Kulturtage in Katzendorf
10.10.19
Thomas Perle ist der neue Dorfschreiber
„Zu unserem ersten Kulturtreffen in Katzendorf werden Neugierige aus Ost und West herzlich eingeladen. Im Pfarrhaus sind eine Woche lang Theater, Musik, Filme und Dichterworte zu Hause”. Das Plakat, das das erste Kulturtreffen auf dem Katzendorfer Pfarrhaus im September 1992 ankündigt, gibt es noch immer. Und auch nach 27 Jahren wird die Tradition erfolgreich fortgeführt. Zwischen dem 4. und dem 6. Oktober war der Pfarrhof aus Katzendorf Schauplatz von verschiedenen kulturellen Veranstaltungen. Der Höhepunkt war auch in diesem Jahr die Verleihung des Literaturpreises „Dorfschreiber von Katzendorf“. Der Initiator der Veranstaltung ist der in Berlin und Katzendorf lebende rumäniendeutsche Schriftsteller und Drehbuchautor Frieder Schuller, der die „Begegnungen auf Rumänisch, Ungarisch und Deutsch mit Dichtern, Musikern, Malern, Bauern, Roma und Neugierigen“ nun schon seit mehr als einem Vierteljahrhundert organisiert. Zahlreiche Gäste aus nah und fern folgen jedes zweite Jahr der Einladung und kommen in das kleine Dorf in der Nähe von Reps. „Wer kommen möchte, muss wissen/ der Orientexpress heißt heute Dacia Expres/auch gibt es Autobahnen und Flugzeuge/wer lang oder länger unterwegs war findet sein Bett/in des Dorfes guten Stuben/keiner ist Zaungast beim gemeinsamen Tisch/Hirten bieten ihren Ausblick an/ bald tausendjährige Eichen haben das Wort/die Vergangenheit hält Kopfhörer bereit“, steht in der Einladung zu den Kulturtagen.
Ein aus Rumänien stammender Schriftsteller
Am Samstag, dem 5. Oktober, wurde zum 6. Mal der Literaturpreis „Dorschreiber von Katzendorf“ verliehen. In diesem Jahr gibg die Auszeichnung an den in Wien lebenden Schriftsteller Thomas Perle. “Ein halbes Jahr lang darf er in der Dichterklause von Katzendorf wohnen und „sein Preisgeld als tägliches Brot hinnehmen“, wie es in der Einladung von Preisstifter Frieder Schuller heißt. „Er kann und soll sich umsehen, in die Sprache der Dorfbewohner hineinhören, sich wundern, mitreden, um einen Dichterbeitrag zum gegenwärtigen Transsilvanienbild hinzuzufügen.“
Thomas Perle wurde 1987 als Sohn eines Ungarn und einer Rumäniendeutschen in Oberwischau geboren, wo er dreisprachig aufwuchs. 1991 siedelte er mit seiner Familie nach Deutschland um. Er wuchs in Nürnberg auf. Nach dem Abitur und einem Volontariat am Staatstheater Nürnberg studierte er Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Er wurde mit mehreren deutschen und österreichischen Literaturpreisen und -stipendien ausgezeichnet.
Die Frage nach der Identität
Das Thema der Migration, die Fragen über „Heimat“ und über „bleiben und gehen“ beschäftigen Thomas Perle auch in seiner Arbeit. 2018 erschien sein Prosaband „wir gingen weil alle gingen“ in der edition exil. In den Erzählungen schildert Perle das Schicksal einer Familie, die Rumänien verlässt und in Deutschland ein neues Leben beginnt. In poetischer und dichter Sprache erzählt der Autor von Anpassung und Brüchen, von Wiederstand, Sehnsucht und Aufbruch.
Im vergangenen Jahr war Perle Rottweiler Stadtschreiber und erhielt für sein neuestes Theaterstück „karpatenflecken“ das Wiener Dramatik Stipendium, mit dem er auch den Retzhofer Dramapreis 2019 gewann. Im Juni 2020 wird das Stück am Wiener Burgtheater uraufgeführt. Das Stück erzählt von der Besiedlung des Ostens – der Karpaten, Rumäniens durch Aufrufe von Maria Theresia und Joseph II., von der Zeit des Faschismus, dem Nachkrieg und den Verfolgungen alles Deutschen bis zum Fall des Eisernen Vorhangs. Laut Begründung der Preisjury gelingt es dem Autor, „einen Bogen über mehrere Jahrhunderte zu spannen und die Komplexität seines Stoffes verständlich zu machen ohne einen didaktischen Text zu schreiben“.
In den nächsten Monaten wird Thomas Perle die Ruhe des siebenbürgischen Dorfes zum Schreiben nutzen. Vielleicht wird ihn die eine oder andere Begebenheit im Dorf für sein Werk inspirieren. Die Dorfschreiber-Vorgänger von Perle sind die Schriftsteller Dagmar Dusil, Elmar Schenkel, Jürgen Israel, Carmen Francesca Banciu und Tanja Dückers. Ein Interview mit dem Autor Thomas Perle folgt in einer der nächsten Ausgaben der Karpatenrundschau.
Elise Wilk
Der Schriftsteller Thomas Perle. Foto: dpa/Gollnow
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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