„Leipziger Fama für Dakien“ - die erste rumänische Zeitung
24.08.08
„Leipziger Fama für Dakien“ - die erste rumänische Zeitung
Herausgeber waren zwei rumänische Studenten: Ioan Rosetti und Anastasie Lascar/ von Prof. Dr. Klaus Bochmann, Universität Leipzig
Am 1. Juli 1827 erschien in Leipzig eine Zeitung in rumänischer Sprache: „Fama Lipschii pentru Datia" (zu deutsch: Leipziger Fama für Dakien). Bevor sich von 1829 an in den rumänischen Donaufürstentümern die ersten regelmäßig erscheinenden Zeitungen etablierten, hatten zwei rumänische Studenten, loan M. C. Rosetti aus Bukarest und Anastasie Lascar aus Jassy (Ia{i) die Initiative zur Herausgabe des kleinen, jeweils nur acht Seiten umfassenden Blattes ergriffen. Es war das erste rumänische Periodikum.
Nur die ersten drei Nummern der „Fama“ sind erhalten, und von Nr. 7, der wahrscheinlich letzten (sie erschien im November 1827) fehlt inzwischen jede Spur, nachdem sie einmal im Hermannstädter Brukenthalmuseum gesichtet worden war. Zu den Merkwürdigkeiten der Zeitung gehört auch, dass sich die einzigen der heute bekannten Exemplare dieser drei Nummern ausgerechnet im Goethe-Archiv zu Weimar befinden, wo sie 1972 von dem rumänischen Literaturwissenschaftler Octav P²un entdeckt wurden.
Warum erschien die Zeitung ausgerechnet in Leipzig und nicht in der rumänischen Moldau oder der Walachei? Was weiß man über die Herausgeber? Schließlich: Was hat sie in Goethes Nachlass zu suchen?
Die Herausgabe der „Fama“ ordnet sich ein in die Bewegung einer nationalkulturellen Selbstbesinnung sowie vorsichtiger Versuche der Modernisierung von Staat und Gesellschaft rumänischer Länder in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts, nachdem die über hundertjährige Herrschaft griechischer Phanariotenfürsten 1821 zu Ende gegangen war. Unterstützt wurde die Leipziger Zeitung durch einflussreiche rumänische Bojaren und Kaufleute. Die letzteren, von denen viele regelmäßig zur Leipziger Messe kamen, machten sich auch anheischig, das Blatt in ihre Heimat zu transportieren, wo ein kleines Vertriebsnetz für seinen Verkauf eingerichtet wurde. Dass nicht eine rumänische Stadt, sondern Leipzig als Verlagsort gewählt wurde, ist darauf zurückzuführen, dass in Rumänien selbst - damals unter russischer Militärverwaltung stehend - vorläufig keine Druckerlaubnis dafür zu erhalten war. Leipzig als Zentrum des Buchdrucks, für die Rumänen dank der Messe relativ gut erreichbar, bot eine günstige Ausweichmöglichkeit.
Ioan Rosetti, dem eigentlichen spiritus rector des Unternehmens, „Hörer der politischen Wissenschaften an der Hohen Universität zu Leipzig", wie er auf dem Vorsatzblatt der Zeitung schreibt (laut Matrikelverzeichnis aber als „anatom. med." verzeichnet), gelang es mit Hilfe des Verlages Breitkopf & Härtel, die speziellen fürs Rumänische damals erforderlichen kyrillischen Lettern zu beschaffen und die Zeitung in diesem Verlagshaus drucken zu lassen. Hätte den tatkräftigen Studenten und Jungunternehmer nicht ein früher Tod dahingerafft (er wurde am 3. März 1828 beerdigt), hätte Leipzig durchaus auch ein rumänischer Verlagsort werden können, wie es zuvor schon Buda und Wien waren.
Mitherausgeber Anastasie I. Lascar promovierte 1832 zum Dr. med. und wurde später einer der bekanntesten Ärzte seiner Heimatstadt Jassy (Ia{i). Er entstammte einer griechisch gebildeten Fokschaner (Foc{ani) Kaufmannsfamilie, die von sich behauptete, auf den letzten Kaiser van Nikäa zurückzugehen.
