Erbauer des Hauses Kronstadt
18.09.08
Wer war W.G. der Erbauer des Hauses Kronstadt, Marktplatz, Kornzeile Nr. 1.?
Die Antwort auf eine vor 80 Jahren gestellte Frage
In unserem Beitrag über die Persönlichkeiten des Burzenländer Sächsischen Museums – BSM - (KR Nr. 30 vom 31. Juli 2008), brachten wir als Abbildung einen Türstock, der jetzt einen der Eingänge in den Festsaal des Johannes-Honterus-Lyzeums ziert und dort um 1928 eingesetzt wurde, als sich das BSM in diesem Gebäude befand. Um 1950 wurde das Wappen am Sturz des Türstocks leider zerstört, ein Bild mit dem vollständigen Türstock an seinem ursprünglichen Ort im Hause Kornzeile Nr. 1 ist jedoch in der Monographie „Kronstadt“ von Dr. Erich Jekelius (1928) veröffentlicht. Im gleichen Band gibt es auch eine Kurzmonographie des Hauses von Gustav Treiber. Darin wird auf einen zweiten steinernen Türstock im Hause hingewiesen, der die Jahreszahl 1587 trägt und in der Mitte
des Sturzes das Monogramm G.W. zeigt: "Der Erbauer des Hauses ist unbekannt. Immerhin muß derselbe einer bedeutenden Familie angehört haben. Beweis ist das von Stephan Báthori, späterem König von Polen, verliehene Wappen". Das Monogramm
befindet sich in einem Renaissanceschild, unten der Buchstabe W, darüber der Buchstabe G und aus der Mitte des Buchstabens W wächst ein lateinisches Kreuz durch den Buchstaben G. Diese Darstellung könnte auch als Hausmarke gedeutet werden.
Bei den Ausgrabungen in der Schwarzen Kirche im Jahre 1937 wurde auch ein Sargwappen mit dem gleichen Wappen und den Initialen W. G. gefunden und von Josef Sebestyén von Keöpecz folgendermaßen beschrieben: „Im Renaissanceschild, auf rasigem Dreiberg steht ein Pelikan mit halbgeöffneten Flügeln, die Brust aufritzend und mit seinem Blute seine drei Jungen atzend: der Hals des Pelikans ist von oben mit einem Schwert durchstoßen". Das Sargwappen wurde für das Ende des 16. Jahrhunderts datiert und das Bedauern ausgesprochen, „wir wissen leider nicht, wem" das Wappen verliehen wurde.
Diese Ungewißheit regte uns an, zu versuchen, das Rätsel um dies Wappen zu lösen. Einen ersten Hinweis fanden wir im Buche von Friedrich Stenner „Die Beamten der Stadt Kronstadt" (1916), wo der einzige zu den Buchstaben G W oder W G passende Name Valentinus Goldschmidt war, der 1583 von Christoph Báthori geadelt wurde- wie Stenner behauptet. Dabei war Christoph Báthori schon am 27. Mai 1581 gestorben!
Seit dem Jahre 2005 sind vom Siebenbürgischen Museumsverein in Klausenburg die heute im Ungarischen Landesarchiv in Budapest befindlichen „Königsbücher" (libri regii) herausgegeben worden, in die die von der fürstlichen Kanzlei ausgestellten Urkunden eingetragen wurden. Und hier fanden wir, daß Fürst Sigismund Báthori am 7. Juni 1583 in Weißenburg ein Adelsdiplom mit Wappen für den Kronstädter Ratsherren Valentinus Gemerle ausstellen ließ, dessen lateinische Beschreibung der von Sebestyén entspricht.
Für seine Verdienste, die er dem verstorbenen Fürsten Christoph Báthori, aber auch dem jungen Fürsten Sigismund Báthori erwiesen hatte, wurde Valentinus Gemerle mit seinen Nachkommen in den Adelsstand erhoben und ihm ein Wappen verliehen.
