Keine Übersicht - keine Strategie
05.03.20
„Der Tag des Waldes“ beim Alpin-Fest
Im Programm der fünften Auflage von Alpin-Fest (25. Februar – 1. März) war Donnerstag, der 27. Februar, als „Tag des Waldes“ ausgewiesen. Eine begrüßenswerte Initiative die sehr gut zum Festivalprofil passt. Denn Wandern, Klettern, Bergtourismus sind Tätigkeiten die in den Bergen und somit auch in den Wäldern stattfinden.
Leider sorgt Rumänien in den letzten Jahrzehnten immer wieder für negative Schlagzeilen wenn es um Waldbewirtschaftung und Umweltschutz geht. Letztes Beispiel dafür ist das drohende Vertragsverletzungsverfahren gegen illegalen Holzeinschlag oder Holzschlag-Genehmigungen ohne vorher deren Auswirkungen auf geschützte Lebensräume zu prüfen. Der Tag, der zwei Doku-Streifen und ein Podiumsgespräch im Saal des Kulturzentrums Redoute vorsah, war laut Programmankündigung, dem Gedenken an dem im Herbst des Vorjahres ermordeten Förster Liviu Pop gewidmet. Er ist das jüngste der sechs Opfer die in den letzten Jahren bei der Ausübung seiner Dienstpflichten ermordet wurde, als er einen Holzdiebstahl verhindern wollte. Leider blieb dieses Gedenken nur im Festivalprogramm vermerkt.
Zu der von Radu Melu, Landesmanager für Wälder bei WWF Rumänien, moderierten Podiumsdiskussion stellten sich drei der fünf eingeladenen Fachleute: Mircea Verghelet, Direktor des Naturparks Königstein/Piatra Craiului und Vorsitzender des Landesvereins der Verwaltungen von Schutzgebieten (AAAP), Tudor Stancioiu, Dozent an der Forstfakultät der Kronstädter Transivlania-Uni und Dietmar Gross, ehemaliger Leiter des Forstamtes Lichtenfels (Deutschland), heute mit Wohnsitz in Deutsch-Weißkirch/Viscri und nach wie vor für den Schutz der Urwälder engagiert. Nicht dabei sein konnten Mihai Zotta, technischer Direktor der „Conservation Carpathia Foundation“ und Erika Stanciu (Fundatia ProPark). Die Podiumsdiskussion führte den Titel „Von der Holz-Zivilisation zur Facebook-Generation“ und folgte dem französischen Doku-Film „Le temps des forêts“. Im Film ging es um Plantagen von Douglas-Tannen in Frankreich die vollkommen automatisiert gefällt und zu Schnittholz oder Pellets verarbeitet werden. Riesige Maschinen zersägen vor Ort die Tannen die dann zur nahen Straße gebracht und ins Sägewerk abtransportiert werden. Zurück bleibt eine komplett gerodete Fläche aus der auch Baumstümpfe und Wurzeln entfernt werden. Da werden im rund 40-Jahre-Zyklus neue endlose Reihen von Tannen gesetzt die, weil die Humusschicht zum Großteil zerstört wurde, oft mit Kunstdünger behandelt werden. Ein Höhepunkt der Scheinheiligkeit tritt ein, als ein Beamter diesen Plantagen einen Ökostempel aufdrücken will: die Pellets seien ein aus erneuerbaren Quellen hergestelltes Brennmaterial.
