Familienchronik kennzeichnend für viele Siebenbürger
03.06.21
Ehemaligem Direktor der Honterus-Schule Dr. Otto Liebhart gewidmete Monographie in zwei Bänden erschienen
Die aufliegenden zwei Bände sprechen sicher mehrere Generationen ehemaliger Schüler der Kronstädter Honterus-Schule an der zeitweilig Dr. Otto Liebhart als Direktor vorstand und als Lehrer in Erinnerung geblieben ist. Darin werden die wichtigsten Stationen aus dem Leben des Schulmannes beleuchtet, die Transformationen auch innerhalb der Schule, die politischen Umwälzungen die im "Jahrhundert der Extreme" wie der Untertitel der beiden Bände genannt wird, stattgefunden haben. Herausgegeben von Ursula Gärtner in Verbindung mit Dr. Roswitha Gärtner und Dieter Liebhart baut die Monographie "Die Liebharts“ auf die Aufzeichnungen und Erinnerungen, die Otto Liebhart in fortgeschrittenem Alter vorgenommen hat. Beide Bände "Herkünfte" bzw. "Schicksale" umfassen desgleichen ein reiches Fotomaterial - 263 Archivfotos - das aus den Familienbeständen verwendet wurde, Ansichten von Veranstaltungen, aus der Schultätigkeit bieten, die in einem viele Erinnerungen wach rufen. Bekanntlich wurde Otto Liebhart 1958 seines Amtes wegen der sogenannten „Rock'n Roll Affäre“ im Januar 1958 enthoben, wobei als damalige Schüler wir damit natürlich nicht offiziell eingeweiht worden waren, bloß der Mundfunk funktionierte. Die endgültige Fassung der beiden Bände wurde nach Hinweisen, Korrekturen und Vorschlägen veröffentlicht. Diesbezüglich richten die Autoren auch ihren besonderen Dank an Wolfgang Wittstock, Heinz Rossmann, Eckart und Edith Schlandt.
Band 1: Herkünfte
Die Autoren nach dem sie einige Vorbemerkungen erhielten, haben den Band in endgültiger Form 2020 im Berlin veröffentlicht. Eingeleitet wird dieser mit einem Gemälde von Dr. Otto Liebhart das Friedrich von Bömches 1954 geschaffen hat. Aus seinen Erinnerungen entnimmt man das Otto Liebhart am 9. Februar 1904 in Broos als Sohn des Lehrers Johann Liebhart geboren wurde, der aus Neppendorf stammt und somit Landler war. Die politischen Wirren vom Anfang des 20. Jahrhunderts werden nicht übergangen die wie auf alle Bewohner Siebenbürgens, somit auch auf die der Familie einen wesentlichen Einfluss hatten. Nach Besuch des Kun-Kollegiums von Broos, besuchte er die Bergschule in Schäßburg. Ab 1922 studierte er in Wien an der Hochschule für Welthandel, dann Theologie, um dann sein Studium an der Universität von Klausenburg (1923 - 1925) fortzusetzen. Im Herbst 1925 zog er nach Leipzig um dort bei Prof. Dr. Gustav Weigand sich für die Doktorarbeit "Die Ortsnamen des Szeklergebietes in Siebenbürgen" vorzubereiten. Am 30. September 1927 erhielt er die Urkunde der Universität Leipzig als Doktor der Philosophie. Im August gleichen Jahres stellte er sich dem damaligen Rektor der Honterusschule Adolf Meschendörfer und wurde als Supplent für das Fach Rumänisch für das kommende Schuljahr bestätigt. Sehr ansprechend sind die Erinnerungen von Otto Liebhart an die Studienjahre in Klausenburg, an seine rumänischen Kollegen, an Professoren wobei er nicht die politischen Ereignisse umgeht: 1933 das Attentat auf Ministerpräsident Duca, die Rolle der Eisernen Garde, dem Aufstieg des Nationalsozialismus der sich ausbreitete. 1932 heiratete er in Rosenau die Apothekertochter Lili Scheeser deren Mutter Rosa Wilhelmine Storck die in der Verwandschaft des Bildauers Storck stand. Daher wurde in den Band auch ein Exkurs in dessen Künstlerfamilie aufgenommen gezeichnet von Carl Storck, sowie eine Dokumentation von Rohtraut Wittstock-Reich über die Bildhauer aus dieser Künstlerfamilie. Abgeschossen wird dieser erste Band mit ausführlichen Erinnerungen von Otto Liebhart an seine Verlobung und der Trauung mit Lili Scheeser. Im Anhang ist ein Lebenslauf von vom Vater Johann Liebhart, je ein Genogramm der Familie Liebhart, der Familie Scheeser und der Familie Storck einzusehen.
