Familiengeschäft zum Andenken an die Ahnen
18.07.19
Bei der Villa Kuschmann wurde das “Waldcafe” wiedereröffnet
„Ein Anziehungspunkt für die Gemeinschaft, wo Sachsen, Rumänen und Ungarn zusammentrafen und eine schöne Zeit miteinander verbrachten.” So beschreibt Calin Pop das „Waldcafe”, die Terrasse die seine Urgroßeltern im Jahr 1905 auf der Closca-Straße Nummer 28 aus Kronstadt eröffnet hatten und die bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs funktionierte. Diese befand sich auf dem Warthe-Hügel und bot eine herrliche Aussicht auf die Stadt, mit direktem Blick auf das Bartholomä-Viertel, auf die Zinne, auf den Martinsberg, auf das Schlossberg. Es war der ideale Ort nach einem Spaziergang im benachbarten Wald ein Erfrischungsgetränk zu genießen, Musik zu hören und zu plaudern. Hier ist Calin Pop mit seiner Mutter und seinen Großeltern, Thea Herta Hortense Kuschmann und dem Schriftsteller, Dramatiker und Lehrer Constantin Cuza, der am „Saguna“ unterrichtet hat, aufgewachsen.
„Ich will den Ort wiederbeleben”
Zwei Jahre lang hat Pop daran gearbeitet, die Terrasse und das Untergeschoss der Villa Kuschmann wieder herzurichten und zwar so, wie sie seine Vorfahren es errichtet hatten. Im April diesen Jahres hat er seinen Traum verwirklicht und das „Waldcafe” wiedereröffnet. Zwischen hunderten von Rosen kann man an den Tischen und Stühlen von 1905, die Pop mit einem professionellem Team renoviert hat, Getränke genießen. Ab und zu backt der Besitzer spontan Leckereien wie Aprikosenknödel oder veranstaltet einen Basar oder Markt mit selbstgebackenem Kuchen. So konnten die Frauen vom Handarbeitskreis des Demokratischen Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt ihre köstlichen Kuchen hier verkaufen.
Auch im Haus sind Restaurierungsarbeiten sichtbar: die Fenster- und Türrahmen wurden neu gestrichen, mit dem Blau der Zeiten von 1900. Eine neue Küche und ein neues Bad für die Kunden wurden eingerichtet. Zur Zeit ist das Cafe eher für Freunde und Bekannte geöffnet. Donnerstags und freitags Nachmittag, sowie am Wochenende, kann es besucht werden. Am besten macht man im Vorhinein eine Reservierung unter 0743 066 647. „Es funktioniert als Museum mit Terrasse im Privatraum, das dem Publikum zugänglich ist“ erklärt Pop.
Anhaltspunkt der Stadt
Zu Ehren seines Großvaters, „dessen Haus als kultureller Anhaltspunkt Kronstadts galt, habe ich sein Zimmer als Museum eingerichtet“ sagt Pop. Zahlreiche Malereien, Zeichnungen und sogar einen Holzstich, die er von seinem guten Freund, dem Kronstädter Künstler und Kunsttheoretiker Helfried Weiß erhalten hatte, hängen nun an den frisch gestrichenen Wänden. Die Manuskripte der Theaterstücke, die Cuza geschrieben hat, hat der Enkelsohn gefunden und träumt davon, sie eines Tages auf der Bühne zu sehen.
Constantin Cuza war Mitarbeiter mehrerer Publikationen. Unter anderen wurden Studien von ihm über die Literaturgeschichte, Theater, Lyrik, sowie Chroniken über Kunst und Aufführungen in der „Karpatenrundschau“ gedruckt. Für die KR hatte er auch eine Essay-Serie über die Malereien von Helfried Weiss, der auch am „[aguna“-Lyzeum, bei der damals dort untergebrachten deutschen Abteilung unterrichtet hatte, geschrieben.