Ein nächster Forschungsschritt war, ausgehend vom Berufsnamen „Goldschmidt" festzustellen, welche Rolle Valentinus Goldschmidt im Rahmen der Goldschmiedzunft hatte. Die „Geschichte des Kronstädter Goldschmiedehandwerks" von Tihamér Gyárfás (1912) bietet dazu einige Angaben. In dem mit dem Jahre 1515 beginnenden Verzeichnis der Lehrjungen finden wir keinen Valentin oder Velten . Aber wir finden drei Lehrjungen, die im Zeitraum 1560 - 1571 beim Meister Felten (= Valentin) Simon gelernt haben, der unter den Meistern als Felten Goldschmid alias Simon genannt wird. Er war im Jahre 1565 Zunftmeister und starb am 27. August 1594. Sonst wird über seine Tätigkeit im Rahmen der Goldschmiedzunft nichts berichtet. Dafür aber führt Stenner seine zahlreichen Ämter im Dienste der Stadt Kronstadt an: Schafferherr 1573 - 1575, Weinherr 1573 - 1578, Brunnenherr 1576, Ratsherr 1579 - 1588, Gräf in Schirkanyen und Mykesdorf 1578, Gräf für Zernen und Tohan 1586 - 1588, schließlich Landtagsabgeordneter 1575, 1578 und 1581. Da hatte er wohl wenig Zeit für die Ausübung des Goldschmiedgewerbes übrig.
In einer Urkunde von 1576 wird er als „Valentinus Goltschmitt, geschworner Mitpürger", also Ratsherr genannt, in einer andern Urkunde von 1583 kommt er als „Valentinus
Eöthweös“ (= Goldschmied) alias Gemerle, iuratus civis (= Ratsherr) vor. Quod erat demonstrandum!.
Im ältesten erhalten gebliebenen Kronstädter Grundbuch wird verzeichnet, daß am 19. Mai 1575 die Häuser „des fürsichtigen weisen Herren Valentini Goltschmitt" geschätzt wurden: das eine in der Purzengasse auf 1100 Gulden, das andere in der Nähe der Stadtapotheke auf der Blumenzeile auf 1000 Gulden.
Im „Sanct Martinszins-Register des Quartals Portica 1558 - 1596" erscheint von 1588 - 1590 Herr Felten Goltschmit und von 1591 - 1593 Herr Valentinus Goltschmit als Steuerzahler.
Im Zinsregister des Quartals Portica 1575 - 1578 wird „Wallentinus Goltschmith" als einer der vier Ratsherren genannt, die in diesem Stadtviertel die Steuern einhoben.
Auch im Zinsregister 1579 wird er als „Wallentinus Goldschmidt" erwähnt, später wurden die Namen der Ratsherren nicht mehr eingetragen. Von dieser Schreibweise
stammt also die Initiale „W" für Valentin auf dem Torsturz und auf der Sargplatte.
In den Steuerregistern des Quartals Petri kommt Herr Velten Goldschmidt von 1590 - 1594 vor. Wir können dabei vermuten, daß es sich um das 1587 neu erbaute Haus Kornzeile Nr. 1 handelt - das im Petri-Viertel lag - und für das vielleicht drei Jahre nach der Erbauung sein Besitzer Steuerfreiheit genoß. .
Dies ist der jetzige Forschungsstand, der ein wenigstens 80 Jahre altes Rätsel endlich gelöst hat.
Vielleicht wäre es sinnvoll, an dem Haus Kornzeile Nr. 1 neben dem steinernen Türstock von 1587 eine erklärende Inschrift anzubringen, die Angaben über den Erbauer des Hauses enthält. Ebenso würden wir auch vorschlagen, eine Inschrifttafel neben dem Eingang zum Festsaal des Johannes-Honterus-Lyzeums anzubringen, der vor allem die Schüler, aber auch andere Besucher über die Herkunft des steinernen Türstocks und über seinen Besitzer Valentinus Goldschmidt alias Gemerle aufklärt. Auch sollte eine Abbildung des zerstörten Wappens geboten werden.
Gernot Nussbächer
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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