Eine Reise durch Vietnam
18.04.19
Teil 3: Kokonuss-Boote, Lampions und eine abenteuerliche Jeep-Fahrt
Ein Bild aus Vietnam wird immer in unserer Erinnerung sein: riesige bunte Grabstätten erheben sich wie Paläste auf dem Sand. Sie sind reich verziert mit Figuren und Ornamenten und werden von goldenen Drachenstatuen gehütet. Die Gräber glitzern in der brennenden Sonne. Im Hintergrund hört man das Meer rauschen. Kein Mensch weit und breit, nur Gräber.
Vor einigen Minuten sind wir durch die Geisterstadt An Bang gefahren: hier stehen schicke Villas mit drei Etagen neben riesigen bunten Gräbern. In den Villas wohnt niemand. „Die Häuser wurden von Bewohnern des Dorfes gebaut, die in den USA leben und arbeiten. Sie bauen dann diese Paläste in ihrer Heimatortschaft, doch kehren sie nie zurück. Auch die Gräber für ihre Ahnen haben sie aus dem Geld gebaut, das sie in Amerika verdient haben. 50.000 Dollar kostet so ein Grab. Wir nennen es Fünf-Sterne-Hotel. Eigentlich macht es Sinn, dass es so schön und teuer ist. Es ist ja das Haus, in dem man am längsten wohnt, und zwar eine Ewigkeit“, meint Bee, unser Jeepfahrer.
Anfang der 90er Jahre war An Bang noch ein bescheidenes Fischerdorf. Doch nachher hat der Staat es erlaubt, dass Vietnamesen in den USA arbeiten. Das arme Dorf verwandelte sich in eines der prunkvollsten aus der Gegend. Und natürlich sollten auch die Gräber zeigen, dass man seine Ahnen hier respektiert.
Durch den Wolkenpass in die schönste Stadt der Welt
Wir lassen An Bang hinter uns und fahren durch weitere Dörfer. Auf dem Weg fahren wir an einer Hochzeitsgesellschaft vorbei. Bee erzählt uns, dass in Vietnam Hochzeiten mit 800 Gästen selbstverständlich sind. Sie werden meistens in riesigen Zelten gefeiert. Vor dem Eingang werden Fotos von dem Brautpaar aufgestellt. Aus dem Hochzeitszelt winken uns ein paar Frauen in glitzernden Satin-Kleidern zu. Wir halten noch an einer Karaoke-Bar, wo wir uns mit Mango-Smoothie erfrischen und an einem bildschönen Strand. Dann geht unser Weg weiter durch den Hai-Van Pass in Richtung Da Nang. Der Hai-Van Pass wird auch Wolkenpass genannt und führt über einen Gebirgszug, der das Land geographisch und meteorologisch trennt: vom Süden kommt man in den Norden, der etwas kühler ist. Die Serpentinen schlängeln sich hier 500 Höhenmeter nach oben. Leider können wir wegen dem dichten Nebel die schöne Aussicht nicht genießen. In der Stadt Da Nang, die früher Stützpunkt für US-Soldaten im Vietnam-Krieg war, halten wir nicht an. Dafür aber in den Marmorbergen, ein paar Kilometer von der Stadt entfernt. Hier besuchen wir die „Höhle des Paradieses und der Hölle“- Am Phu Cave. Auf steilen Treppen gelangt man nach unten- in den Höllenbereich, wo mit gruseligen Figuren in verschiedenen Farben Mord- und Opferszenen dargestellt werden. Bei jedem schritt sieht man einen Teufel oder eine gruselige Gestalt aus der Unterwelt. Eine weitere Treppe führt hinauf- in den Himmel- an singenden Buddha-Statuen vorbei. Draußen am Höhleneingang wird viel verkauft- von glücksbringenden Räucherstäbchen bis zu Teufel-Figurinen aus Plastik. Und eine Flasche Wasser kostet das Fünffache wie im Supermarkt. Wir steigen in den Jeep und fahren zu unserer letzten Station: Hoi An, die Stadt der bunten Lampions. Und die schönste, die wir in Vietnam gesehen haben.
