Enteignung und wirtschaftliche Entmachtung der Deutschen Rumäniens
16.04.20
75 Jahre seit der kommunistischen Bodenreform (III) / Von Michael Kroner
In Weißkirch fanden wir Kinder Arbeit in der staatlichen Gärtnerei. Es war nicht viel, was wir als Tagelöhner verdienten, aber doch für den Haushalt notwendig. Während der Schulzeit fand der Unterricht von sechs bis acht Uhr statt, dann beeilten wir uns, um in der Gärtnerei zugelassen zu werden.
Die Bodenreform erbrachte nicht die erhofften Erfolge, zumal 1946 eine exzessive Dürre die Ernteergebnisse derart kompromittierte, dass das Land von einer Hungerkatastrophe erfasst wurde.
Die rumäniendeutsche Bauernschaft wurde durch diese Bodenreform auf einen Schlag besitzlos. Die Bodenreform hatte keinesfalls einen allgemein „demokratischen Charakter", wie es heuchlerisch in der offiziellen rumänischen Propaganda und in der späteren Geschichtsschreibung hieß, sie war in Siebenbürgen und im Banat ein gegen die Deutschen gerichteter Vernichtungsakt.
Die deutsche Stadtbevölkerung wurde zunächst von den Enteignungsmaßnahmen weniger getroffen. Deutsche Handwerksbetriebe, Handelsunternehmen, Apotheken, Banken, Fabriken arbeiteten, wenn auch nicht ungestört, meistens bis 1948 weiter. Über den Firmeninhabern schwebte aber dauernd die Gefahr, als „Saboteure" verhaftet und verurteilt zu werden, während erhöhte Lohn- und Steuerforderungen die Betriebe in den Ruin führten und unrentabel machten. Am 11. Juni 1948 folgte dann im Zuge der sozialistischen Umgestaltung der gesamten Gesellschaft die Nationalisierung aller Bodenschätze, der gesamten Industrie-, Gewerbe-, Handels- und Transport-unternehmen sowie der Versicherungen und der Banken. Das Gesetz vom 11. Juni 1948 bezog sich nicht nur auf die Deutschen, sondern zielte auch auf die rumänischen Großgrundbesitzer und „Kapitalisten“. Durch diese Enteignungsmaßnahme wurde der so genannte „sozialistische Sektor" in der Industrie und damit die Grundlage für die sozialistische Plan- und Misswirtschaft geschaffen. Die gewesenen „Kapitalisten" wurden nicht nur enteignet, sondern auch verfolgt, diskriminiert und oft nach Schauprozessen eingesperrt. Sie wurden aus ihren ebenfalls verstaatlichten Häusern ausgewiesen und mit ihren Familien meist in andere Ortschaften zwangsevakuiert.
Erschwerend für die enteigneten Deutschen Rumäniens kam noch hinzu, dass ihre arbeitsfähigen Frauen und Männer bereits im Januar 1945 zu Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert worden waren, so dass die Haupternährer der Familien fehlten. Die deutschen Gemeinden wurden zudem in solchem Maße durch den Zuzug von rumänischen Kolonisten unterwandert, dass danach in Siebenbürgen und im Banat die sächsischen und schwäbischen Ortschaften ihren deutschen Charakter verloren. Lebenswichtige Wehren für die Erhaltung der deutschen Gemeinschaft waren dadurch für immer gefallen, zumal die Rumänisierung Staatspolitik wurde.
Drohende Umsiedlung der deutschen Landbevölkerung
Für die Deutschen Rumäniens bewirkte die Bodenreform eine radikale berufliche und soziale Umstrukturierung. Waren vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 70 Prozent der Siebenbürger Sachsen als selbständige Landwirte beschäftigt, arbeiteten 1956 nur noch 25 Prozent der Rumäniendeutschen in der Landwirtschaft als Bauern der landwirtschaftlichen Produktions (Kollektiv)-genossenschaften oder als Lohnarbeiter auf Staatsfarmen. Hingegen lag der Prozentsatz der Arbeiter mit 56,8 Prozent weit über dem Landesdurchschnitt von 29 Prozent. Daraus ist der überaus starke Anteil der besitzlosen deutschen Arbeitnehmer ersichtlich. Die Deutschen sahen sich nach neuen Berufen um und bemühten sich allgemein um eine höhere Ausbildung.
In den Jahren 1946/47 schwebte eine neue Gefahr über der rumäniendeutschen Bauernschaft. Geplant war eine zerstreute Zwangsumsiedlung eines Drittels (22.498 Familien mit 96.452 Personen) der sächsischen und schwäbischen Bauernschaft in die Moldau, Muntenia, Dobrudscha, Maramuresch, das Szekler- und Sathmargebiet. Es ist nicht dazu gekommen, hart hat diese Maßnahme jedoch die Banater Schwaben getroffen. Im Jahr 1951 wurden nämlich etwa 10.000 Personen in die B²r²gan-Steppe zwangsdeportiert, wo sie bis 1955/56 in erbärmlichen Verhältnissen verbleiben mussten.
