Kronstadt erstrahlte in neuem Licht
05.09.19
Die fünfte Auflage des Amural-Festivals war ein Erfolg
Wieder einmal war das internationale Festival für audio-visuelle Kunst „Amural“, landesweit das wohl größte seiner Art, eine Freude für Auge und Ohr. Als „Fest der zeitgenössischen Künste, ein Museum im Freiem in dem die modernste Technologie eingesetzt wird um die kräftigsten Ideen ihrer Schöpfer zum Ausdruck zu bringen“ von den Veranstaltern beschrieben, ist das Festival das Ereignis, das die Stadt unter der Zinne auf kultureller Ebene hervorhebt. Es ist originell, vielfältig, einfallsreich und belebt den Wald hinter der Graft, den Weißen und den Schwarzen Turm, den Platz vor dem „Popular“-Kino (dessen Renovierung hauptsächlich dem Amural-Verein zu verdanken ist), dieses Jahr aber auch das Gebäude des „Andrei Saguna“-Nationalkollegs, die Kreisbibliothek „George Baritiu“, oder das „Astra“-Kino. Auch Innenräume wie das Multikulturelle Zentrum der Transilvania-Universität oder der kulturelle Hub der kreativen Industrien Visssual standen am vergangenen Wochenende im Rampenlicht.
Optisch und auditiv waren die zahlreichen Besuche, die während der vier Tage, vom 29. August zum 1. September, auf „kultureller Tour“, oder nur versehentlich bei einem der 15 Standorte des „Amural“ unterwegs waren, schön beschenkt. Bei jedem Schritt waren Lichtspiele und Musik anwesend, ein voller Genuss besonders bei Dunkelheit. Lichtchoreographien auf Mauern, virtuelle Realität, interaktive Installationen, aber auch Fotografie, Filme, Musik oder Tanz-Performances standen im Programm, wobei deren Künstler, rund 100 insgesamt, davon einige aus Deutschland, auch persönlich kennengelernt werden konnten. Zu unterstreichen ist auch der Einsatz der Volontäre, die an den gleichfarbigen T-Shirts erkennbar waren, und die sich äußerst aktiv und sichtlich erfreut eingesetzt haben beim Gelingen der einzelnen Darbietungen und des Ganzen. Die Atmosphäre bei diesem Ereignis gleicht jener der großen Veranstaltungen, was Amural so besonders macht.
Auch wurde im Rahmen dieser Auflage der Garten des Visssual eröffnet und der erste Geburtstag des Hubs gefeiert. Das in einer ehemaligen Halle der Schuhfabrik „Tino“ funktionierende Zentrum bietet regelmäßig Veranstaltungen in verschiedenen Bereichen an und hat sich schnell zu einem Treffpunkt der an Kultur interessierten Gemeinde entwickelt.
Lebendiges Saguna-Gebäude
Das wohl größte Ereignis der Großveranstaltung war die großformatige 3D-Video-Mapping-Ausstrahlung (eine Kunsttechnik und multimediale Technologie), rund 1000 Quadratmeter, auf dem Gebäude des „Andrei Saguna“-Nationalkollegs. Der gebürtige Kronstädter Laszlo Zsolt Bordos, der in Budapest lebt und als einer der Pioniere des 3D Video-Mapping gilt, hat die Front des Gebäudes durch sein speziell dafür geschaffene eigenständige Kunstwerk belebt und die zahlreichen Zuschauer mit der Kombination von Bewegung, Farbe, Form und Ton überrascht. Das Gebäude war nicht wiederzuerkennen. Dafür hat er einen Projektor von 45.000 Lumen benutzt, einer der besten Projektoren die im Land verfügbar sind. „Es waren nicht nur Farben oder Muster, die sich auf psychedelischer Musik auf dem Schulgebäude abwechselten, es war ein komplexes Konzept, das Architektur, Geschichte und Kunst miteinander vereint und uns optisch verzaubert hat“ erklärt eine junge Frau, die die Projektion mit dem Handy filmt. Bordos‘ Einsatz beim Festival war sehr geschätzt, zumal seine kreative Arbeit auf zahlreichen bildhaften Gebäuden rund um die Welt, in Städten wie Berlin, Rom, Dubai, Paris, New York, Tokyo ausgestrahlt wurde und in der Zinnenstadt noch nie eine so große Fläche als Leinwand eines künstlerischen Schaffens benutzt worden ist. Erfolgreich war auch das Konzert der beliebten rumänischen Pop-Band „Robin and the Backstabbers“, die auf der Bühne am Saguna-Sportplatz aufgetreten sind. Das Motto der diesjährigen Auflage war: „#Elevator – Kunst als geistiger Fahrstuhl, der uns hilft uns zu entwickeln und die beste Variante von uns selbst zu erreichen“
XYZ und andere deutsche Künstler
“Ein pochendes Herz“, „ein Musikinstrument“, „ein lebender Organismus“. Das sind nur einige der Interpretationen der Besucher, die am vergangenen Wochenende die Installation „Offset XYZ“ von Andreas Lutz im Multikulturellen Zentrum der Transilvania-Universität gesehen haben.
