„In Kronstadt auszustellen bedeutet für mich eine neue Form der Begegnung mit dem Land und seinen Leuten“
16.05.19
Interview mit dem Künstler Horst Josef
Ende Mai zeigt das Gedenkmuseum „Casa Muresenilor“ eine Doppel-Ausstellung der besonderen Art. Es handelt sich um Werke zweier Künstler mit Zeidner Wurzeln, Horst und Dieter Josef. Die Siebenbürgen-Tournee führt sie nach Kronstadt (28. Mai bis 28. Juni) und Hermannstadt (Brukenthal-Museum, vom 3. bis zum 31. Juli). Dieter Josef ist 1952 in Österreich geboren, sein Vater stammte aus Zeiden. Er studierte Kunst mit Schwerpunkt Lithographie in Linz, Warschau und Tokyo. Mit Hilfe seiner eigenen Drucktechnik auf Japanpapier verarbeitet er seine vielen Eindrücke, die er auf ausgedehnten Reisen um die ganze Welt gesammelt hat. Im Gegenzug sind viele Werke quasi als seine eigenen Kulturbotschafter in diese Länder zurückgekehrt, wo sie auf zahlreichen Ausstellungen gezeigt wurden. Horst Franz Josef ist 1953 in Kronstadt geboren und in Zeiden aufgewachsen, von wo er 1980 nach Deutschland auswanderte. Zuvor hatte er sein Studium der Architektur am Polytechnischen Institut in Klausenburg abgeschlossen, das er dann an der Technischen Universität München weiterführte. Anschließend wirkte er als freischaffender Architekt und begann seit 2003 parallel mit der Malerei, mit der er sich seit rund zehn Jahren ausschließlich beschäftigt. Über den Weg von der Architektur zur Kunst, über das Gefühl von „zu Hause“ und dem Leben zwischen zwei Welten sprach mit dem in München lebenden Künstler Horst Josef die KR-Redakteurin Elise Wilk.
Unter dem Motto „Josef & Josef: Zwei Künstler auf Besuch daheim“ veranstalten Sie zusammen mit ihrem Cousin Dieter Josef eine Doppel-Ausstellung in Kronstadt und Hermannstadt. Was bedeutet für Sie „daheim“?
Daheim ist da, wo man nicht gefragt wird, wo man herkommt – heißt es. Und da ist was dran. Ich kann den Begriff Heimat aber nicht unbedingt nur auf meinen Geburts- oder ehemaligen Wohnort festmachen, auch,weil ich den vor vielen Jahren bewusst und gewollt verlassen habe, ohne es je bereut zu haben. Hängt auch damit zusammen, dass der wichtigste Teil Heimat mit mir mitgegangen ist, meine Frau, die aus Wolkendorf stammt. Dass diese „erste“ Heimat mich aber grundlegend geprägt hat ist unverrückbare Tatsache und macht sie zu was bleibend Einzigartigem, Wertvollem, jedoch frei von Nostalgie. Zu meiner zweiten Heimat Deutschland, genauer Oberbayern, hab ich inzwischen eine starke Verbundenheit, die logischerweise nicht diese frühen emotionalen Ankerpunkte der Kindheit und Jugend vorweisen kann. Es ist jedoch der Raum der Möglichkeiten in Freiheit und Sicherheit, den ich immer gesucht und gefunden hab, trotz aller auch hier existierender Unzulänglichkeiten.
Sie sind in Zeiden aufgewachsen. Welches sind die stärksten Erinnerungen an ihre Heimatortschaft?
Es sind die Gassen und Häuser, der Zeidner Berg und das Waldbad, Orgelmusik in der Kirche und ihr Glockengeläut, ins Kränzchen gehen, Brotbacken in der Nachbarschaft, mit Großvater am Radio sitzen oder beim Mittagstisch...und einiges mehr. Aber auch die vielen Erlebnisse, die mich, uns, zum Verlassen dieses Heimatortes geführt haben. Aber jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte, alles hängt mit allem zusammen und bedingt das Nächste.
Wie oft waren Sie nach ihrer Ausreise 1980 in Rumänien auf Besuch? Was hat sich geändert? Was ist gleich geblieben?
Privat nicht so oft (vielleicht 6 Mal), Anfang der Nuller-Jahre zwei Jahre lang regelmäßig beruflich wg. Begleitung von Schulbau-Projekten in Klausenburg und Jassy. Tja – geändert hat sich manches – schon rein äußerlich abzulesen z.B. an den neu entstandenen Gebäuden, die bei mir als Architekt ganz unterschiedliche Kommentare provozieren. Das Leben in den Städten ist viel bunter und lebhafter geworden, Geld ist vorhanden, aber sehr unterschiedlich verteilt. Und die Dörfer haben immer noch das wenigste davon abbekommen. Geblieben ist die einzigartige Naturlandschaft, dafür hat sich die politische Landschaft stark verändert. Der Umbruch ist seit 30 Jahren immer noch in vollem Gange und verlangt den Menschen viel ab – das muss man beachten und respektieren.
In Deutschland arbeiteten Sie jahrelang als Architekt, künstlerisch tätig sind Sie seit 2003. Wann haben sie ihre Leidenschaft für Malen entdeckt?