Die Zeitung erschien zweimal im Monat. Ihr Vorbild war die damals in Deutschland sehr bekannte Wochenschrift „Leipziger Fama oder Jahrbuch der merkwürdigsten Weltbegebenheiten". Was den Inhalt des rumänischen Periodikums betrifft, war an eine Mischung von politischen Nachrichten mit Bezug auf den Balkan und die osteuropäischen Großmächte, von literarischen und philologischen Versuchen und naturwissenschaftlich-aufklärenden Artikeln gedacht. Die Nachrichten sind anderen Zeitungen mit Angabe der Quellen entnommen. So wird aus Russland aber den Krieg mit Persien und seine Folgen für die territoriale Expansion Russlands berichtet; aus Griechenland Anekdotisches um Kolokotroni; aus Kleinasien über die Enttäuschung der dortigen Griechen angesichts der geringen britischen Hilfe für ihre Emanzipationsversuche. Unter dem Titel „Miszellen" werden die demographischen Folgen des Erdbebens von Lissabon besprochen und die Abreise des russischen Ministers Capo d'lstria aus Paris über Berlin nach Petersburg vermerkt. Schließlich gibt es aus Griechenland eine Nachricht über Kapitulationsbedingungen Athens.
Wie aus einem Artikel der „Fama" hervorgeht, bestand zwischen Rosetti und einem serbischen Kommilitonen, dem Dichter Sima (Simeon) Milutinovitsch-Sarajlia eine enge Freundschaft. Dieser hatte schon 1826 in einem Gedichtband eine Ode auf Rosetti veröffentlicht. Diese Freundschaft erklärt sowohl die Wahl des Verlages Breitkopf & Härtel als Standort des rumänischen Drucks als auch die Anwesenheit der „Fama" in Goethes Archiv. Der traditionelle Leipziger Musikverlag hatte zum Zeitpunkt des Erscheinens der rumänischen Zeitung schon Erfahrungen beim Druck von Kyrillica. 1823 meldet Jakob Grimm an Goethe, dessen Interesse für serbische Volksdichtung bekannt war, dass Vuk Karadzic hier einen Band der serbischen Volkslieder herausgebracht habe. 1826 folgt der genannte Band von Milutinovitsch, der Rosetti hier eingeführt haben könnte. Der Verlag hielt die Tradition südosteuropäisch-kyrillischer Veröffentlichungen im übrigen noch eine Weile aufrecht. 1837 kam hier jedenfalls ein weiteres Werk von Milutinovitsch heraus, und 1846 wurde hier die erste bulgarische Zeitung, der von Dr. Iwan Bogoroff herausgegebene „Balgarski Orel", verlegt.
Zu Goethe kann die rumänische Zeitung über zwei Wege gelangt sein. Ende 1826 hatte ihn Therese v. Jakob, Übersetzerin von Karadzic, von Halle aus auf Milutinovic aufmerksam gemacht. Ob Goethe zu ihm den Kontakt gesucht hat, ist nicht ersichtlich. Dagegen soll es nach P²un eine unmittelbare Empfehlung des Kaufmanns, Dichters und Übersetzers Wilhelm Christoph Leonhard Gerhard an Goethe gegeben haben, sich für die „Fama" zu interessieren. Er beschrieb Rosetti als interessante Person mit vielseitigen Beschäftigungen, Student der Medizin, Rechte, Schönen Künste, Verleger, Reformer der Orthographie und Handelsagent bei der Leipziger Messe - Prädikate, die der jungverstorbene Förderer rumänischer Kultur in der Tat aufwies.
So stellt sich die „Fama Lipschii pentru Datia" nicht schlechthin nur als erster Versuch einer rumänischen Zeitung dar: Es war gleichzeitig ein Ansatz, die rumänische Kultur im südosteuropäischen Kontext und im Verein mit den anderen Balkanvölkern zu fördern; sie war darüber hinaus - dank des Interesses deutscher Intellektueller für die rumänische und serbische Kultur - eine leider zu früh abgebrochene Brücke des Kulturtransfers zwischen Mittel- und Südosteuropa.
(Aus: „Rumänen in Leipzig. Damals – heute“, Europa-Haus Leipzig e.V., Leipzig 1998)
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