Es ging ums nackte Überleben
09.01.20
Unterdrückung, Verfolgung, Enteignung und Überleben mit Kompromissen der Deutschen Rumäniens im kommunistischen Regime / Von Michael Kroner
Ab dem 23. August 1944, als Rumänien das Bündnis mit Deutschland auflöste und auf die Seite der Aliierten wechselte, wurden gegen die Rumäniendeutschen verschiedene harte Verfolgungs-, Diskriminierungs-, Deportations- und Enteignungssmaßnahmen eingesetzt. Alles was deutsch war, wurde mit faschistisch und hitleristisch gleichgesetzt und verfolgt. So verstummte das vorher so rege Kulturleben, alle Zeitungen der Siebenbürger Sachsen sowie politische Vertreterorganisationen der Rumäniendeutschen wurden verboten. Bloß im Banat wurden die "Temeswarer Zeitung" und "Freiheit" toleriert. Die Deutschen wurden pauschal und ohne dass nach der Schuld des Einzelnen gefragt wurde, kollektiv zu Kollaborateuren Hitler-Deutschlands erklärt und zum Teil für das Desaster verantwortlich gemacht, in das Rumänien infolge seines Bündnisses mit dem Dritten Reich und seiner Teilnahme am antisowjetischen Krieg geraten war. Die Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen waren zwar nicht ohne ihr Mitwirken in den Machtbereich des Nationalsozialismus geraten, sie waren aber eigentlich machtlos dem politischen Geschehen ausgesetzt. Auf die rumänische Bündnispolitik mit Deutschland hatten sie keinen Einfluss ausgeübt, hatten also keinesfalls die Funktion einer fünften Kolonne gehabt, und die Einbeziehung ihrer wehrfähigen Männer in die deutsche Wehrmacht und Waffen-SS geschah auf Grund eines Vertrages zwischen Deutschland und Rumänien.
Es ging ums nackte Überleben
Die schwersten Schläge, die den Deutschen nach dem 23. August 1944 zugefügt wurden, waren die Deportation der arbeitsfähigen Frauen und Männer zu Zwangsarbeit in die Sowjetunion, die Enteignung der landwirtschaftlichen, gewerblichen und industriellen Unternehmen, die teilweise Vertreibung aus den eigenen Häusern, der Entzug staatsbürgerlicher Rechte, die Inhaftierung von heimkehrenden Flüchtlingen und Kriegsgefangenen für Zwangsarbeiten auf verschiedenen Baustellen des Landes u .a. Die wenigsten Einbußen erlitten die evangelisch-sächsische Kirche in Siebenbürgen und die katholische Kirche im Banat, und sie erwiesen sich als die einzigen noch funktionierenden Institutionen der Rumäniendeutschen. Es ging den enteigneten, rechtlosen Rumäniendeutschen in der Heimat und ihren deportierten Angehörigen in der Sowjetunion in den Nachkriegsjahren ums nackte Überleben.
Ende 1947 übernahm die Kommunistische Partei Rumäniens die Alleinherrschaft, führte ein totalitäres Regime ein und begann die sozialistische Umgestaltung des gesamten politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Um auch die deutsche Bevölkerung des Landes für den Aufbau des Sozialismus zu gewinnen, befasste sich das Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei im Juni 1948 und das Politbüro der Partei im Dezember desselben Jahres im Zusammenhang mit dem Programm zur "Lösung der nationalen Frage" auch mit der Situation der Rumäniendeutschen.
"Deutsches Antifaschistisches Komitee"
Im Beschluss des Politbüros hieß es unter anderem: "Die nationale Unabhängigkeit und die Souveränität, der Aufbau des Sozialismus in unserem Lande können nur durch die Einheit aller werktätigen Menschen, ohne Unterschied der Nationalität gewährleistet werden..." In diesem Sinne sei auch die "demokratische Lösung der Frage der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen und im Banat" zu verwirklichen, wobei wie es im Parteijargon hieß, die "Ausmerzung des Einflusses, welchen der Hitlerfaschismus" in ihren Reihen hinterlassen habe, sei als Hauptaufgabe zu betrachten. Die "deutschen werktätigen Massen" seien als ein aktiver Faktor zum sozialistischen Aufbau des Landes heranzuziehen. Zu diesem Zwecke sollte ein "Deutsches Antifaschistisches Komitee" (DAK) gegründet werden. Das DAK, das aus Vertrauensleuten der herrschenden kommunistischen Partei im Februar 1949 ernannt wurde und auf Lokalebene Unterorganisationen errichtete, erhielt die Erlaubnis, ein eigenes Sprachrohr herauszugeben. Das war die Tageszeitung "Neuer Weg", deren erste Ausgabe am 13. März 1949 in Bukarest erschien. Die Gründung des DAK und die Herausgabe einer deutschsprachigen Zeitung auf Beschluss der kommunistischen Parteiführung markierten zweifellos eine Wende in der bisherigen Regierungspolitik gegenüber den Rumäniendeutschen.
