Geschichte und Geschichten
16.04.09
Von Graf Dracula zu den Nürnberger Würstchen
Dr. Hartmut Frommer, Jurist von Beruf und ehemaliger Polizeipräfekt der Metropolitanregion Nürnberg, besuchte Kronstadt erneut. Diesmal war der Anlass die internationale Buchmesse, Gelegenheit bei der er auch drei Bücher über Nürnberg vorstellte bei denen er als Mitautor wirkte. Seine Liebe jedoch, schon fast eine Leidenschaft, gehört der Geschichte, besser gesagt den Geschichten, mit und um Graf Dracula.
Wie es zu dieser Bindung kam erzählte Dr. Frommer leicht belustigt in einem Kurzgespräch:
„Als Polizeipräfekt kümmerte ich mich auch um die direkte Eisenbahnverbindung zwischen Nürnberg und Konstanza, Verbindung welche auch durch Kronstadt führt. Ja und so entdeckte ich nach und nach wie viele Bindefäden es zwischen unseren Städten schon im Mittelalter gab. Über Kaufleute wurden nicht nur Waren sondern auch Geschichten und Informationen ausgetauscht.“
Zu Bram Stoker und seinem berühmten „Dracula“ kam Hartmut Frommer über das selbe Gleis; er entdeckte nämlich: „Der Karpatenbogen, Nürnberg und der englische Autor treffen sich, aus meiner Sicht, im selben Boot.“
Welches war die erste Verbindung die Sie entdeckten?
„Es war 1431 als der Fürst Vlad nach Nürnberg kam und dort dem Drachenorden beitrat. Dabei wurde ihm auch, von Kaiser Sigismund eine Halskette verliehen, an deren Ende, auf der Brust also, ein Drachen hing. Von diesem Drachen, der wohl den Untertanen des Fürsten einen Schreck eingejagt hat, stammt ja der Beinamen Dracul, prosaischer gesagt: der Teufel. Vom Vater auf den Sohn, der ja der 'Pfähler' Draculea wurde. An dieser Stelle schwappt die Geschichte wieder nach Nürnberg zurück, wo damals gerade die Druckerkunst erblühte. Damals gab es ja keine Zeitungen, aber es gab die Flugblätter, Träger von Geschichten und Zeichnungen welche sich rasend schnell verbreiteten. Die Nürnberger waren damals schon hinter allen Sensationen her, weil sie wussten, dass sie damit Geld machen können.“
Geschichte und Geschichten
(Fortsetzung von Seite 1)
Dr. Frommer verbindet das mittelalterliche Nürnberg jedoch nicht nur mit Stokers blutsaugendem Vampir-Grafen sondern auch mit dem prosaischen Würstchen. Schon der Name sagt es: nicht Wurst, sondern Würstchen, weil diese Besonderheit sie einmalig macht. Wieso sie so klein sind, ist Stoff für mehrere Geschichten die Hartmut Frommer kennt:
„Ja, damals gab es in Nürnberg viele, sehr viele Gaststätten und Wirtshäuser. Wegen der Enge der Stadt mussten diese klein sein, also herrschte Platzmangel. Wie konnten da die Würste groß sein? Selbstverständlich waren sie auch klein. Oder, am Abend: da ging kein Nürnberger zu Bett ohne einen kleinen Happen zu essen. Da es jedoch Abend war, und die Einwohner gesund leben wollten, wurden auch die Würste klein gemacht, um nicht schwer im Magen zu liegen. Eine ebenso schöne Geschichte haben ich noch: Sünder, Gesindel wurden 'eingelocht' also kamen sie an einen Ort ohne viel Raumfreiheit, ein 'Loch' eben! Damit man ihnen die Speise in dieses 'Loch' stecken konnte, wurden die Würste eben zu Würstchen, so groß oder klein, dass sie gerade noch durch das Schlüsselloch gingen.“
Also, Geschichten gibt es viele in denen solche Eigenheiten vorkommen!
Kehren wir jedoch zu Dracula zurück. Im 18. Jahrhundert gab es eine romantische Welle die auch Nürnberg erfasste. Anlass oder Gelegenheit um grausam-gruselige Geschichten nach Nürnberg zu übertragen. Ich nenne das ganze auch ein 'romantisches Missverständnis', ein Hintergrund den Bram Stoker auch für seine 'Eiserne Jungfrau' benutzte. Die hat er allerdings nicht erfunden, die gab es tatsächlich.
War nun dieser mit scharfen Klingen versehene Kasten ein Folterinstrument oder nicht?
„Keineswegs! Die eigentliche 'Eiserne Jungfrau' war ein Holzkasten mit einer Öffnung für das Gesicht. Aber bitte sehr: Es war ein Straf- und nicht ein Folterinstrument. Weiber welche ein lockeres Mundwerk hatten wurden damit bestraft. Sie wurden darin verschlossen, also eingesperrt und so standen sie an einem öffentlichen Platz wo ihr Gesicht ja durch die Öffnung gesehen werden konnte, sie aber trotzdem eingesperrt blieben. Eine eher 'milde Strafe' wenn wir an die Folterkeller oder die 'höchstpeinliche Befragung' im Mittelalter denken.
Die 'Eiserne Jungfrau' wurde ursprünglich 'Schandmantel', eine durchaus genauere Bezeichnung, genannt. Der verfolgte Zweck war ja die Frau, die Übeltäterin, in ihrer Ehre zu kränken. Der literarisch eingesetzte Gedanke, der ja mit dem Mittelalter überhaupt nichts zu tun hat, verwandelte dann alles und schuf die Schauergeschichte. Bram Stoker hat den Stoff ja auch genutzt und mit Nürnberg in Verbindung gebracht. Übrigens, Nürnberg kannte er tatsächlich; er besuchte die Stadt, doch bis her, in den Karpatenbogen ist er nicht gekommen. Dafür aber ich, auf den Spuren seiner Romangestalten, wenn Sie so wollen.
Wir danken für das Gespräch.
Hans Butmaloiu
Dr. Hartmut Frommer (rechts) erhielt ein T-Shirt vom Gastgeber welches er voller Stolz präsentierte.
Foto: Richard Sterner
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