Erster Weltkrieg in Rumänien
12.03.09
Wie deutsche Armeeangehörige im Ersten Weltkrieg Rumänien erlebten (I)
Vor 93 Jahren trat Rumänien in den Krieg gegen die Mittelmächte ein / Von Dr. Michael Kroner
Einführender Überblick
Nach zwei Jahren „bewaffneter Neutralität" erklärte Rumänien am 27. August 1916 den Mittelmächten den Krieg, obwohl es mit ihnen 1883 einen geheimen Bündnisvertrag abgeschlossen hatte. Rumänien stand seit Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit beiden kriegführenden Militärblöcken in Verhandlungen und wickelte mit ihnen Geschäfte ab. Es wollte sich nicht etwa aus dem Krieg heraushalten, sondern zunächst abwarten, um dann, wie während der Balkankriege von 1912/13, auf Seiten des Siegers in das Geschehen mit einzugreifen. Da Rumänien eine wichtige strategische Lage einnahm und ein bedeutender Lieferant von Erdöl und landwirtschaftlichen Produkten war, bemühten sich sowohl die Mittelmächte als auch die Entente es als Kriegspartner zu gewinnen und stellten ihm für die Teilnahme an ihrer Seite eine Gebietserweiterung auf Kosten des Gegners in Aussicht: die ersteren Bessarabien, letztere Siebenbürgen, das Banat und die Bukowina. Als sich 1916 das Kriegsgeschehen allmählich zugunsten der Entente neigte, entschloss sich Rumänien zu handeln. Obwohl der rumänische König Ferdinand aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen stammte, fühlte er sich weniger als sein Vorgänger Karl I. dynastisch und Deutschland gegenüber gebunden und stimmte der Politik der ententefreundlichen Regierung von Ion I. C. Bratianu zu. Was Österreich - Ungarn und Deutschland zwar befürchtet, aber nicht wahrhaben wollten, trat nun ein. Bereits am 28. August 1916 drang das rumänische Heer durch die Karpatenpässe in das ungeschützte Siebenbürgen ein und besetzte dessen süd-östlichen Teil. Das Kriegsglück der Rumänen war aber von kurzer Dauer. Am 30. August erklärte Deutschland Rumänien den Krieg und die 9. Armee unter dem Oberkommando von General Erich von Falkenhayn erschien auf dem siebenbürgischen Kriegsschauplatz, wo bereits österreichisch - ungarische Einheiten im Einsatz waren. Die Offensive des rumänischen Heeres konnte nicht nur gestoppt werden, sondern es wurde in mehreren verlustreichen Schlachten aufgerieben und zum Rückzug gezwungen. Gleichzeitig drang ein deutsch - bulgarisch - türkisches Heer unter dem Oberbefehl von Feldmarschall August von Mackensen aus Bulgarien in der Dobrudscha ein. Die rumänische Armee geriet in die Zange und musste weichen. Die Truppenverbände Falkenhayns überschritten die Südkarpaten, während Mackensen von Süden, die Donau überschreitend, vorstieß. Die Provinzen Dobrudscha, Oltenien und Muntenien wurden von den Verbänden der Mittelmächte besetzt. Der rumänische Königshof und die Regierung flohen nach Jassy, am 6. Dezember 1916 fiel Bukarest ohne Kampf. Die österreichisch - ungarischen Vorstöße kamen jenseits der Ostkarpaten zum Stillstand, ebenso die deutsch - österreichische Offensive im Süden der Moldau. Rumänien konnte auch nach weiteren Schlachten im Sommer 1917 nicht ausgeschaltet werden. Es war aber so geschwächt, dass es nach dem Zusammenbruch des russischen Kriegspartners als Folge der Februar- und Oktoberrevolution von 1917 sich gezwungen sah, mit Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei zunächst einen Waffenstillstand und dann, am 7. Mai 1918, einen demütigenden Separatfrieden in Bukarest abzuschließen, der ihm beträchtliche Gebietsverluste (Dobrudscha, Karpatenkämme) brachte und schwere wirtschaftliche Kriegsentschädigungen auferlegte. Obwohl Rumänien somit auf den Schlachtfeldern geschlagen worden war, gehörte es am Ende des Ersten Weltkrieges dennoch zu den glücklichen Gewinnern aufgrund seines Bündnisvertrages mit der Entente. Es erklärte den Friedensvertrag von Bukarest, den übrigens der König nicht unterschrieben hatte und der vom Parlament nicht ratifiziert worden war, für null und nichtig und forderte in einem Ultimatum die Besatzungstruppen auf, das Land zu verlassen. Mehr noch, als Partner der Siegermächte erhielt Rumänien durch die Vorortsverträge von Paris 1919/20 Siebenbürgen, das Banat und die Bukowina. Sogar Bessarabien konnte sich nach der Sozialistischen Oktoberrevolution von der russischen Herrschaft befreien und den Anschluss an Rumänien vollziehen. Während die Habsburger in Österreich, die Hohenzollern in Deutschland und die Romanows in Russland zur Abdankung gezwungen wurden, konnte sich der rumänische Hohenzollern, Ferdinand I., als König eines Großrumäniens krönen lassen und den größten Triumph in der Geschichte des Landes feiern. Rumäniens Gebiet verdoppelte sich, während die Bevölkerung von 7,7 auf 17,5 Millionen anwuchs. Dabei hatte es, wie noch zu zeigen sein wird, während der Besatzung für Ferdinand düster ausgesehen.
