„Einer der besten Markengraphiker Rumäniens“
05.03.09
Der Kronstädter Künstler Harald Meschendörfer (1909 – 1984)
Als zweiten Entwerfer von Briefmarken – nach Ludwig Hesshaimer in den Ausgaben vom 12. und 19. Februar dieser Zeitung - stellen wir heute Harald Meschendörfer vor. Wir möchten damit an den 100. Geburtstag und 25. Todestag des Künstlers erinnern, beides jährt sich 2009. Demnächst wird als dritter und vorerst letzter Beitrag dieser Reihe ein Porträt von Oswald Adler erscheinen.
Mit Briefmarken kam Harald Meschendörfer, der am 14.06.1909 in Kronstadt geborene und am 23.09.1984 ebendort verstorbene Maler und Graphiker, bereits in seiner Kindheit in Berührung: Sein Vater, der Schriftsteller Adolf Meschendörfer, sammelte leidenschaftlich Briefmarken. Von da bis zum Entwerfen und Erscheinen der ersten eigenen Briefmarken war kein langer Weg mehr. Die wichtigsten Stationen der künstlerischen Ausbildung und des Schaffens: Von 1927 bis 1932 studierte Harald Meschendörfer in München, Berlin und Paris, ab 1932 war er als Maler und Graphiker - zeitweise mit eigenem Atelier - in Kronstadt tätig. 1951 wurde er in die Union Bildender Künstler in Rumänien aufgenommen und arbeitete von 1953 bis 1969 als Lehrer an der Volks-Kunstschule in Kronstadt.
Zu einem ersten Kontakt mit dem Postministerium verhalf ihm Oswald Adler. Dieser erinnert sich: „Ich wurde in den fünfziger Jahren vom Verein Bildender Künstler dem Postministerium und dem Kulturministerium als künstlerischer Ratgeber beigeordnet. In dieser Funktion hatte ich am Anfang eines jeden Jahres eine Sitzung mit dem Postminister, bei der ich Empfehlungen abgab, welchen Grafikern die in der Jahresplanung vorgesehenen Briefmarkenserien zur Bearbeitung anvertraut werden sollten. Harald Meschendörfer, damals beim Postministerium vollkommen unbekannt, hat aufgrund einer solchen Empfehlung den Auftrag erhalten, Briefmarken zu entwerfen." Bereits mit seinen ersten Entwürfen hatte Harald Meschendörfer Erfolg: 1955 erschienen die ersten von ihm entworfenen Briefmarken, ein Satz bestehend aus drei Werten zum „Monat des Waldes".
Der große Durchbruch kam zwei Jahre später; der Architekt Günther Schuller erinnert sich: „...ich kam auf die zunächst verwegen erscheinende Idee, er sollte sich an eine 8wertige Serie 'Alpenblumen' wagen, einreichen und die Ausgabe durch perfekte Vorbereitung, ohne Wettbewerb und Planifizierung durchsetzen. Ich mußte Harald viele Stunden bearbeiten, um ihn von der Richtigkeit des Gedankens zu überzeugen. Er begann die Arbeit und im Juli 1957 erschien die Serie. Als „Flora carpatina" war diese Serie die Basis zu seinem Rufe, einer der besten Markengraphiker Rumäniens zu sein." Jede Briefmarke des Satzes sollte ein kleines „M" als Entwerferzeichen enthalten. Die Buchstaben wurden auf den Druckplatten jedoch wieder entfernt. An zwei Stellen wurde dies (absichtlich oder unabsichtlich) übersehen: jeder Bogen der Werte zu 1,55 Lei und 1,75 Lei enthält eine Briefmarke mit „M" - eine der Raritäten der rumänischen Philatelie war entstanden.
Bis Ende der sechziger Jahre erschienen insgesamt 152 Marken der rumänischen Post, die von Harald Meschendörfer entworfen wurden. Juliana Fabritius-Dancu schreibt dazu in ihrem 1984 in Bukarest über den Künstler erschienenen Buch: „Man ist fast versucht zu sagen, daß neben der Bucheinband- und Schriftkunstgestaltung der Briefmarkenentwurf dasjenige Kapitel in Meschendörfers Wirkungsbereich ist, in dem seine spezifischen, künstlerisch stärksten Qualitäten am besten zur Geltung kommen, nämlich gerade in der für die Briefmarke kennzeichnenden Verbindung von stilisierter, ausdrucksstarker Form der Schrift und der bildlichen Darstellung des Gegenstands, wobei die Raumaufteilung in der Kombination dieser beiden Elemente eine aufs feinste abwiegende Sensibilität erfordert. Natürlich spielt auch die thematische Idee eine entscheidende Rolle, so daß auch Meschendörfers Einfallsreichtum hier freien Spielraum hatte."