Nach dem Tode Stalins (1954) setze zudem in den Ländern des Ostblocks auch eine Lockerung der kommunistischen Diktatur ein, man sprach vom „Tauwettersozialismus“.
In rumäniendeutschen Kreisen schenkte man anfangs den Männern des DAK und ihrer Zeitung wenig Vertrauen, denn deren Hauptauftrag lautete, die deutsche Bevölkerung für den Aufbau des Sozialismus zu gewinnen. Das schreckte ab, denn was den Deutschen Rumäniens in den vorangegangenen Jahren angetan worden war, ging hauptsächlich auf das Konto der Kommunisten und der Sowjetunion. Die in der UdSSR zu Zwangsarbeit verschleppten Frauen und Männer kehrten erst Ende 1949 heim, und sie hatten den Sozialismus hautnah erlebt. Auf dem Lande saßen noch immer in sächsischen und banatschwäbischen Häusern die durch die Agrarreform von 1945 mit deutschen Boden begüterten Rumänen und Zigeuner. Während das DAK mit neuen, meist unbekannten Frauen und Männern seine Tätigkeit aufnahm, wurden die namhaften Politiker der Rumäniendeutschen aus der Zwischenkriegszeit, wie Hans Otto Roth, Rudolf Brandsch, Franz Kräuter u. a. sowie prominente Intellektuelle, katholische Priester, ein Großteil der Fabrikanten und Großbauern verhaftet und eingekerkert.
Gewährung des Wahlrechtes
Es bedurfte einiger Jahre, bis man sich in deutschen Kreisen Rechenschaft gab, dass es damals keine Alternative gab, als die von den kommunistischen Machthabern gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, um unter den neuen politisch-gesellschaftlichen Bedingungen sich eine berufliche Lebensexistenz aufzubauen und das ethnisch-deutsche Fortbestehen zu sichern.
Als sichtbares Zeichen der Wiedereinsetzung der Rumäniendeutschen in ihre staatsbürgerlichen Rechte wurde die Gewährung des Wahlrechtes und die Wahl von deutschen Vertretern am 3. Dezember 1950 in die "Volksräte" (das waren die nach sowjetischem Muster gebildeten lokalen Organe der Staatsmacht auf Kommunal-, Rayons- und Regionsebene) propagandistisch präsentiert. Diese und alle anderen späteren Wahlen waren eine Farce, denn zur "Wahl" stand jeweils ein einziger Kandidat, der von der Kommunistischen Partei oder deren sogenannten Massenorganisationen ernannt wurde. Unter diesen Bedingungen erhielten die aufgestellten Kandidaten jeweils einen Stimmenanteil der Nahe bei 100 Prozent lag. Die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben haben diese Wahlen als das betrachtet, was sie waren. Trotzdem war es wichtig, auch in diesen und anderen Gremien vertreten zu sein, um in deren Tätigkeit und in das Geschehen Einblick zu haben, auch wenn man kaum etwas zu sagen hatte. Bei den Wahlen von 1950 wurden über 1000 Deutsche in die Volksräte gewählt.
Deportation in die Baragan-Steppe
Es wurden somit um 1950 die speziellen Unterdrückungsmaßnahmen gegen die bis dahin als Hitlerfaschisten abgestempelten Deutschen eingestellt, wobei natürlich die Repressivmaßnahmen der kommunistischen Diktatur, die sich gegen die gesamte Bevölkerung richteten, weiter bestanden. So wurden 1951 fast 10.000 Banater Schwaben in die "Baragan"-Steppe deportiert und erst 1955/56 entlassen. Aus Kronstadt und den umliegenden deutschen Gemeinden wurden 1952 etwa 2000 Sachsen zwangsevakuiert, um ihre Wohnungen für Parteiaktivisten und Securitate-Leute Wohnraum zur Verfügung zu stellen. In Rumänien paarten sich zudem unglücklicherweise Kommunismus und Nationalismus zu einer sonderbaren nationalkomunistischen Ideologie, deren Endziel die Rumänisierung der "mitwohnenden Nationalitäten" und die Bildung einer einheitlichen rumänischen Nation war. Den nationalen Minderheiten wurde daher nur ein begrenztes Eigenleben zugestanden, obwohl propagandistisch lautstark von einer mustergültigen Lösung des Nationalitätenproblems in Rumänien gesprochen wurde.
