Enteignung und wirtschaftliche Entmachtung der Deutschen Rumäniens
09.04.20
75 Jahre seit der kommunistischen Bodenreform (II) / Von Michael Kroner
Enteignung der sächsischen und schwäbischen Bauern
Nach dem Gesetz waren folgende Kategorien von Grundbesitzern zu enteignen: (reichs)deutsche Staatsangehörige, die Grundbesitz in Ruämänien besaßen, sowie die „rumänischen Staatsbürger deutscher Nationalität“, die mit Hitler-Deutschland zusammengearbeitet hatten, ferner Kriegs-verbrecher und die „für das Unglück des Landes Verantwortlichen", ferner so genannte „Absentisten“, Personen, die nach dem 23. August 1944 außer Landes geflüchtet waren, sodann Güter toter Hand und erst an letzter Stelle der 50 Hektar überschreitende Grundbesitz. Letzte Enteignungsmaßnahme zielte auf die rumänischen Bojaren, die als Ausbeuter zu enteignen waren.
Der die Volksdeutschen betreffende, etwas unklar formulierte Paragraph - „deutsche Staatsbürger, die mit Hitler-Deutschland zusammengearbeitet haben" -, ließ noch nicht in vollem Umfang erkennen, was den rumäniendeutschen Bauern bevorstand. Man fragte sich vor allem, wen man zu Kollaborateuren Deutschlands zählen werde? Allerorts eilten Dorfdelegationen zu Juristen und Behörden, um sich zu informieren, wie der Paragraph zu verstehen sei. Es kursierten allerlei Enteignungsvarianten. Anfangs hieß es, dass nur die Volksgruppenführung und die zur Waffen-SS und deutschen Wehrmacht Eingezogenen gemeint seien, dann wiederum, dass alle Deutschen des Landes, die über drei Joch Grund verfügten, enteignet würden. Die Durchführungsbestimmungen vom 11. April 1945 sollten bald Klarheit schaffen. Sie legten nämlich fest, dass nicht nur die Angehörigen der Waffen-SS und Wehrmacht, sondern alle Angehörigen der „deutschen Volksgruppe" zu enteignen seien. Das waren alle deutschen Bauern des Landes. Ausgenommen war bloß ein kleiner Kreis von Männern, der nach dem 23. August 1944 innerhalb der rumänischen Armee am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hatte oder direkte antihitleristische Tätigkeit nachweisen konnten.
Der enteignete Boden ging laut Gesetz mit dem gesamten Wirtschaftsinventar und Vieh in das Eigentum des Staates über, der nach dem Gesetz den Boden parzelliert an begüterungsberechtigte Landwirte verteilte. Bevorzugt waren Bauern ohne Boden, mit wenig Boden und solche, die in der letzten Phase des Krieges gegen Deutschland gekämpft hatten. Der zugeteilte Boden sollte fünf Hektar nicht überschreiten. Wälder und Weinberge verblieben in Staatseigentum, ebenso eine gewisse Staatsreserve an Ackerland, ferner Traktoren, Dreschmaschinen, Mähmaschinen, Lokomobile und Mähdreschmaschinen. Sie wurden aber auch enteignet.
Dort, wo die Zahl der einheimischen Rumänen und Zigeuner eines Dorfes nicht ausreichte, um den gesamten deutschen Besitz zu enteignen, brachte man von auswärts „Kolonisten“. Es waren dies Einwohner rumänischer Nachbargemeinden oder Bauern aus den Westkarpaten („Motzen"), aus der Maramuresch, aus Oltenien und Muntenien, die zum Teil von Feldarbeit wenig verstanden.
Obwohl sich die Enteignungsbestimmungen bloß auf Boden, Vieh, Gerätschaften und Maschinen bezogen, wurden auch die Häuser und Höfe erfasst. In nicht wenigen Fällen wurden sogar Hausrat, Kleider und Lebensmittel geraubt. Die aus ihren Häusern vertriebenen Deutschen, was oft mit Gewalt geschah, wurden in den Hütten der nun begüterten Rumänen und Zigeuner gepfercht. Blieben die Sachsen in ihrem eigenen Anwesen, so wurden sie in ein Hinterstübchen, Nebengebäude oder in die Sommerküche verdrängt, oder es wurden jeweils mehrere deutsche Familien in einem Haus zusammengebracht und ihre freigewordenen Anwesen den neuen „Herrn“ zur Verfügung gestellt. Dazu eine Kuriosität. Meine Heimatgemeinde Weißkirch dürfte die einzige siebenbürgische Ortschaft gewesen sein, in der die Sachsen nicht aus ihren Häusern ausgewiesen wurden, und das nicht aus Mitleid mit ihnen, oder weil es keine Bewerber gab, sondern weil es zu viele Anwärter gab. In Weißkirch bildeten die Sachsen neben der großen Mehrheit der Rumänen und Zigeuner eine Minderheit und ihre Häuser und Höfe reichten nicht für alle „Berechtigten“ aus. Da dieselben sich nicht einigen konnten, blieben die Sachsen unbehelligt in ihren Häusern. Ein Sachse äußerte sich damals sarkastisch gegenüber einem Rumänen: „Mein lieber Gheorghe, warum habt ihr Rumänen uns nicht früher gesagt, dass ihr es auf unsre Häuser abgesehen habt, um für Euch alle ein Haus zu bauen.“
Die Enteignung erfolgte im Verlauf des Jahres 1945. Die Enteignungsprozedur selbst vollzog sich selten in geregelten Formen, oft kam es zu Ausschreitungen und zu erniedrigender Behandlung der Enteigneten. Die Knechte und Tagelöhner von gestern sowie arbeitsscheue Kreaturen machten sich auf den deutschen Bauernhöfen breit und zeigten nun, wer der „Herr" war. Ich war damals ein Junge von 10 Jahren und erinnere mich an das Geschehen von damals. Eines Tages erschienen bei uns drei Männer, gingen in den Viehstall und trieben die zwei Kühe und ein Pferd heraus, spannten sie an, beladeten die Wägen mit Geräten und was sie sonst noch fassen konnten und waren damit Besitzer von unserem Vieh. Unsere zwei anderen Kühe wurden tags darauf von anderen Männern abgeholt. Und ich holte nun täglich die zum Verzehr gebrauchte Milch von den etwa 3 Kilometer entfernt lebenden Bauern unserer Kühe.
Die enteigneten deutschen Landwirte mussten nun unter entwürdigenden Verhältnissen als Tagelöhner bei den neuen „Herren“ ihren eigenen Boden bestellen, pachten oder um den halben Ertrag bearbeiten; das vor allem dann, wenn sich die Neubauern auf landwirtschaftliche Arbeiten nicht verstanden. Da die arbeitsfähigen Frauen und Männer im Januar 1945 in die Sowjetunion zwangsdeportiert wurden, mussten auch wir Kinder anpacken und zum Unterhalt beitragen.
(Fortsetzung folgt)
Durchführung der Agrarreform in Oltenien, März-April 1945. Quelle: Fotothek des rumänischen Kommunismus (Nr. 15/45)
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