Die Frage der Umsiedlung wurde auch in der rumänischen Presse erörtert. So sprach sich beispielsweise ein Artikel der Kronstädter sozialdemokratischen Zeitung „Poporul“ (Das Volk) am 4. August 1946 unter dem Titel „Was machen wir mit den Sachsen?“ in chauvinistischer Weise für deren Umsiedlung innerhalb des Landes aus. Sichtlich schadenfroh hieß es: „Wer in der letzten Zeit die Dörfer unseres Kreises besucht hat, war sicherlich angenehm überrascht, ein neues Bild in diesen Dörfern vorzufinden. Vor allem in Heldsdorf und Marienburg kann man in den großen Häusern mit hohen Toren fremdartige Menschen, neue Figuren, Bauern mit engen Hosen („i?ari“) und Frauen mit Rockschürzen („catrin?e“) und Halsketten sehen. Es handelt sich um Kolonisten aus dem Argesch- Gebiet, die in unsere Region gebracht wurden, um begütert zu werden. Die Tracht der Leute aus Argesch bringt offensichtlich etwas Neues zwischen die alten Mauern und die hohen Kirchen, die wie Burgen für die Ewigkeit gebaut sind.“
Ein Loblied auf die sächsische Tüchtigkeit
Es gab aber auch Stimmen wie der Beitrag „Sind die Sachsen eine nationale Gefahr für Rumänien?“, erschienen in der Bukarester nationalliberalen Zeitung „Flamura liberal?“ („Liberale Fahne“) am 26. September 1946, der ein wahres Loblied auf den Fleiß der Sachsen, auf ihre Tüchtigkeit, Arbeitsfreude und beispielgebenden, wirtschaftlichen Leistungen zum Ausdruck brachte. Die Sachsen seien daher für die wirtschaftliche Entwicklung Rumäniens und für deren gegenwärtige wirtschaftliche Gesundung von besonderer Bedeutung. Er spricht sich gegen eine Kollektivschuld aus, mit der die Sachsen wegen ihrer jüngsten Hinwendung zu Deutschland belastet wurden und meinte, bildlich ausgedruckt, dass man wegen einiger dürrer Äste in der Krone des sonst gesunden Baumes, nicht die gesamte deutsche Minderheit bestrafen dürfe. Die Sachsen seien keine nationale Gefahr für Rumänien sondern produktive Elemente, für deren Eingliederung in die Wirtschaft eine Lösung gefunden werden sollte. Zur Zeit seien jedoch die sächsischen Bauern als Folge der Agrarreform von Hunger bedroht. Abschließend betont der anonyme Schreiber: „Wir haben demnach inmitten des rumänischen Volkes eine ansehnliche Zahl von Menschen mit verschränkten Händen im Schoß (weil sie enteignet wurden), von denen wir, wenn für ihre Verwendung ein rechtlicher Funktionsrahmen gefunden wird, die betreffenden Regionen, nicht mehr so viel leiden würden, sondern im Gegenteil zu gewinnen hätten, da die Arbeitskraft des sächsischen Menschen in höchstem Maße produktiv, qualitativ als auch quantitativ ist. Folglich ist die Frage, ob die Sachsen eine Gefahr für die Rumänen sind, mit einem kategorischen und entschiedenen ´Nein´ zu beantworten. Im Gegenteil. Ein wichtiger Teil unserer Volkswirtschaft ist ohne die Arbeitskräfte, ohne die Arbeit und ohne die Produktionskraft der mitwohnenden Nation, der Sachsen, in Gefahr“.
Nach der Russlanddeportation war die Enteignung der Rumäniendeutschen der zweite, ihre ethnische Existenz gefährdender Akt. Die Russlandeportierten kehrten, soweit sie überlebt hatten, zwar heim, sie fanden aber eine andere Welt vor, als die, welche sie verlassen hatten. Es galt nun, sich den neuen sozialistischen Gegebenheiten anzupassen und das Bestmögliche daraus zu machen. Erst 1949 wurden die speziellen Repressivmaßnahmen gegen die Deutschen eingestellt und 1956 erhielten sie auf dem Lande auch ihre Häuser zurück.
Rumänien hatte mittlerweile eine kommunistische Gesellschaftsordnung mit politischer Diktatur und sozialistschem Wirtschaftssystem erhalten, die die gesamte Bevölkerung schwer belastete. Unter der Losung „Verbrüderung der siebenbürgischen Völkerschaften“ wurde in Wirklicheit eine nationalistische Assimilierungspolitik betrieben, mit dem Ziel eine einheitliche sozialistische Nation zu bilden. Neben der allgemeinen kommunistischen Belastung bestand somit für die Sachsen und Schwaben die Gefahr rumänisiert zu werden. Diese Unterdrückungspoltik war die Hauptursache, die den Großteil der Rumäniendeutschen zur Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland bewogen hat. Durch die entgegenkommende Aufnahme in ihrem Mutterland konnten die Rumäniendeutschen den Verlust ihres Deutschtums retten und pflegen und ihrem 800jährigen Volkstum treu bleiben: „Mer wällen bleiben wat mer senj“. Es hat sich gelohnt nach dieser Devise zu leben. Die Aussiedler fühlen sich in ihrem Mutterland wohl.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
31.05.24
Interview mit Bernhard Heigl, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt
[mehr...]
31.05.24
Das Andreanum - 800 Jahre Recht und Verfassung der Siebenbürger Sachsen (II)/ Von Dr.Harald Roth, Deutsches Kulturforum östliches Europa
[mehr...]
24.05.24
Das Andreanum - 800 Jahre Recht und Verfassung der Siebenbürger Sachsen (I)/ Von Dr.Harald Roth, Deutsches Kulturforum östliches Europa
[mehr...]