Malen war schon immer eine Option für mich, auch als ich nach dem Lyzeum vor der Berufswahl stand. Aber 1972 schien mir Architektur der ratsamere Weg zu sein als etwa ein Kunststudium, ideologisch weniger verfänglich. Hat dann allerdings 30 Jahre gebraucht, um die Kunst wieder für mich zu entdecken. Denn auch in Deutschland gilt: „Zuerst kommt das Fressen und dann...“ erst alles andere - frei nach Brecht. Aber alles kommt zu seiner rechten Zeit, manchmal dauert's halt.
Sie meinten in einem Interview: "Kunst ist für mich eine bewusste Abkehr von der Architektur". Glauben Sie nicht, dass die beiden Bereiche manchmal miteinander verschmelzen? Wieviel Architektur steckt in Ihren Bildern?
Stimmt schon: beide Bereiche haben Schnittmengen – z.B. gelten da die gleichen Gestaltungsregeln. Bildende Kunst lässt aber viel mehr Freiheit und Unabhängigkeit zu und ganz wichtig: das spielerische Tun. Demgegenüber beträgt der kreative Moment in der Architektenarbeit max. 5%, der Rest ist knallharte Kopf- und Nervenarbeit in einem reinen technisch-ökonomisch-juristischen Umfeld. Und für einen freien Architekten wie mich voll haftbar u.zw. lebenslang. Dazu ist der vielbeschworenen Baukultur viel zu oft das Wort „Kultur“ abhanden gekommen.
Der Architekt zeigt sich natürlich auch in meinen Bildern, bewusst als ergänzendes, streitendes, weil geometrisches Element, das sich aber aus dem anfänglichen Chaos auf meinen Leinwänden entwickelt als ein kompositorischer Ordnungsfaktor. Es sind ja immer die Gegensätze, die für Aufregung und Spannung sorgen, das intuitiv-chaotische und das intellektuell-überlegte, aus einer vertieften Wahrnehmung heraus zusammengebracht.
Manchmal benutzen Sie für Ihre Werke Objekte, die Sie auf der Straße finden-Wurzeln, Drähte usw. Welches war der erste Gegenstand, den Sie verwendeten?
Das waren, glaube ich, verwitterte Bleche und Verpackungsmaterial u.ä. Das Faszinierende für mich an diesen Objekten ist außer den interessanten Verwitterungsspuren ihre rätselhafte Vergangenheit als ein von Menschenhand gefertigter ehemaliger Konsumartikel, der irgendwann „auf der Strecke“ geblieben ist, aber oft eine subtile Ästhetik der Vergänglichkeit besitzt – ein Gedanken, der auch im altjapanischen Begriff Wabi-Sabi enthalten ist. Dinge halt, die ihre eigen Geschichten mit ins Bild bringen mit der Erkenntnis, dass auch das Geringste dort seinen Platz finden kann, um so wichtig fürs Ganze zu werden. Wenn man das auf uns Menschen übertragen würden, dann – ja, dann … Das wäre jetzt aber eine andere Baustelle.
Wo haben Sie noch ausgestellt?
Damit habe ich sehr spät begonnen, denn 10 Jahre lang war die Malerei eine rein privat-intime Angelegenheit. Erstmals ausgestellt hab ich dann in München, gefolgt von z.B. Bad Reichenhall, Dinkelsbühl, Taufkirchen, Wien / Gumpoldskirchen und Kössen in Österreich oder aber auch 2017 in Tokyo / Japan. Jetzt in Kronstadt und Hermannstadt auszustellen, ist was Besonderes. Denn für mich ist es eine neue Form der Begegnung mit dem Land und seinen Leuten. Diesmal aber auf einer ganz andern Ebene und ich bin sehr gespannt und neugierig darauf.
Zusammen mit ihrem Cousin teilen Sie die Überzeugung ´Kunst gibt es nur für und durch den Andern`. Was erwarten Sie von den Begegnungen mit den Kronstädter Besuchern der Ausstellung?
Bei Erwartungen halten wir uns aus Erfahrung bewusst zurück – das ist immer auch mit einem Anspruch verbunden an ein unbekanntes Publikum, dessen Vorstellungen wir nicht kennen können, Darauf kommt's aber auch nicht an, denn zumindest ich mach mir wenig Gedanken, ob das, was ich mache, Gefallen finden wird. Kunst im allgemeinen kann zwar „gefallen“, es ist aber nicht ihr Hauptzweck, wenn man hier von Zweck im herkömmlichen Sinn überhaupt sprechen kann. Wenn es ihr aber gelingt, dass Menschen davor innehalten, sei es, weil sie sich angenehm angesprochen oder unangenehm provoziert fühlen, ist schon einiges erreicht. Den Lauf der Welt wird sie aber so oder so kaum verändern. Sie, die Kunst, ist aber ein feiner Gradmesser, wie wir uns in dieser Welt sehen und verhalten, was wir tolerieren oder verdammen. Ob es uns erfreut, nachdenklich oder aggressiv macht. Erst ihr totales ignorieren ist ein Alarmzeichen, in unserem Fall nur ein kleines. Überhaupt: einmal in die Welt gesetzt, führen Kunstwerke sowieso ihr Eigenleben und ob sie bestehen oder nicht liegt dann ausschließlich beim Publikum.
Herr Josef, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Der Künstler Horst Josef. Foto: privat
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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