„Jauchzet, frohlocket“
05.01.09
Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium erklang in der Schwarzen Kirche
Die Weihnachtszeit ist ohne Bachs Weihnachtsoratorium schwer vorstellbar. Das Meisterwerk ist eines der meist aufgeführten geistlichen Kompositionen Bachs und das beliebteste aller Stücke, die man sich um Weihnachten in Konzertsälen und Kirchen anhören kann. Dabei handelt es sich um einen Zyklus von sechs Kantaten, für die drei Weihnachtsfesttage, den Neujahrstag, den Sonntag nach Neujahr und das Epiphaniasfest. Die Musik zu einer Reihe von Gottesdiensten ist dennoch als „Oratorium" zu bezeichnen, weil die Texte, die Tonarten und die Formen ein symmetrisches Ganzes mit mehreren Zentren bilden, eine Einheit von musikalischer und poetischer Substanz. Manche Chöre und Arien entnahm Bach zuvor entstandenen weltlichen Werken (was zu seiner Zeit keine Seltenheit war). Man kann bei einem Vergleich nur staunen wie die selbe Musik zu sehr verschiedenen Texten passt, wie einmalig sie wirkt.
In Kronstadt erklangen die Teile I bis III am 12. Dezember von der Empore der Schwarzen Kirche. Der Hermannstädter Bachchor und ein Instrumentalensemble aus Klausenburg boten unter der Stabführung von Kurt Philippi eine Leistung von hohem Niveau dar. Als Gesangsolisten wirkten mit die Klausenburger Melinda Samson (Sopran), Maria Pop (Alt) und Cristian Hodrea (Bass), wie auch der Tenor Gernot Heinrich aus Wien. Besonders bemerkenswert ist, dass die Erstaufführung des Weihnachtsoratoriums in Rumänien vor fast 75 Jahren durch denselben Hermannstädter Chor stattfand.
Die festliche Atmosphäre des Stückes wurde durch die Interpretation des Ensembles und durch die wunderbare Akustik der Kirche hervorragend wiedergegeben. Märchenhaft wirkten auch die brennenden Kerzen des Adventkranzes und die schillernde Beleuchtung der Buchholz Orgel.
Im ersten Teil des Oratoriums geht es um die Zeit vor Jesu Geburt und um den Lobpreis seiner Ankunft. Der berühmte Chor „Jauchzet, frohlocket" wurde mit Klarheit und Freude wiedergegeben. Der charaktervolle Einsatz der vielen Bläser (Trompeten, Pauken, Traversflöten, Oboen) verstärkte den Jubel dieses Anfangs. Die darauf folgenden Rezitative enthalten den Bericht des Evangelisten, der erstklassig von Gernot Heinrich gestaltet wurde. Die leuchtende, klare Stimme des Tenors und seine mangellose Aussprache verliehen der objektiven Narration den Charakter einer ständigen Erinnerung und die Wärme die zu der Weihnachsgeschichte gehört. Die Choräle, Symbole der Gemeinde, erklangen beim Bachchor ruhig und zugleich kompakt, mit der Gewissheit eines Glaubenszeugnisses.
Die Bass-Arie „Großer Herr und starker König", ein Hymnus der Majestät Gottes, wurde von Cristian Hodrea sehr überzeugend gesungen.
Der zweite Teil des Weihnachtsoratoriums handelt von der Nachricht der Geburt Jesu. Ein Engel erscheint den Hirten, und berichtet von der Ankunft des Erlösers. Im Gegenteil zur ersten Kantate herrschen hier leise Nuancen, die die Einfachheit der Krippenszene und die Bescheidenheit der Hirten schildern. Dazu gehört auch das Gefühl der Geborgenheit, das durch die Geburt des Herrn in die Welt gebracht wird. Am Anfang dieses Teils steht ein wunderbares Instrumentalstück, das vom Orchester äußerst farbig interpretiert wurde. Die Streicher und Flöten erschienen als bildhaftes Symbol der himmlischen Sphäre. Beeindruckend war auch die streichelnde Klangfarbe der Altstimme (Maria Pop) im Wiegenlied Marias, „Schlafe, mein Liebster". Vielleicht war an dieser Stelle das Orchester etwas zu laut. Die zweite Kantate endet mit dem Jubel der Engel in der großen Fuge „Ehre sei Gott" und mit dem schwingenden Gesang der Hirten „Wir singen dir in deinem Heer".
Der dritte Teil schließt die eigentliche Geschichte der Weihnacht mit der Anbetung der Hirten in Bethlehem. Im Duett „Herr, dein Mitleid" wurde die Baßstimme durch den glänzenden Sopran von Melinda Samson wunderbar ergänzt. Im Choral „Ich will dich mit Fleiß bewahren", schwört die christliche Gemeinschaft ewige Treue und legt sein Schicksal in die Hände des Erlösers. Der Eingangschor „Herrscher des Himmels" wird am Ende wiederholt und schließt den Kreis der Kantate. Die strahlende Stimmung des Stückes wurde mit majestätischer Größe und mit Raffinement wiedergegeben. Kurt Philippi, der den Bachchor schon seit 1979 betreut, meisterte die gesamte musikalische Leitung mit hervorragender Klarheit.
Leider wurde die Aufführung am Freitagabend durch die laute Popmusik gestört, die vom alten Marktplatz dröhnte. Am schlimmsten waren die Feuerwerke, die während der dritten Kantate das Zuhören fast unmöglich machten. Dabei handelte es sich um Rücksichtslosigkeit seitens der Veranstalter die das Fest am Rathausplatz organisiert hatten, ohne die Regeln zu beachten, die diesbezüglich von der Schwarzen Kirche und dem Bürgermeisteramt gemeinsam festgelegt worden sind. Erst am Ende des Weihnachtsoratorium wurde es wieder ruhig. Zwischen den zwei Möglichkeiten, in der Schwarzen Kirche und am alten Marktplatz Weihnachten zu feiern, war es nicht schwer zu entscheiden, denn die Aufführung des Bach'schen Meisterwerkes überzeugte seine Zuhörer völlig. Wir freuen uns schon auf Bachs Johannespassion, die im April erklingen wird.
Christine Chiriac
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