Gedanken zu dem Artikel „Weltweit einzigartiger Kunstschatz"
26.02.09
In der Ausgabe vom 15.12.2008 der "Siebenbürgischen Zeitung" ist ein lesenswerter Artikel von Dr. G. E. Schmutzler unter der Überschrift „Weltweit einziger Kunstschatz" erschienen. Er bringt ein Porträt des leider aus unserem Bewusstsein weitgehend verschwundenen Kronstädter Kunst-, vor allem Teppichsammlers Emil Schmutzler.
Es ist bezeichnend, dass Emil Schmutzler, dem keinerlei Missetaten nachgesagt werden konnten, das Schicksal so vieler teilen musste, die nur auf Grund ihrer sozialen Zugehörigkeit zu der „Ausbeuterklasse" dem Verderben im wahrsten Sinne des Wortes preisgegeben wurden.
Das Lebenswerk Schmutzlers, der Band „Altorientalische Teppiche in Siebenbürgen", war durch den hohen technischen Stand der Abbildungen seiner Zeit weit voraus. Das nur in sehr begrenzter Ausgabe (325 Exemplare) 1933 in Leipzig erschienene Buch ist heute eine Rarität, die sowohl den Bücherfreund, vor allem aber den Freund der so faszinierenden orientalischer Teppiche, von denen wir einen so großen Schatz besitzen, fesseln kann.
Dass uns dieser Schatz erhalten blieb, haben wir weitblickenden Männern wie Schmutzler zu verdanken. Hier sei daran erinnert, dass Dr. Karl Schnell in seinen Erinnerungen erzählt („Aus meinem Leben" Kronstadt, 1934 Seite 205), dass der damalige Direktor des Bukarester Museums Tsigara Samurkas 1923 an ihn, der damals auch Kurator der Honterusgemeinde war, mit dem Vorschlag herantrat, die Teppichsammlung der Schwarzen Kirche in das alte Rathaus zu verlegen, denn in der Kirche seien die Teppiche nicht genügend geschützt. Schnell wies dieses Anliegen zurück, wofür er sich die Feindschaft Tsigara Samurkas einhandelte. Wie richtig Schnell aber handelte, hat dann die weitere Entwicklung gezeigt. Stellen wir uns vor, was geschehen wäre, wenn Schnell auf den Vorschlag Tsigara Samurkas eingegangen wäre: Spätestens nach 1948 wären die Teppiche in Staatsbesitz übergegangen und der Schwarzen Kirche endgültig verloren gewesen.
Dabei muss erwähnt werden, dass Tsigara Samurkas eigentlich gutgläubig war, war doch er es, der nach dem ersten Weltkrieg die Teppiche aus den siebenbürgisch - sächsischen Kirchen, die 1914 aus Budapest nach Paris zur Restaurierung geschickt worden waren und dort im ersten Weltkrieg als Kriegsbeute einbehalten wurden, wieder ihren rechtmäßigen Besitzern (den verschiedenen Kirchengemeinden) zurückholte.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass wir heute in dem Bande „Die osmanischen Teppiche in Siebenbürgen", der von Stefano Ionescu 2006 herausgegeben wurde, einen würdigen Nachfolger des Werkes von Schmutzler haben, dazu auch noch zu einem erschwinglichen Preis erhältlich. Wenn man die zwei Bücher nebeneinander betrachtet, wird sichtbar, welchen Fortschritt die Reproduktionstechnik seit 1933 gemacht hat.
Erwin Hellmann , Kronstadt
Weltweit einzigartiger Kunstschatz
Emil Schmutzler (1889-1952) hat die Orientteppiche in Siebenbürgen für die Öffentlichkeit erschlossen
Vor 75 Jahren erschien der bahnbrechende Kunstband „Altorientalische Teppiche in Siebenbürgen“ des Kronstädters Emil Georg Schmutzler. Sein Lebenswerk wird im Folgenden vom Enkel Dr. George E. Schmutzler gewürdigt. Text und Fotos sind dem Band „Die osmanischen Teppiche in Siebenbürgen“ entnommen, das der Herausgeber Stefano Ionescu seinem Vorgänger Schmutzler gewidmet hat. Das 2006 erschienene Buch wurde am 18. Dezember mit dem George-Oprescu-Preis der Rumänischen Akademie in Bukarest ausgezeichnet. Die einzigartige Sammlung von Orientteppichen in evangelischen Kirchen in Siebenbürgen, die Schmutzler für die Öffentlichkeit erschlossen hat, ist hoch aktuell für Kunsthistoriker und Kulturpolitiker.