Das Werk des deutschen Künstlers, das alleine im Hauptsaal der Institution ausgestellt war und somit die volle Aufmerksamkeit genoss, schien den gesamten Raum zu erfüllen. Die Absicht, durch die selbständigen dynamischen und willkürlichen Bewegungen und Geräusche der physischen künstlichen Intelligenz Kommunikation mit dem Zuschauer aufzubauen ist Lutz gelungen. Minutenlang haben die Besucher das eigenständige, unvorhersehbare Objekt, das seine eigene Zeitregelung, sein eigenes Bewusstsein und seine eigene Wirklichkeit zu besitzen scheint von allen Seiten betrachtet. Sie haben nachgesehen ob jemand darin steckt und die weiße Form bewegt, haben dem Rhythmus der Töne gefolgt und versucht „Offest XYZ“ zu entschlüsseln, wie auch zahlreiche andere Betrachter in den Räumlichkeiten im Ausland, wo die Isntallation noch zu erleben war. Der 1981 in Freiburg geborene Künstler, der die Grenzen zwischen organisch und automatisch, zwischen Biologie und Maschine erkundet, hat auch eine audiovisuelle Performance beim Schwarzen Turm dargeboten. Bei der kleinen Bühne neben dem „Popular“-Kino haben die Berliner Djs Sin-Drøne, Pat Flanders, Púca und Briain tagsüber, am Samstagabend bei Visssual bis zum Morgengrauen Musik gelegt. Die Anwesenheit der deutschen Gäste in Kronstadt ist dem Deutschen Kulturzentrum Kronstadt, sowie dem Goethe Institut zu verdanken.
Amural Kids
Lobenswert ist, dass die Organisatoren auch an die jüngsten Besucher gedacht haben. Bei „Amural Kids“, das eigens für Kinder erdacht wurde, haben schon die Allerkleinsten auf der schönen Grünfläche im Innenhof der Kreisbibliothek „George Baritiu“ auf spielerische Weise Kontakt mit Kunst aufnehmen können. Beim Malen, Basteln von Musikinstrumenten, Spielen, sowie bei den Werkstätten für IT oder Recycling haben sie die Aufführungen und Musik auf der kleinen Bühne neben ihnen wahrnehmen können, und erste Kontakte mit der künstlerischen Welt aufnehmen können.