Harald Meschendörfer hatte sich thematische Schwerpunkte gesetzt: Pflanzen und Tiere sowie Sport. Aufsehen erregte vor allem seine Olympiaserie Rom 1960, da sie erstmalig eine aus verschiedenen Marken und Werten gebildeten Block darstellt, wobei jede einzelne dieser Marken den ganzen Text der Serie enthält, mit dem die fünf Olympiaringe beschriftet sind, jedoch so schöpferisch angeordnet, daß er zugleich auf die beiden benachbarten Marken übergreift und so auch mit diesen eine Einheit bildet. Hans Bergel beschreibt diese Ausgabe in einer Würdigung des Künstlers sehr eindrücklich: „1960 schuf Harald Meschendörfer aus Anlaß der Olympischen Sommerspiele in Rom eine Briefmarkenreihe, die - in die fünf olympischen Ringe hineinkomponiert - je eine Sportart vorstellte: Schwimmen, Kunstturnen, Leichtathletik, Boxen und Kanufahren. Zunächst sind die fünf Sportlerfiguren - die alle in Aktion gezeigt werden - in einer Sequenz der jeweils charakteristischen Bewegungsabläufe festgehalten: der Schwimmer in der armausholenden Druckstellung vor dem Start; die Turnerin in der Rückwärtsbeuge auf dem Schwebebalken; die Hochspringerin in der Tausendstelsekunde der Erreichung des Sprungscheitelpunkts; der Boxer in der zum Ausfall bereiten Grundstellung; der Kanufahrer beim Einsatz des Paddels. Harald Meschendörfer suggeriert durch die mit einem einzigen Blick erfaßbare typische Teilsituation die Empfindung vom Ganzen der jeweiligen Sportart. Durch das Bild der solcherart in Aktion befindlichen menschlichen Körpers erreicht er aber auch zugleich eine ideale Aufteilung seines Bildmaterials auf die vorgegebene Fläche, das ist hier der Kreis des olympischen Rings. Die Schraffierungen, die diesen an den Rändern füllen, sind mit Klugheit in die Komposition einbezogenes Element, so daß der Kreis, der sich dem Künstler als Gestaltungsraum oder -fläche anbot, ohne Leerstellen gestalterisch genützt ist. Man kann es auch so ausdrücken: der Gestus des menschlichen Körpers ist so ausgewählt, daß er der Komposition die schlüssige Bildarchitektur sichert. Das alles - und dies ist das Meschendörfertypische - ist kühl überlegt und rational geplant, ehe es exakt ausgeführt wurde. Dabei wird auf alles Beiwerk verzichtet, an keiner Stelle ist die Versuchung zum Schnörkel, zur Arabeske nachgegeben, die fast asketische Disziplinierung auf das Unerläßliche hin bestimmt die Physiognomie der Arbeit."
Einige Ausgaben liegen abseits dieser thematischen Schwerpunkte; dazu gehören auch die Trachtenmarken von 1958 und die Kinderbildnisse von 1962. Die Trachtenausgabe zeigt jeweils sechs Männer- und Frauentrachten, die durch ein Zierstück verbunden sind. Die Ausgabe enthält nur rumänische Trachten; der ebenfalls eingereichte Entwurf einer siebenbürgisch-sächsischen Tracht wurde abgelehnt. Auf zwei Marken des Satzes „Kinderbildnisse" sind Kinder von Harald Meschendörfer abgebildet: die Briefmarke zu 55 Bani zeigt Tochter Ursula und Sohn Wolfgang, auf der Briefmarke zu 1,20 Lei ist Tochter Ingrid am Klavier zu sehen.
Daß Entwürfe abgelehnt wurden, war keine Seltenheit. Als sich die Ablehnungen in den sechziger Jahren häuften, verzichtete Harald Meschendörfer auf weitere Einreichungen. 1968 erschienen die letzten von ihm entworfenen Briefmarken: Fauna aus den Naturschutzgebieten. Zehn Jahre später versuchte er es noch einmal mit Entwürfen für eine Ausgabe mit den Kronstädter „Junii" - die Briefmarken sind nicht erschienen.
Die von Harald Meschendörfer entworfenen Briefmarken wurden auf nationalen und internationalen Ausstellungen gezeigt und prämiert, Bronzemedaillen erhielt er beispielsweise in Bukarest 1958 und 1966 sowie in Paris 1964.
Uwe Konst
Im Kasten
Von Harald Meschendörfer entworfene Briefmarken, die von der rumänischen Post herausgegeben wurden:
15.03.1955: Monat des Waldes * 22.06.1957: Karpaten-Flora * 12.-30.07.1958: Pilze * 28.07.1958: 10. Todestag von Emil Racovi]² * 25.10.-31.12.1958: Trachten * 25.06.1959: Sing- und Nutzvögel * 25.11.1959: Pflanzen * 11.06.1960: Olympische Sommerspiele Rom (I) * 05.06.1960: Olympische Sommerspiele Rom (II) * 15.06.1960: 50. Jahrestag des Erstfluges von Aurel Vlaicu, Tag des Flugwesens * 30.11.1960: Fische * 18.03.1961: Wintersport; 50 Jahre rumänischer Skiverband (I) * 10.04.1961: Wintersport; 50 Jahre rumänischer Skiverband (II) * 05.09.1961: 2. Internationale George-Enescu-Festspiele * 30.10.1961: Rumänische Goldmedaillen-Gewinner bei den Olympischen Sommerspielen in Melbourne und Rom * 27.11.1961: Vereinte Nationen * 20.04.1962: Fußball-UEFA-Pokal * 12.05.1962: 2. Weltmeisterschaft im Frauen-Handball * 06.07.1962: Weltjugendfestspiele in Helsinki * 27.06.1962: Weltraumforschung * 25.08.1962: Welt der Kinder * 20.12.1968: Fauna aus den Naturschutzgebieten
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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