Emil Georg Schmutzler wurde am 30. April 1889 in Kronstadt als Jüngster von drei Brüdern in eine Familie von Textilindustriellen geboren, in deren Besitz sich unter anderem die von seinem Großvater gegründete und für die Qualität ihrer Tuche und Wollstoffe weit über die Grenzen Rumäniens hinaus bekannte Tuchfabrik Wilhelm Scherg & Co („Schergfabrik“) mit Sitz in Kronstadt befand. Der Familientradition folgend war es Emil Schmutzler wie auch seinem Bruder Richard vorbestimmt, nach der Ausbildung zu Textilfachleuten in den Familienbetrieb einzutreten und später dessen Leitung zu übernehmen.
Wie viele seiner Altersgenossen besuchte Emil Schmutzler zunächst das deutschsprachige Honterus-Gymnasium in seiner Geburtsstadt. Es ist nicht auszuschließen, dass er seine spätere Liebe zu orientalischen Teppichen der Tatsache verdankte, dass sich das Gymnasium in unmittelbarer Nähe der Schwarzen Kirche befand. Diese, ein eindrucksvolles spätgotisches Bauwerk aus dem 13./14. Jahrhundert, beherbergt eine einmalige Sammlung alter anatolischer Teppiche, die den Schülern des Gymnasiums zu jener Zeit frei zugänglich war. Vermutlich war es dieser erste Kontakt mit den wertvollen Exponaten, der in Emil Schmutzler viele Jahre danach die Begeisterung für dieses Kulturerbe seiner Heimat entfachte.
Nach Abschluss des Gymnasiums ging Emil Schmutzler zum Studium nach Wien, Berlin und Aachen. Der Auslandsaufenthalt sollte aber nicht nur als Vorbereitung für seine zukünftige Aufgabe im Familienbetrieb dienen, sondern ihm auch Gelegenheit geben, die Menschen und die Kunst anderer Kulturkreise kennen zu lernen. Er beendete sein Studium an der Textilakademie in Aachen mit dem Erwerb des Diploms Textilkaufmann. Dort lernte er auch Erna Müller kennen, die er einige Jahre später in Kronstadt ehelichte.
In seine Heimatstadt zurückgekehrt, trat Emil Schmutzler wie vorbestimmt in den Familienbetrieb ein, um sich auf seine zukünftige Aufgabe als Mitglied der Geschäftsleitung vorzubereiten. Das Unternehmen florierte und forderte den vollen Einsatz. Dennoch fand Emil Schmutzler Zeit, sich neben seiner jungen Familie auch seinen persönlichen Interessen und Neigungen zu widmen. Und deren waren es nicht wenige: Am Schneckenberg, etwas oberhalb der Tuchfabrik, ließ er für sich und seine Famile eine repräsentative Villa bauen. Dann erwarb er einen historischen Landsitz in Olteni, einer Ortschaft etwa 30 km von Kronstadt entfernt. Die dazugehörigen Ländereien erlaubten es ihm, auch einer seiner Leidenschaften, der Zucht von Reitpferden, nachzugehen. Beide Häuser stattete er mit kostbaren antiken Möbeln und orientalischen Teppichen aus, die er mit großem Kunstverstand zusammentrug. Darunter befanden sich auch echte Siebenbürger-Teppiche, die Emil Schmutzler aus den umliegenden sächsischen Dörfern zum Kauf angeboten wurden, nachdem sich seine Sammlerleidenschaft herumgesprochen hatte.
Es gelang ihm, bis 1944 etwa 15 bis 20 dieser Teppiche anzuschaffen, einschließlich einiger Fragmente. Vielfach kamen deren Muster und Farben aber erst zum Vorschein, nachdem sie sorgfältig gereinigt und restauriert worden waren. Sie wurden von den Vorbesitzern in Unkenntnis ihrer wahren Bedeutung im Haushalt als Gebrauchstextilien missbraucht oder waren auf Dachböden in Vergessenheit geraten.