Spaß haben auch die Schattenspiele die sie auf den Ausstrahlungen hinter der Graft gemacht haben bereitet. „Solche Veranstaltungen sind sehr willkommen“ sagt eine Mutter, „die Kinder können sich ausdrücken, aber auch Künstler und Kunstwerke hautnah erleben, tanzen, singen, sich über die Farben freuen.“
Das Zimmer für Lösungen - Inclusiv
Eines der Treffen, das Amural ermöglicht hat, ist jenes mit drei jungen preisgekrönten Journalisten und Verteidigern der Menschenrechte, die für ihre Investigationen zu Themen wie Korruption, Gesundheitswesen oder Migration bekannt wurden. Es geht um Stefan Mako, Victor Ilie und Luiza Vasiliu, die unter anderen bei Dilema Veche, RISE Project, Casa Jurnalistului oder Scena 9 tätig waren und mit Preisen wie jene von „Superscrieri“ ausgezeichnet worden sind. Weil sie sich in der rumänischen Presselandschaft nicht wieder finden, trotzdem weiterhin durch ihre tiefgründig recherchierten Artikel Kontext schaffen und eventuell Lösungen zeigen möchten zu den brennenden Themen der Gesellschaft, haben sie im Frühling diesen Jahres „die größte Redaktion Rumäniens“ gegründet. „Inclusiv” heißt sie und konnte Dank der Finanzierung von mehr als 1600 Rumänen landesweit ins Leben gerufen werden. Durch ein Crowdfunding (eine Form der Finanzierung durch eine Menge von Internetnutzern, die über unterschiedliche Internetseiten zur Spende oder Beteiligung aufgerufen wird) konnten 100.000 Euro zur Gründung der Redaktion gesammelt werden. Am 21. Oktober wird die Onlinepublikation der Öffentlichkeit vorgestellt und verspricht drei Beiträge monatlich zu bieten.
Beim Treffen im Rahmen des Kronstädter Festivals konnten die Leser und Unterstützer des Projekts erfahren, dass investigativer Journalismus sehr viel Zeit und Geld kostet, dass die neueste Publikation total unabhängig sein möchte und deswegen auf Werbeanzeigen verzichtet und sich nur auf freiwillige Finanzierung von Bürgern stützt und dass deren Implikation auch mehr als nur finanziell erhofft wird. Auch deren Know-How wird sehr geschätzt, sowie ihre Meinung, Themenvorschläge, Kontakte. „Wir wollen die Meinungen unserer Leser kennen, was sie bewegt, wo es weh tut und für sie relevante Texte schreiben. Deswegen planen wir regelmäßige Treffen mit ihnen, online sowie persönlich“ sagt Vasiliu. Sie ist besonders für die Investigation bekannt, in der sie die experimentellen Methoden des Orthopäden Gheorghe Burnei aufgedeckt hat.
Das Gesundheitswesen ist eines der Hauptthemen der Redakteure, weitere Themen sind Forschung, Migration, die Zukunft der Kinder und der Arbeit, die digitale Propaganda und Sauberkeit, die Geschichte, die in Schulen nicht unterrichtet wird und die sozialen Mechanismen, die das aktuelle Leben regeln.
Die brennenden Themen, die in der Zinnenstadt von den Teilnehmern am Treffen genannt wurden – es waren Menschen aus ganz unterschiedlichen Branchen – sind im Bereich Immobilien, Umweltschutz, Erziehungssystem.
Die Beiträge werden ausschließlich online zu lesen sein, auf inclusiv.ro, wo schon zwei Artikel hochgeladen sind: einer über die ausgewanderten Rumänen, der andere über Schmiergeld im Gesundheitswesen. Für seine bisherigen Leistungen und die gute Zusammenarbeit mit den Lokalbehörden hat Bürgermeister George Scripcaru den Veranstaltern des „Amural“-Festivals kürzlich angeboten, die Betreuung der Kronstädter Türme und Basteien zu übernehmen „um sie zur Geltung zu bringen“. Sobald die rechtliche Lage der mittelalterlichen Wehranlagen, die seit Jahren ungeklärt ist, gelöst wird, beziehungsweise sobald das Bürgermeisteramt zum Eigentümer erkannt werden wird, wollen die jungen Künstler verschiedene kulturelle Events dort veranstalten.
Laura Capatana-Juller
Die größte 3D-Video-Mapping-Ausstrahlung die es je in Kronstadt gab: Laszlo Bordos. Foto: Amural
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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