Soweit ist es bei uns in Rumänien noch nicht gekommen und dazu soll es auch nie kommen. Das war der erste Eindruck den der Film im Saal hinterließ. Die eher rhetorisch gedachte einleitende Frage des Moderators lautete: „Brauchen wir überhaupt noch Holz?“ Als allen klar war, das Holz sogar wertvoller als Kunststoff sein kann und eigentlich Teil der rumänischen Kultur und Zivilisation sei, ging es um die Frage, ob Rumänien den Holzeinschlag stark einschränken oder sogar aufgeben soll. Holzimport sei keine Alternative, das könnten wir uns wirtschaftlich und sozial (die Holzverarbeitung sichert noch viele Arbeitsplätze) nicht leisten. Wortmeldungen aus dem Saal von Mitarbeitern der Forstfakultät drohten die Debatte zur Plattform der so oft in der Kritik stehenden Forstexperten zu werden. „Laien“ hätten eigentlich nichts zu sagen, sie würden nur das behaupten, was die meisten auch hören wollen; so wie man auf facebook „Gefällt mir“-Kennzeichnungen jage, so gingen auch NGO-Leute und Politiker mit Umweltthemen oder mit dem Klimawandel um, von denen sie schlicht keine Ahnung hätten. Als dann auch die Richtigkeit des Vertragsverletzungsverfahren gegen Rumänien in Frage gestellt wurde und für Tudor Stancioiu die Europäische Union aus rumänischer Sicht zu sehr an die Sowjetunion erinnere (Ausbeutung der Rohstoffe durch fremde Mächte) fühlte sich der Moderator gezwungen, manchen konkreten Sachverhalt anzusprechen. Zu Hilfe kam ihm auch Cristian Lascu aus dem Publikum, der als „Idealist und Romantiker“ wissen wollte, wie es mit den Kahlschlägen stehe und was hinter den angeblich verschwundenen 20 Millionen Kubikmeter Holz zu verstehen sei? Diese Zahl die in den Medien für Aufsehen gesorgt hatte, könne nicht gleichgesetzt werden mit illegal geschlagenem Holz, hieß es. Das Problem sei nicht so sehr die Quantität des Holzes das gefällt wird, sondern eher die Frage, wo das geschehe. Deshalb komme es zu Problemzonen deren Existenz nicht geleugnet werden könne.
Klar wurde aber, dass viel zu viele Zahlen im Zusammenhang mit Waldfläche, Holzproduktion, Urwälder (wie auch im Fall der Bärenanzahl in Rumänien) genannt werden, wobei vieles ungeprüft bleibt und daher oft auch als widersprüchlich erscheint. Ohne genau zu wissen, wo wir sind und wie wir stehen, können wir auch nicht entscheiden, wohin wir gehen, fasste Radu Melu zusammen. Dietmar Gross unterstrich seinerseits die Bedeutung der Ausarbeitung von Richtlinien als Teil einer Strategie betreffend Waldwirtschaft. Wer sollte sie aber ausarbeiten, denn da stoßen wieder viele Interessengruppen aufeinander. Und politisiert werde das Thema zusehends stärker. Es sei besser, nicht Fehler zu begehen deren Beheben uns nachträglich teuer zu stehen kommen. Für Stancioiu liege das Problem in einer Subfinanzierung des Forstwesens sowohl was Verwaltung als auch Ausbeutung betrifft. Zudem handle der rumänische Staat in dieser Angelegenheit inkohärent. Radu Melu schloss die Diskussion ab, indem er an ein das Nachhaltikeits-Prinzip erinnerte das er in ein rumänisches Sprichwort umwandelte: Wir sollen aus dem Wald nicht mehr nehmen, als dieser hergeben kann. Ein Appell an eine naturgemäße, nachhaltige Waldbewirtschaftung.
Niemand stemmt sich hierzulande offen dagegen. Aber zu vielen sichert illegales Holzschlagen einen schnellen Gewinn. Problematisch wird es, wenn selbst einige Fachleute die Dinge schönreden wollen und Kritik als persönlichen Angriff betrachten. Wenn auch diverse Verschwörungstheorien ins Spiel gebracht werden, dann droht eine sachliche, wissenschaftlich argumentierte Diskussion, ab und zu, auch in den Hintergrund zu gelangen.
Ralf Sudrigian
Radu Melu (WWF Romania) moderierte im Saal der Redoute das Podiumsgespräch an dem sich Mircea Verghelet, Dietmar Gross und Tudor Stancioiu (v.l.n.r.) beteiligten. Foto: der Verfasser
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