Einige dieser Exemplare hat Emil Schmutzler in sein bahnbrechendes Werk „Altorientalische Teppiche in Siebenbürgen“ im Jahr 1933 aufgenommen und sie so unbewusst zumindest bildhaft für spätere Generationen gerettet. Als nämlich 1944 die USA die „Schergfabrik“ unter Beschuss nahm, wurde versehentlich die nahe gelegene Villa von Emil Schmutzler getroffen. Dabei wurde auch nahezu die gesamte Teppichsammlung, die für den Abtransport ins sicherere Olteni bereitlag, unwiederbringlich zerstört. Dasselbe Schicksal erlitt auch eine nicht bekannte Anzahl seines Buches.
Die Entwicklung Rumäniens nach dem Kriege vorausahnend, hatte Emil Schmutzler allerdings schon vorher acht Exemplare seiner Sammlung in Sicherheit gebracht. Zum Zeitpunkt des Luftangriffs befanden sich diese bereits auf dem Wege nach Schweden und konnten so für seine Nachkommen in natura gerettet werden.
Zu Lebzeiten hat sich Schmutzler aber nicht nur seiner Aufgabe in der Tuchfabrik, seiner Familie und seinen privaten Interessen und Hobbys gewidmet. Er begleitete darüber hinaus mit sozialem Verantwortungsbewusstsein und beträchtlichen Geldmitteln viele Gemeinschaftsprojekte in Kronstadt und Olteni und erwarb sich insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung des kulturellen Erbes seiner Heimat sowie der Kunst des Farbdruckes große Verdienste.
Diese sind auf seine Idee zurückzuführen, die in den sächsischen Kirchen Siebenbürgens hängenden seltenen osmanischen Teppiche systematisch zu erforschen, zu katalogisieren und einer breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen. Er wurde dabei vom damaligen Bischof der Evangelischen Landeskirche A.B. in Siebenbürgen, Dr. Victor Glondys, einem Freund der Familie Schmutzler, tatkräftig unterstützt. Diese Bekanntschaft und die gemeinsame Begeisterung für die Siebenbürger-Teppiche half Emil Schmutzler, den Zugang zu den Pfarreien und damit zu den sorgsam gehüteten Schätzen zu finden, was erst das Entstehen seines monumentalen Werkes „Altorientalische Teppiche in Siebenbürgen“ ermöglichte.
Der Kunstband erschien 1933 in Leipzig bei Karl W. Hirsemann und sollte für Generationen von Teppichexperten und Sammlern die bedeutendste Referenzquelle für die Gattung Siebenbürger-Teppiche bleiben. Auch drucktechnisch bezeichnete das Werk einen Wendepunkt, war es doch eine der ersten Auflagen überhaupt, bei denen es gelang, chromatisch komplexe Kunstwerke wie Teppiche mittels der noch relativ jungen Farbdrucktechnik in bis dahin unerreichter Farbqualität wiederzugeben. Um sein Projekt zu verwirklichen, brachte Emil Schmutzler auch bedeutende eigene Geldmittel auf. So ließ er die zu reproduzierenden Teppiche auf eigene Rechnung reinigen, gegen weiteren Verfall behandeln und zum Ablichten nach Wien transportieren. In Wien wurden auch die Klischees für den Druck angefertigt. Die auf 325 Stück limitierte Auflage des aufwendig gestalteten Buches hatte jedoch keinerlei kommerziellen Hintergrund. Sie legt vielmehr Zeugnis ab für den Mäzen Emil Schmutzler und ist Ausdruck seines Willens, das kunsthistorisch bedeutende Erbe seiner Heimat, die Siebenbürger-Teppiche, für die Nachwelt zu dokumentieren.
Leider hat die Entwicklung in Rumänien nach dem Zweiten Weltkrieg Emil Schmutzler all dessen beraubt, was er mit Begeisterung, Verantwortungsgefühl und Sachverstand geschaffen hatte. Was nicht durch Bomben zerstört wurde, wurde enteignet oder musste verschleudert werden, um ihm und seiner Frau das schlichte Überleben zu sichern. Schließlich musste auch er das Schicksal vieler Angehöriger der deutschen Minderheit in Rumänien teilen und sich der von den neuen moskautreuen Machthabern angeordneten Zwangsumsiedlung nach Covasna, ein abseits gelegenes Dorf, beugen. Schwer erkrankt, verarmt und gebrochen starb Emil Schmutzler dort im Jahre 1952.
Dr. George E. Schmutzler
(Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2008, Seite 8)
Bildtext
Foto 1 – Emil Schmutzler um 1933
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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