Lachgeschichte(n) und Humor germanistisch aufgearbeitet
09.04.09
Zur XII. internationalen Tagung Kronstädter Germanistik
„Germans have no sense of humor". Diese provokante „Lebensweisheit" der Briten erwies sich als passender Auftakt der ganzen Vortragsreihe und sorgte dafür, dass schon zu morgendlicher Stunde der kritische Geist der rund vierzig Teilnehmer auf Hochtouren lief. Die folgenden in erster Linie kulturwissenschaftlich gefärbten Vorträge analysierten die Entstehungsgeschichte und Morphologie einiger Stereotypsysteme und die Referenten bewiesen dabei durch ihre Schlagfertigkeit und Selbstironie auch, dass der deutsche Geist dem komischen Ausdruck durchaus nicht abgeneigt ist.
Dann wurde es Zeit, dass die Literaturwissenschaftler ihre lustige Seite zeigten. Es folgten drei anregende Vorträge über rumäniendeutsche Schriftsteller wie Johann Lippet, Carmen Elisabeth Puchianu, Joachim Wittstock und ihre ästhetische Beziehung zu Humor und Ironie.
Die nächsten Beiträge hatten als Hauptthema die Eigenarten des Humors im Kontext diktatorischer politischer Systeme. Die aggressive, propagandistische aber auch die defensive und therapeutische Rolle des Humors in solchen Zeiten wurde veranschaulicht.
Es folgten eine Reihe von Vorträgen, die sich mit Literaturverfilmungen und deren parodistische Auseinandersetzung mit dem jeweiligen literarischen Vorbild auseinandersetzten.
Der erste Tagungstag endete ganz im Zeichen der Literatur. Vorträge über humoristische Wesenheiten bei Proust, Musil, Norman Manea und Ruth Klüger brachten die Teilnehmer der Tagung in die passende Stimmung für die darauf folgende Lesung der österreichischen Schriftstellerin Lilian Faschinger. Die Autorin begeisterte das Auditorium mit ihrem ausdrucksstarken Auftreten, denn nicht nur der Text an sich (Auszüge aus „Magdalena Sünderin“ und „Stadt der Verlierer“) wirkte humorvoll und (selbst)ironisch, sondern auch die Art und Weise wie die Autorin diesen vortrug.
Besonders anregend waren auch die Beiträge am folgenden Tag (Samstag) in der Sektion Literaturwissenschaft. Formen des Schwanks, der Kinderliteratur und der modernen Gesellschaftssatire wurden erläutert, indem Aspekte der Situations- und Personenkomik, der humorvollen Sprache, des Namenswitzes und des Unerwarteten hervorgehoben wurden. Aspekte von Komik und Ironie im (post)modernen Drama (am Beispiel von E. Jelinek und U. Widmers) wurden ebenfalls zur Diskussion gestellt. Dass Lachgeschichten auch im DaF-Unterricht interessant sowie für die Schüler ansprechend gestaltet werden können, bewies ein weiterer Vortrag. Das Nachmittagsprogramm beinhaltete Vorträge zu Lachepisoden bei Wolfram von Eschenbach, Hermann Hesse, Elias Canetti, Günter Grass sowie über die periodische Presse in Siebenbürgen und abschließend über den österreichischen Schriftsteller Gert Jonke.
Die literaturwissenschaftliche Sektion der Tagung fand am Sonntag Vormittag ihren Abschluss und zwar mit einem Beitrag über Witz und Humor in der Werbung, gefolgt von dem Vortrag der Hauptveranstalterin der Tagung, Dr. Carmen E. Puchianu, die ausgehend von Thomas Bernhardts Komödienkonzept (im „Theatermacher"), ihre eigene Erfahrung mit dem Improvisationstheater erläuterte.
Befassten sich die Literaturwissenschaftler mit Humor und dem dadurch ausgelösten Lachen eher aus kulturwissenschaftlicher, lebensanschaulicher und/oder poetologischer Sicht, widmeten sich die Sprachwissenschaftler diesem Phänomen aus sprachetymologischer und psychosomatischer/biologischer Sicht. Man versuchte so Redewendungen auf den Grund zu gehen, wie z. B. „aus vollem Halse lachen" oder dass „sie über das ganze Gesicht lacht", „sich einen Kringel in den Bauch lachen" oder „sich einen Ast lachen". Besonders interessant war die Einteilung der Redewendungen in Äußerungen, die eine positive („Lachen ist gesund") bzw. eine negative („sich tot lachen", „sich kaputt lachen") Auswirkung des Lachens darstellen. Da das Lachen sich meistens aus einem Spiel entwickelt, berücksichtigten die Sprachwissenschaftler auch die Spiele mit der Sprache. Eine beinahe mathematische Formel wurde in dieser Hinsicht vorgeschlagen: Wortschatz + Komik = Sprachwitz? Sachwitz /Handlungswitz. Lexikalische Ambiguitäten wurden auf drei Ebenen analysiert: auf der situativ-pragmatischen, auf der inhaltlich-affektiven und auf der formal-kognitiven Ebene. Diese ließen sich anhand zahlreicher konkreter Witze erklären. Des Weiteren wurden Aspekte der Textfunktionen und Eigentümlichkeiten des Humors am Beispiel einer Kriminalgeschichte aber auch phraseologischer Eigenheiten erläutert, sowie sprachwissenschaftliche Projekte und didaktische Strategien zum Spracherwerb vorgestellt.
Die Pausendiskussionen unterstrichen die Wichtigkeit der Beiträge für die Didaktik der deutschen Sprache , sodass die pragmatische Komponente der Beiträge im Rahmen dieser Diskussion über Humor und Lachen zu interessanten Ergebnissen geführt hat.
Insgesamt eine ernsthafte und durchaus erfolgreiche Tagung.
Laura Dordea, Robert G. Elekes, Carmen Paduraru, Andreea Podosu, Roxana Raducanu und Anca Tudose (alle MA-Interkulturelle Studien zur Deutschen Sprache und Literatur, 1. Jahr, Transilvania Universität, Kronstadt)
Foto 1Dr. Carmen Puchianu (stehend) – Initiatorin und Organisatorin der Kronstädter Germanistik-TagungenFoto 2Die Tagung fand im Sitzungssaal des Gästehauses „Casa Speran]ei“ statt.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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