Deutsche Militärverwaltung
Wir wollen uns fortfahrend mit der deutschen Besetzung Rumäniens in den Jahren 1916 bis November 1918 beschäftigen und dabei Eindrücke und Erlebnisse von deutschen Heeresangehörigen wiedergeben.
Nach der Einnahme von Bukarest wurden die besetzten Gebiete einer deutschen Militärverwaltung unter dem Oberkommando Feldmarschalls von Mackensen unterstellt. Für das Heer war nach den blutigen Schlachten und den strapaziösen Märschen die nun folgende Etappe in Rumänien angesichts des Kriegsgetöses an den übrigen Fronten und der Versorgunsnot in der Heimat eine Oase des Friedens und der Erholung. Das Leben verlief in der Walachei anscheinend ungestört weiter. Als beispielsweise Mackensen am 6. Dezember 1916, seinen Truppen in einem Auto vorauseilend, in Bukarest eintraf, überraschte ihn die Gelassenheit und Friedmäßigkeit der Hauptstadt. Die Läden waren geöffnet, die Kaffeehäuser besetzt, die Straßenbahnen fuhren, die Einwohner standen teils neugierig vor den Häusern oder gingen ihren Geschäften nach. „Die Damen sind noch fußfreier gekleidet als die Pester und Wiener Damen und scheinen von der Niederlage ihres Vaterlandes kaum berührt", schrieb Mackensen. „Die Rumänen sind in der Tat eine leichte oberflächliche Gesellschaft".
Offiziere und Soldaten versuchten aus ihrer Lage das Beste zu machen. Für viele war die Etappe eine Gelegenheit Land und Leute kennen zu lernen und zu erforschen. Es erschienen mehrere Schriften, die den deutschen Leser nicht nur über die Siege an der rumänischen Front informierten, sondern ihm auch eine größtenteils unbekannte Welt vorstellten. So veröffentlichte Albert Reich, der selbst am Rumänien-Feldzug teilgenommen hatte, im Jahre 1917 oder Anfang 1918, eine Schrift unter dem Titel „Durch Siebenbürgen und Rumänien. Ein Gedenkbuch für die Gruppe 'Krafft' und rumänische Kriegsteilnehmer mit 130 Bildern, Karten und Begleitwort". Das Buch bebildert er mit eigenen, expressiven und liebevollen Zeichnungen und Aquarellen, die mehr das vom Krieg heraufbeschworene Leid als Schlachtszenen wiedergeben. Der Verfasser und Illustrator ist nicht nur von der siebenbürgisch-sächsischen Kulturlandschaft beeindruckt, sondern auch von den ärmlichen Hütten der rumänischen Bauern in der Walachei und deren Kirchen und Klöstern, wie jenen von Cîineni, Cornet, Cozia, Curtea de Arge{ u.a. Über die Klosterkirche von Curtea de Arge{ aus dem 16. Jahrhundert, die als „schönste des Landes gilt", heißt es fortfahrend: „In ihr ist neben seiner Gemahlin, Carmen Sylva, König Karol beigesetzt, der Fürst aus deutschem Haus, der nach Cuzas Sturz die Regierung des damaligen Fürstentums Walachei (eigentlich Rumänien) übernahm, durch Umsicht und Tatkraft die Verhältnisse des verwahrlosten Landes einer glücklichen Gesundung entgegenführte, bis es durch die Umtriebe der jetzigen Regierung und der Schwäche Ferdinands in den jetzigen Abgrund gestürzt wurde". Anschließend wird die Klosterkirche beschrieben. Dazu vermerkt er: „Auf der Gruft häufen sich die Kränze, welche die in Curtea einziehenden deutschen Truppen auf Befehl des deutschen Kaisers niederlegten, zur Ehrung des edlen Fürsten aus deutschem Geschlecht, unter dessen Lebenszeiten Rumäniens Verrat niemals hätte erfolgen können".
