„Europa muss solidarisch zusammenstehen“
11.06.20
Video-Talk mit MdB Gunther Krichbaum
Die Corona-Pandemie hat europaweit das Wirtschaftsleben lahmgelegt. Der Tourismus ist zusammengebrochen. Die Gesundheitskrise ist noch nicht überwunden aber schon laufen auf nationaler und auf EU-Ebene großangelegte Bemühungen die Wirtschaft neu anzukurbeln. Die Pandemie führt dazu, dass bisher weniger genutzte technische Möglichkeiten plötzlich wiederentdeckt und allgemein genutzt werden. Die Video-Talks über die Zoom-Plattform ermöglichen virtuelle Begegnungen zwischen Teilnehmern aus verschiedenen Kontinenten und Ländern. Gespräche sind möglich, ein simultaner Austausch findet über tausende Kilometer statt. Auch beim Kronstädter Deutschen Forum hat man sehr schnell die Vorteile der Kommunikation übers Internet erkannt und genutzt – eine Initiative die dem Forumsstadtrat Christian Macedonschi zu verdanken ist. Am Mittwoch konnte er als Moderator und das Deutsche Landesforum als Gastgeber einen prominenten Gast begrüßen: Gunther Krichbaum ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender des Deutsch-Rumänischen Forums in Berlin. Als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Angelegenheiten der EU konnte Krichbaum (CDU) den Teilnehmern an der Videozuschaltung (unter ihnen der Forumsabgeordnete Ovidiu Gan? und AHK-Präsident Drago? Anastasiu sowie Journalisten von der DW und Radio România International) Informationen aus erster Hand über die Folgen der Pandemie in Deutschland und in der EU geben und über die EU-Strategie zur Redynamisierung der Wirtschaft berichten. Die Hauptidee dieser Wortmeldung war, dass Europa in dieser größten Herausforderung nach dem zweiten Weltkrieg „solidarisch zusammenstehen“ müsse. Nur als gemeinsames Europa haben die EU-Länder die Chance erfolgreich auf der Weltbühne aufzutreten. Die EU-Staats- und Regierungschefs sind die ersten die das anerkennen und dementsprechend handeln sollten. Nationale Einzelgänge lösen keine Probleme. Solche habe es zu Beginn der Krise gegeben, allerdings im Gesundheitsbereich gefördert von der Tatsache, dass die Europäische Kommission diesbezüglich zu wenig Kompetenzen besitze. Dies müsse sich schnell ändern, was auch die Schaffung einer gemeinsamen europäischen medizinischen Infrastruktur voraussetze, einschließlich mit Produktionskapazitäten die in Europa bleiben sollten. Dass nun die Europäische Kommission einen Hilfsfonds von 500 Milliarden Euro als nichtrückzahlbare Zuwendungen und weitere 250 Milliarden Euro in Form von Krediten in Aussicht für die Überwindung der Corona-Wirtschaftskrise stellt, beweist, dass die EU die Zeichen der Zeit erkannt hat und einen gemeinsamen Weg aus dieser Krise einschlägt.
Der deutsche Politiker wurde auch über seine Einschätzungen zu den Perspektiven Rumäniens in der Post-Corona-Zeit befragt. Krichbaum teilte nicht die Meinung, dass in der nächsten Zeit große Investoren ihre Kapazitäten aus China nach Europa und womöglich auch nach Rumänien übersiedeln werden. Rumänien bleibe zwar im Rennen als Wirtschaftsstandort, müsse aber mehr tun um an Attraktivität und Bedeutung zu gewinnen. Das Land müsse alternativen Energiequellen mehr Aufmerksamkeit schenken, die Fortschritte in Bereichen wie duale Ausbildung ausbauen, mehr auf Innovation und Digitalisierung setzen. Vor allem der Jugend müssen bessere Perspektiven und genügend entsprechend entlohnte Arbeitsmöglichkeiten angeboten werden, um im Land zu bleiben. Rumänien verdiene mehr als nur als „verlängerte Werkbank“ westlicher Unternehmen zu gelten. Die Region Kronstadt, zu der Krichbaum über Ehefrau Oana auch eine persönliche Bindung hat, sei in der rumänischen Wirtschaft gut positioniert und könne diese Stellung verteidigen und festigen, nicht zuletzt auch durch Eröffnung des Flughafens der als „hochrelevanter industriepolitischer Faktor“ betrachtet werden kann . Was den Tourismus betrifft, so sei Rumänien als Reiseziel nur zu empfehlen. Land und Leute haben vieles zu bieten, besäßen ein Charme das noch nicht entsprechend bekannt und berücksichtigt wird. Für eine intensivere Zusammenarbeit in Tourismus aber auch in Wirtschaft, Kultur, Medien und anderen Bereichen sei die gemischte deutsch-rumänische Regierungskommission das beste Instrument, sagte Abgeordnete Gan?, eine Meinung die Krichbaum teilte der auch auf die Bedeutung der bayerisch-rumänischen und der baden-württemberisch -rumänischen Kommission hinwies. Vorstellbar sei, dass eine dieser Kommissionen vielleicht auch in Kronstadt tagen könnte.
Christian Macendoschi erwähnte dankend die Hilfsaktion der deutsch-rumänischen Gesellschaft Pforzheim (Vorsitzende Oana Krichbaum) für die Beschaffung von medizinischer Ausrüstung gedacht für die Covid-19-Patienten des Kronstädter Kreiskrankenhauses. Im Rahmen der Aktion „Menschen in Not“ konnten mit Unterstützung der Pforzheimer Zeitung und der Pforzheimer Stadtwerke bisher bereits 2025 Euro gesammelt werden als Zeichen der Solidarität in Krisenzeit. Angesprochen wurde auch das Problem der mit dem Coronavirus infizierten rumänischen Werkvertragsarbeiter die in deutschen Schlachtbetrieben arbeiten. Gunther Krichbaum unterstrich, dass die Corona-Krise nun wie ein Katalysator in dieser Angelegenheit gewirkt habe denn das Problem unzulässiger Arbeits- und Wohnbedingungen dieser Kategori von ausländischen Arbeitnehmer sei seit mindestens zwei Jahren bekannt gewesen, die Warnungen aber nicht verstanden worden. Die Haftung der Generalunternehmer müsse ausgedehnt werden, wenn es um Bezahlung und Unterbringung der Werkvertragsarbeiter gehe. Die zwischengeschalteten Subunternehmer seien Teil des Problems; möglichst billige, gemietete Unterkünfte und nichtgemeldete Mietmängel führten zu inakzeptablen Wohnverhältnissen. Eine Verlagerung der Arbeitsplätze in der deutschen Schlachtindustrie ins Ausland käme nicht in Frage, glaubt der deutsche Abgeordnete. Eher sei damit zu rechnen, dass das Verhältnis zwischen Stammbelegschaft und Werkvertragsarbeitsnehmer sich ändern müsse und zwar zu Gunsten der Stammbelegschaft.
Ralf Sudrigian
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