Belebung des deutschen Schulwesens, des des Kultur- und Gemeinschaftslebens
Trotz allem eröffneten sich den Deutschen Rumäniens neue Entfaltungsmöglichkeiten auf den verschiedensten Gebieten. In den maßgebenden rumäniendeutschen Kreisen hat man damals in richtiger Einschätzung der Lage erkannt, dass es nichts eingebracht hätte, abseits zu stehen, im stillen Kämmerlein zu revoluzzen und auf bessere Zeiten zu warten. Man kam zu Schluss, dass alle Chancen zum Erhalt und zur Pflege der deutschen Sprache, Kultur und Traditionen wahrnehmen müsse, es sei vorteilhafter, regimebedingte Kompromisse zu akzeptieren, als alles aufs Spiel zu setzen, zumal der Unterricht in der Muttersprache bis einschließlich auf der Lyzealstufe und die Ausbildung der Volksschullehrer und der Geistlichen gewährleistet war. Man machte sich natürlich keine Illusionen über die sozialistischen Verheißungen, denn der gesamte Unterricht und das Kulturleben befolgten die ideologischen Vorgaben des Regimes.
In den 50er Jahren begann allmählich eine sichtbare Belebung des deutschen Schulwesens, des Kultur- und Gemeinschaftslebens. Da sich zu jener Zeit keine Chance einer Aussiedlung in die Bundesrepublik abzeichnete, im Gegenteil es sogar belastend war, Verwandte im westlichen Ausland zu haben, versuchte man innerhalb der zugebilligten Spielregeln das Machbare möglich zu machen. Das erforderte natürlich Geschick und Anpassungsvermögen, man musste sich formal zum Regime bekennen, dessen Spielregeln formal akzeptieren, bzw. versuchen, die offizielle Ideologie und Politik in demagogischer Weise für die eigenen Vorhaben zu manipulieren. Es galt vor allem, den Erweis zu erbringen, dass das, was man tat, "fortschrittlich" sei und mit den Interessen des werktätigen Volkes übereinstimme. Das man in der gesamten Tätigkeit Kompromisse eingehen musste, versteht sich von selbst, es war ein Seiltanz zwischen Engagement als deutsche Minderheit und dem von den Machthabern geforderten Tribut. Dabei hat die Zeitung "Neuer Weg" eine Vorreiterrolle gespielt und sich zu einem geschätzten Blatt etabliert. Diesem Weg haben danach auch die anderen Zeitungen gefolgt. Bis zum Ende der kommunistischen Diktatur (1989) haben sie es verstanden, den offiziellen Pflichtteil und die marxistische Ausrichtung durch eigene Beiträge zu erweitern, die die deutsche Bevölkerung ansprachen und sich mit ihren Anliegen beschäftigten. Mehr noch, als das DAK 1953 ersatzlos aufgelöst wurde, übernahm die Zeitungen, ohne damit beauftragt zu sein, die inoffizielle Vertretung deutscher Belange.
Die Deutschen Rumäniens haben unter allen deutschen Minderheiten der Ostblockstaaten die Verfolgungen der Nachkriegszeit am besten überstanden, wobei die deutschen Schulen sowie die evangelische und katholische Kirche, letztere zusätzlich zu der religiösen Betreuung, die wichtigsten Träger deutschen Kultur- und Gemeinschaftslebens waren. In den Gemeinden und Städten gab es deutsche Kulturgruppen, Blaskapellen, eine Reihe von traditionellen Festen konnten wieder gefeiert werden, in Temeswar und Hermannstadt wurde ein deutsches Staatstheater zugelassen, seit 1957 erschienen neben dem "Neuen" Weg weitere deutsche Lokalblätter, mehrere Verlage gaben deutsche Bücher und Fachzeitschriften heraus. Im Jahre 1956 wurden den deutschen Landbewohnern ihre Häuser zurückgegeben.
Angesichts der kommunistischen Diktatur, der nationalistischen Politik der rumänischen Machthaber, der Perspektivlosigkeit und wirtschaftlichen Misere des sozialistischen Regimes und nicht zuletzt als Folge des erschütterten Vertrauens durch die Verfolgungsmaßnahmen entschlossen sich die Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen, als sich ab Mitte der 60er Jahre Möglichkeiten eröffneten, zur Aussiedlung in die Bundesrepublik. Der große Exodus erfolgte nach dem Sturz des Kommunismus (1989), da auch das neue Regime zunächst nicht vertrauenerweckend wirkte. So verblieb in Rumänien bloß eine deutsche Restbevölkerung, die verschiedene Hilfen von ausgesiedelten Rumänieneutschen und deren Verbänden erhält. Sie genießen auch die Fürsorge des Mutterlandes Bundesrepublik Deutschland.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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