Über die Menschen des eroberten Landes stellt Reich fest: „Ohne Unterschied ziehen die Männer, alt und jung, ihre Lammfellmütze und grüßen unterwürfig die Sieger. Das Knechtische des walachischen Wesens zeigt sich in der ganzen Art, die aber nicht verwunderlich ist, wenn man einigermaßen Einblick in die Verhältnisse dieses Landes bekommt". Die Erklärung dafür findet er darin, dass der Boden Rumäniens, „der zu dem fruchtbarsten von ganz Europa gehört", sich in den Händen weniger Bojarengeschlechter befindet, welche auch die politische Macht innehaben. „Der Bauer sitzt als abhängiger Höriger auf der Scholle, die dem fremden Herrn gehört, den er nur selten zu sehen bekommt". Damit hatte er sicherlich eines der sozialen Hauptprobleme der rumänischen Gesellschaft erkannt.
Eine zweiteilige Gedenkschrift mit 98 Abbildungen (Fotos) veröffentlichte der königliche Divisionspfarrer Franz Rarkowski zur Erinnerung an „Die Kämpfe einer Preußischen Infanterie-Division zur Befreiung Siebenbürgens" (Berlin, 1918).
Propagandistische Schriften, Bildpostkarten u.a. huldigten in Wort und Bild die Heldentaten und Siege der deutschen und verbündeten Soldaten in Rumänien, insonderheit der beiden Heerführer Falkenhayn und Mackensen. Viele Kriegsteilnehmer haben nach dem Krieg ihre Erlebnisse in Rumänien niedergeschrieben und zum Teil veröffentlicht. Zieht man bei deren Lektüre die subjektiven, von der Position des anfänglichen Siegers gemachten Einschätzungen und Beschreibungen ab, bleiben diese Memoiren brauchbare Geschichtsquellen.
Im Gegensatz zu rumänischen Darstellungen, die in der deutschen Besatzung bloß eine Ausbeutung des Landes sehen, ist festzustellen, dass sich die Militärverwaltung bemühte, einen weitmöglichsten, friedensähnlichen Zustand, eine geregelte und funktionierende Administration einzuführen, sowie die Wirtschaft zu fördern. Mit deutscher Gründlichkeit ging man an die Arbeit. Darüber hieß es in einem Reisetagebuch: „Sie, die Rumänen, lachen über uns. Wie wenig imponiert ihnen unser sachlicher Ernst in der Behandlung der Verwaltungsangelegenheiten. Das erscheint ihnen als Dummheit. Öffentliche Angelegenheiten sind dazu da, um sich davon zu bereichern".
Die Bemühungen der Mittelmächte um geregelte Verhältnisse im besetzten Rumänien waren natürlich nicht selbstlos. Die Militärverwaltung zielte darauf ab, alles aus Rumänien herauszuholen, was für die Ernährung und die Kriegswirtschaft gebraucht wurde und den ständigen Zustrom dieser zu verrechnen und zu sichern.
In den ersten Monaten der Besetzung konzentrierte sich die Arbeit des Wirtschaftsstabes vor allem auf drei Bereiche: die Gewährleistung der Frühjahrsaussat 1917, die Wiederherstellung der Transportmittel und den Wiederaufbau der durch die Entente stark zerstörten Erdölindustrie.
(aus: „Südostdeutsche Vierteljahresblätter Nr. 4/1996)
- Fortsetzung folgt -
Foto 1
Die Verhaftung von Gavrilo Princip, der am 28. Juni 1914 in Sarajevo den österreich-ungarischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ermordete.
Foto 2
Am 1. Dezember 1918 entstand der rumänische moderne Staat. Die „Große Vereinigung“ ist der größte Triumph in der Geschichte des Landes, wie er auch in dieser, 1926 erschienenen Postkarte gefeiert wird. Der 1. Dezember wurde ab 1990 zum Nationalfeiertag erklärt.
Foto 3
Deutsche Freiwillige üben den Kriegseinsatz.
Fotos: Internet
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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