscri ist zu Bodendorf zugehörig –, die erforderliche Unterstützung zu finden. Aber auch dann, wenn es sich um Ausbesserung der Zufahrtswege, der Einführung moderner Infrastruktur handelt, stößt man manchmal auf Widerstand. Für ihren sozialen Einsatz wurde sie im Jahre 2004 mit dem international anerkannten „Ecce homo“-Preis ausgezeichnet.
„Das ganze Dorf. Bemühungen um die Bewahrung der siebenbürgisch-sächsischen Dorfarchitektur“ ist der Titel ihres thematischen Vortrages den sie kürzlich im Rahmen der deutschen Vortragsreihe im Kronstädter Forum vor vollbesetzten Saal, aber auch in anderen Ortschaften, gehalten hat. Anhand der Bilder zeigt sie auf, was nicht nur in Deutsch-Weißkirch, aber auch in anderen Ortschaften schon geleistet werden konnte , alles verglichen mit dem trostlosen Zustand der Gebäude vor Beginn der Restaurierungsarbeiten. Sie gibt auch die Erklärung für die einleitende Bezeichnung „Das ganze Dorf“ denn, so wie in dem Programm die Baudenkmäler wichtig sind, so sind es auch die Menschen, die für das Programm sensibilisiert werden müssen, dafür erzogen und beruflich ausgebildet werden. Heute ist die Stiftung in 19 Dörfern aktiv, in Deutsch-Weißkirch wurde die Stiftung vor zehn Jahren überzeugt, sich auch da einzusetzen. War dieses früher ein sächsisches Dorf, leben heute da nur noch 36 deutsche Angehörige, laut Evidenz des Kronstädter Kirchenbezirks. Dabei bilden die Roma den Großteil der Bevölkerung – 73 Prozent. Somit ist da eine neue Gemeinschaft zusammengewachsen. Es gibt nicht mehr die früher da bestehende Dorfgemeinschaft mit Nachbarschaftssatzungen von der manche noch träumen.
Schon kurz nach der Wende wurde ein Integrierungsprogramm für Frauen von Initiatoren aus Dresden eingeleitet, die dann besonderes durch Stricken von Socken sich eine Existenz sicherten. Caroline Fernolend gelang es das Interesse der Ortsbewohner für den Tourismus als Einnahmequelle zu wecken. Es wurden Fortbildungen in diesem Bereich veranstaltet. Heute betreiben zehn Familien Dorftourismus. Dafür haben sie ihre Häuser auch mit Unterstützung der MET-Stiftung dafür hergerichtet, diese mit traditionellen Möbeln ausgestattet. Allein im Vorjahr kamen nach Deutsch-Weißkirch 10.000 Touristen von denen 7900 da übernachteten. Bei der ersten Tourismusmesse in Bukarest 1996, war Caroline Fernolend noch mit einigen Fotos und in sächsischer Tracht angereist um Werbung für die Ortschaft zu machen. Heute benötigt es keiner Werbung mehr. Man denkt sogar daran, bei der Einfahrt einen Parkplatz einzurichten damit nicht nur kein Staub in den Dorfstraßen aufgewirbelt wird, sondern um den Romaangehörigen die nun schöne Pferde und Wagen besitzen, eine zusätzliche Existenz zu sichern. Diese nehmen die Touristen auf ihre Pferdewagen und führen sie an den Bestimmungsort. Einschließlich der international bekannte Rockstar Peter Maffay hat eine solche Pferdetour da gemacht und blieb schwer begeistert davon. Ein großer Anziehungspunkt für Deutsch-Weißkirch und das Umfeld, bilden die wiederholten Besuche des britischen Thronfolgers, Prinz Charles. Auch Caroline Fernolend betont wie menschennah sich der Prinz da verhält, welches Interesse er an dem Geschehen und den verzeichneten Entwicklungen da hat, wie begeistert er sich über die in den eigenen Wirtschaften erstellten natürlichen Produkte äußert. Voraussichtlich spätestens im Herbst wird im Dorf ein Laden eröffnet in dem solche Produkte angeboten werden.
Hauptaufgabe der Stiftung bleibt aber die Restaurierung alter sächsischer Häuser und, allgemein, der Bausubstanz. Auch diese Projekte werden mit lokaler Arbeitskraft durchgeführt. Roma wurden als Handwerker vor Ort ausgebildet, erhielten Zeugnisse die ihr Handwerk attestieren. Und was wichtig ist, sie lernten die traditionellen Baumaterialien zu verwenden und zu schätzen. Man kann nicht umhin, die Kenntnisse von Caroline Fernolend auch in diesem Bereich zu bewundern. Sie spricht wie ein Fachmann wenn z.B. nicht Zement bei den Restaurierungsarbeiten von Häuserfassaden verwendet werden soll, da das Mauerwerk dadurch nicht mehr „atmen“ könne. Die eigene Ziegelbrennerei wurde in Deutsch-Weißkirch eingerichtet; die zu guten Handwerkern als Tischler, Schmiede, Maurer ausgebildeten Ortsbewohner leisten nun beste Arbeit. Diesen wurden vermittels der Stiftung auch Maschinen und Werkzeug geboten. Sieht man vor Ort die restaurierten Häuser, Schulgebäude oder Kirchen, wird man überzeugt, hier wird bleibende Arbeit geschaffen. Straßen werden mit Steinen gepflastert; für die Bauarbeiten an Häusern werden die im Dorf gebrannten Ziegeln verwendet; Holzmaterial wird sogar für Brückenbauten eingesetzt; Bäume werden in den Dorfstraßen gepflanzt; eine natürliche Kläranlage für Abwässer soll errichtet werden. Gegenwärtig laufen die Arbeiten um Trinkwasser im Dorf einzuführen. Abfallkörbe aus Weidenruten wurden angefertigt; am Wochenende ist ein damit beauftragter Mann dabei, diese zu lehren und den Inhalt zur Müllhalde zu bringen. Gemeinsam mit anderen sechs Stiftungen wird an mehreren Umweltprojekten gearbeitet. Und auch an Schuppen und Scheunen werden Ausbesserungen vorgenommen oder diese sogar neu errichtet. Unter diesem Einfluss lernen auch die Roma ein neues Denken und Verhalten gegenüber dem, was die Vorfahren der Sachsen schafften, um deren Erbe zu bewahren. In allen 19 Ortschaften in denen die MET-Stiftung aktiv ist, gibt es eigene Vertrauenspersonen. Es wurden Arbeitsgruppen geschaffen die an den Projekten tätig sind.
Noch im Jahre 1912 wurde der Maler Eduard Morres von der Landschaft, der Kirchenburg von Deutsch-Weißkirch angezogen und verewigte diese in Gemälden. Zum Teil hat das Dorfbild schon eine Umwandlung erfahren die den alten Bildern gleichkommt. Unermüdlich wirbt Caroline Fernolend weiter für ihre Heimatgemeinde, für die zahlreichen anderen sächsischen Ortschaften in denen derartige Projekte abgewickelt werden. Im Dezember soll in München eine Ausstellung über diesen Einsatz gezeigt werden, wobei Caroline Fernolend auch einen Vortrag bieten wird, um neue Freunde und Gönner heranzuziehen, damit diese Aktion fortgesetzt werden kann. Dafür sei ihr viel Erfolg gewünscht.
Dieter Drotleff
Foto 1:Die Kirchenburg von Deutsch-Weißkirch wurde auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.Foto 2:Dorfstraße mit neuem Aussehen.Foto 3:Caroline Fernolend erregte mit ihrem Vortrag großes Aufsehen auch in Kronstadt.Foto: der Verfasser
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