Kulturelles Cafe
Auch die zahlreichen Schwarz-Weiß Fotos die er gefunden hat und ordentlich organisiert aufbewahrt, möchte er ausstellen, um Interessierten von heute ein besseres Bild von der damaligen Villa Kuschmann zu vermitteln. Bis im Herbst plant er auch eine zweite Terrasse zu gründen, die es früher allerdings nicht gab und die auch als Terrassen-Museum genutzt werden soll. „Dort sind Künstler eingeladen ihre Werke auszustellen. Junge Maler, Fotografen, Musiker, Schauspieler, Tänzer können sich hier entfalten, wir sind für alles offen“ sagt Pop. Ebenfalls stehen Film- oder Literaturabende im kleinen Rahmen im Plan. „Ich will am Wochenende Musik anbieten, wie das meine Urgroßeltern machten. Dafür habe ich eine Zusammenarbeit mit der Familie und den Nachbarn geplant, die im Bereich Musik tätig sind und mehrere Genres abdecken: von Klassik, über Jazz bis zu Folk.“
Nachbarschaft und Gemeinschaft
Die Ressourcen aus der Nachbarschaft sind für Calin Pop äußerst wichtig, denn er versucht, auch die Nachbarschaft und die Gemeinschaft wieder aufzubauen, mit denen er aufgewachsen ist. Seit er wieder auf der Closca-Strasse Nr. 28 wohnt hat er die Nachbarn mehrmals zu sich nach Hause eingeladen. „Die Struktur des Viertels hat sich geändert. Es gab Menschen, die nebeneinander wohnten und sich nicht kannten“ erklärt er. „Durch diese Treffen beim Waldcafe wächst nun eine Gemeinschaft, durch die wir uns stark machen können, einander helfen können.“ So setzen sie sich beispielsweise für das Erhalten der Gegend ohne hochmoderne Neubauten, oder für einen ruhigeren Verkehr ein - gegenüber vom Waldcafe ragt ein vierstöckiger Neubau empor, der überhaupt nicht in die Landschaft passt.
Auch hat Pop den Frondienst wieder eingeführt. Nachbarn haben ihm geholfen den hölzernen Pavillon seiner Großeltern aus dem Garten zu räumen, sodass er saniert werden konnte. Dort finden nun Seminare, Tagungen, Konzerte, Leseabende oder andere Veranstaltungen statt. Und auch dieser steht frei für kulturelle, sowie soziale Initiativen. „Für jeden, der sich ausdrücken möchte, stehen wir offen.“
„Ich will, dass das „Waldcafe“ ein Familiengeschäft bleibt und ich behalte es vorläufig in kleinem Rahmen“. Pop arbeitet Vollzeit bei einer Firma, die Kontaktlinsen herstellt, und ist wochentags meistens unterwegs, dafür widmet er aber jede freie Minute dem Cafe. Er erzählt liebend gerne und mit zahlreichen Details dessen Geschichte, über seinen Großvater und dessen Besucher, über die Ausflüge mit den Großeltern in derem weißen VW-Käfer, über die Nachbarkinder mit denen er als Junge spielte und in Rumänisch, Deutsch und Ungarisch sprach. Und auch über seinen Freund Horst, bei dem er 15 Aprikosenknödel gegessen hat.
Villa Kuschmann
Francisc Kuschmann, Pops Urgroßvater, hat 1905 die einstöckige Villa und die Terrasse aufgebaut. Im oberen Stockwerk hat die Familie gewohnt, unten haben eine zeitlang eine kleine Pension und ein kleines Restaurant funktioniert, die zusammen mit der Terrasse als „Waldcafe“ bekannt waren. Zu diesem gehörte auch ein riesiger Garten. Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde das Lokal geschlossen. Im Kommunismus wurden mehrere Familien hier zwangsuntergebracht. Bis zu ihrem Tod haben Constantin Cuza (1995) und Thea Kuschmann (2013) hier gelebt. Danach ist Calin Pop ins Haus seiner Großeltern eingezogen.
Vor allem für den Sommer ist dieser Ort ein Muss für jeden der Natur liebt und sich entspannen möchte. Für Kinder stehen ein Trampolin und Johannisbeersträucher oder Kirschbäume bereit, und die freundliche Hündin Cara erweist sich als gute Spielpartnerin. Erwachsene können sich an einem reichen Angebot mit deutschen Bieren oder an einer frischen Limo erfreuen.
Wertvolle Funde
Beim Sanieren des Pavillons aus dem Garten, der als Schuppen benutzt worden ist und mit allerhand Sachen überfüllt war, musste Pop eine erstaunliche Entdeckung machen. „In einem alten Koffer war Mehl aufbewahrt, das von Mäusen und Motten angegriffen war und das sicherlich aus der Kriegszeit stammt“. Auch im Haus, in der Holztreppe versteckt, lagen Tüten mit Zucker, aus derselben Zeit. Lustig fand Pop den Fund aus Cuzas Zimmer: „Beim Sanieren des Zimmers meines Großvaters hab ich in der Bibliothek „Snagov“-Zigarettenpäckchen gefunden, die er vor meiner Großmutter versteckt hielt. Sie war gegen sein Rauchen“ amüsiert sich der Mann.
Laura Capatana-Juller
Blick auf die Villa Kuschmann, 1905
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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