Band 2. Schicksale
Wie ein Schulalltag an der Honterus-Schule in den Jahren 1926 - 1939 verlief ist sehr aufschlussreich. In einem Foto des Lehrerkollegiums aus den 30.er Jahren sind u.a. die Lehrer Wachner, Schlandt, Albrich, Heidel,Bickerich, Schunn, Gooss zu sehen. Die Tradition der Schulreisen bestand seit Jahren an der Schule und wurde auch später fortgesetzt. Die 1933 in die Türkei vorgenommene Reise beschreibt ebenfalls Otto Liebhart der diese auch geleitet hat. Daten über die Feier des Honterusfestes, ausgehend vom Geburtshaus in der Schwarzgasse, dem Marsch über den Burghals zum Honterusplatz finden die gebührende Stelle. Liebhart war auch ein aktiver Mitgestalter des Kulturlebens in der Stadt unter der Zinne. Er war Mitglied im Kronstädter Männergesangvereins bei den "Stürmern", war Mitglied des Bachchores nach dessen Gründung, und war auch bei der Sängerfahrt 1937 nach Deutschland dabei, war Mitglied der kirchlichen Gemeindevertretung. 1944 wurde das Schulgebäude an die russischen Truppen übergeben und wurde als Lazarett umgestaltet. Darauf wurde der Unterricht in unterschiedlichen Gebäuden abgehalten. 1945 wurde auch Liebhart nach Russland deportiert und konnte 1947 nach einer abenteuerlichen Heimkehr wieder zu einer Familie gelangen. Am 17. Juli 1947 wurde er zum 95. Direktor der Honterusschule durch das Presbyterium der Honterusgemeinde gewählt. Nach der 1948 erfolgten Verstaatlichung der konfessionellen Schulen stzten die geforderten organisatorischen Veränderungen ein. Die Honterusschule erhielt den Namen als "Liceul Mixt German". Neuer Direktor wurde Dr. Josef Wildt, anschließend Franz von Killyen bis 1952. Otto Liebhart wurde wieder als Direktor der staatlichen Schule ab 1952 bis 1959 ernannt. Ab 1956 war die Schule in das alte Gebäude an Schulhof wieder einquartiert worden wobei es da auch Jungen- und Mädcheninternat, eine eigene Kantine gab, wo der berüchtigte Fasching mit Rock'n Roll Tanz stattgefunden hat, die Motivation um den Direktor zu entlassen. Damalige Archivfotos, und Auszüge aus dem Protokol der außerordentlichen Erzieherratssitzung vom 24. Februar 1958, sowie aus der Securitate-Akte sind aufschlussreich. Ab 1960 wurde Otto Liebhardt nach Martinsberg und Bartholmae versetzt. Vier Jahre später erfolgte seine Pensionierung und konnte 1973 nach Deutschand umsiedeln. Da verstarb er am 30. September 1991. In einem Nachruf wurde sein Wirken wurde auch in unserer Wochenschrift vom 10. Oktober 1991 von Prof. Kurt Philippi geehrt.
Liest man diese ausführlichen beiden Dokumentationsbände, stellt man immer wieder fest, das auch im Leben von Otto Liebhart einer der siebenbürgischen Persönlichkeiten, wie auch bei anderen unserer Mitbürger unterschiedliche, konjunkturelle Positionen in jeweiligen Zeitabschnitten stattgefunden haben. Auf diese Aspekte geht Ursula Gärtner in dem Vorwort zum zweiten Band ausführlich ein. Nach seiner Entlassung als Schuldirektor ausgehend von der Tanzunterhaltung die als dekadent wegen den in Umkehr gesetzten Fotos eingeschätzt wurde, fühlte er sich als ungerecht behandelt und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Selbst betrachtete er sich als ein Opfer von Intrigen.
Die Autoren der beiden Bände haben eine bleibende Arbeit geleistet die zur Klärung auch so mancher Aspekte der siebenbürgisch-sächsischen Schulgeschichte und deren Vertreter beiträgt,eine besonderes eingehende Dokumentation für die Honterusschule im „Jahrhundert der Extreme“ darstellt. Hervorzuheben sind auch die Gestaltung und Satz von Jörn Schürtrumpf, wie der Druck und die Bindearbeit bei WIRmachenDRUCK GmbH Backnang. Interessenten an den beiden Buchbänden können sich an Ursula Gärtner, E-Mail gaertner.ula@googlemail.com oder an das Buechercafe ERASMUS Hermannstadt, erasmus@buechercafe.ro wenden, und bei Bestellungen die ISBN 978-3-00-068124-0 (Band 1) und ISBN 978-3-00-068125-7 (Band 2) angeben.
Dieter Drotleff
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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