Stadt der gelben Häuser, Lampions und Schneider
Hoi An liegt direkt am südchinesischen Meer. Heute gilt die historische Altstadt Hoi Ans als einzige, die im Vietnamkrieg nicht komplett zerstört wurde. Daher wurde sie auch von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Die Altstadt wird vom Fluss Thu Bon in zwei geteilt: auf der einen Seite wird an den Nachtmärkten alles mögliche verkauft. Bei Einbruch der Dunkelheit fangen unzählige, bunte Lampions in den Bäumen an zu leuchten und erhellen unseren Weg durch die engen Gassen. Auf dem Nachtmarkt kaufen wir einen Plastikbecher mit Mangostücken dann überqueren wir die japanische Brücke, eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Eine alte Frau läuft uns nach und fragt, ob wir auf dem Fluss Boot fahren wollen. Im Bott kann man dann Lampions anzünden und ins Wasser legen- dann leuchtet der ganze Fluss in bunten Farben. Auf der anderen Seite des Flusses gibt es viele Restaurants und Souvenir-Läden. Am schönsten sind aber die gelb angestrichenen Häuser. Sie wurden in der Kolonialzeit gebaut- überall in Hoi An bestimmt die französische Architektur das Straßenbild.
Am nächsten Morgen strahlt die Sonne und wir erkunden die Stadt wie viele andere Touristen mit den Fahrrädern. Im Cong Caphe trinken wir einen kalten Kokosnuss-Cafe, dazu Baguette mit Kondensmilch. Aus dem Fenster schauen wir den Touristenscharen nach, die entlang des Flusses spazieren gehen. Und dann besuchen wir eine vietnamesische Schneiderin. Hoi An ist auch bekannt als die Stadt der Schneider: Wer genügend Zeit mitbringt, kann sich hier innerhalb von 2 Tagen zu günstigen Preisen ein Kleid oder einen Anzug nach Maß anfertigen lassen. Nach einem Spaziergang durch die kleinen Boutiquen in der Altstadt essen wir ein Banh Mi-Sandwich mit knuspriger Weißbrotbaguette bei der „Königin des Banh Mi“, einer über achtzigjährigen Köchin, die in ganz Hoi An bekannt ist.
Der Strand von An Bang und die „Train Street“ in Hanoi
Auf Scootern besuchen wir am nächsten Tag sechs Dörfer in der Umgebung von Hoi An. Im Fischerdorf gehen wir an den Hafen, im Kokosnussdorf fährt uns eine alte Frau mit einem runden Kokosnussboot auf einem Fluss, in anderen Dörfern stellen wir selber Tongefäße und Reispapier her. Am schönsten ist es bei einer Familie, die sich mit dem Teppichflechten beschäftigt. Für einen bunten Teppich brauchen sie vier Stunden, er wird dann für etwa drei Dollar verkauft. Durch grüne Reisfelder geht es dann zurück nach Hoi An, wo wir die nächsten Tage am An Bang Strand verbringen. Weißer Sand, Palmen und ein tiefblaues, klares Meer erwarten uns hier. Und Massagen mit Kokosöl- falls man Asien besucht, sollte man sich eine Massage nicht entgehen lassen. Doch viel interessanter als die Massage ist das Haarewaschen. Auf einem Scooter bringt mich die Masseurin drei Straßen weiter zu einem kleinen Haus. Der „Friseursalon“ befindet sich im Garten. Das Wasser ist kalt, die Friseurin drückt ein wenig Shampoo in mein haar und redet dabei ununterbrochen. Danach kommt das Föhnen im Salon neben einem riesigen bunten Ahnen-Altar. Schnell kämmt sie mein Haar mit einem Plastik-Kamm- „ready!“
Nach drei Tage verlassen wir den Strand. Der letzte Teil unserer Reise führt uns nach Hanoi- der vietnamesischen Hauptstadt. Hier ist es bewölkt und viel kälter, es gibt viel mehr Scooter als in Saigon, man braucht viel mehr, um die Straße zu überqueren. Die Leute sind unfreundlicher, sie lächeln nicht so oft wie im Süden.
Doch zwei nette Plätze finden wir: The Note Cafe, wo Touristen aus der ganzen Welt Nachrichten auf bunte Post-Its schreiben und die „Train Street“. In der Mitte dieser schmalen Gasse, die sich mitten in der Altstadt befindet, ist ein Bahngleis.
Es gibt auf der Straße kleine Läden, Cafes, Tischlereien, Werkstätten und an den hohen Häuserwänden baumelt bunte Wäsche, Kinder spielen auf dem Gleis.
Doch wenn ein lautes Hupen den nächsten Express-Zug ankündigt, räumen alle ihre Sachen zusammen, stellen sicher, dass kein Kind mehr auf den Schienen spielt und drücken sich an die Hauswände, bis der Zug vorbeigerauscht ist. 24 Stunden später landet unser Flugzeug auf dem Scheremetjewo -Flughafen in Moskau. Unten liegt Schnee, ein eisiger Wind weht, als wir aus der Flugmaschine treten. Den Kegelhut, den ich in Hue gekauft habe, passte nicht ins Gepäck. Ich trage ihn stolz auf dem Kopf.
Elise Wilk
Die „Train-Street“ in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi. Foto: die Verfasserin.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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